Der Aufbruch in die Autonomie
Als die Universität Basel im Januar 1996 in die Autonomie entlassen wurde, war dies eine schweizerische Premiere, die auch außerhalb der Schweiz Beachtung fand. Inzwischen haben die übrigen Universitäten der Schweiz diese Entwicklung nachgeholt. Auf dem Papier mögen die Regelungen unterschiedlich aussehen, in der Gesamtwirkung ist vor allem in der deutschen Schweiz die unmittelbare staatliche Steuerung überall zurückgetreten. Finanziert werden die Hochschulen über ein parlamentarisch bewilligtes Globalbudget; für dessen Verwendung im Einzelnen sind die Universitäten selber zuständig.
Basler Besonderheiten
Was Basel auszeichnet und unterscheidet, ist der Umstand, dass das Präsidium des Universitätsrats hier nicht einem Regierungsmitglied zufällt. Der Industrielle Rolf Soiron leitete den ersten Universitätsrat während knapp zehn Jahren von 1995 bis 2005. Die externe Lösung beseitigte einen möglichen Konfliktpunkt zwischen den Trägerkantonen, die beide Anspruch auf die Leitung hätten erheben können. Dem neunköpfigen Universitätsrat gehörten anfänglich drei Regierungsmitglieder an, neben den beiden Erziehungsdirektoren auch die Leiterin des Basler Gesundheitsdepartements. Im Anschluss an den Staatsvertrag von 2007, der den Ausbau zur vollen Partnerschaft brachte, nehmen nun nur noch die Erziehungsdirektoren Einsitz. Zugleich hat die Universität seit 2007 das Recht, selber eines der neun Mitglieder zur Wahl vorzuschlagen. Als nicht stimmberechtigte Mitglieder gehörten dem Universitätsrat zudem von Anfang an der Rektor und der Verwaltungsdirektor an; zur Mitsprache berechtigt ist auch der Sekretär des Universitätsrats.
Hoher Erwartungsdruck
Der Aufbruch in die Autonomie stand unter hohem Erwartungsdruck. Es gab eine Fülle nachzuholender Entwicklungsschritte, was den Ausbau von Fächern und die Überwindung von Engpässen betraf. Zugleich war die Verwaltung noch voll im Aufbau begriffen, so fehlte noch immervein transparentes Finanzwesen. In vielen Bereichen war Improvisation angesagt. Die von Baselland eingebrachten zusätzlichen Gelder konnten angesichts des einsetzenden Abbaus städtischer Leistungen nur bedingt Entlastung schaffen.
Von grösster Bedeutung war angesichts der Enge des finanziellen Rahmens der von Baselland geschaffene Erneuerungsfonds: Zehn Prozent des von Baselland eingebrachten jährlichen Gesamtbetrags von 75 Mio. flossen in diesen Fonds, über den die Universität direkt verfügen konnte. Zahlreiche Initiativen verdankten ihm ihre Umsetzung. Klar war aber auch, dass die in Angriff genommenen Ausbauten respektive neu geschaffenen Lehrstühle mit der Zeit ins reguläre Budget übernommen werden mussten. Das galt zum Beispiel auch für den erwähnten Fachbereich «Mensch-Gesellschaft-Umwelt», dessen Finanzierung durch das Stiftungsvermögen, das vom Kanton Baselland aufgebracht worden war, 2002 auslief.
Zugleich verstärkte sich in diesen Jahren der Einfluss der eidgenössischen Hochschulpolitik. Das Staatssekretariat für Bildung und Wissenschaft hatte in Basel bereits 1993 interveniert und die Zukunft der Pharmazie in Frage gestellt. Der Standort Basel konnte zwar erhalten werden, doch erzwang die Intervention eine Neustrukturierung des Fachs. Davon abgesehen gab es zusätzliche finanzielle Leistungen der Eidgenossenschaft, zum Beispiel zur Frauenförderung, oder von den Nicht-Hochschul-Kantonen, welche die Beanspruchung von Studienplätzen nun vermehrt finanziell abgalten.
Rechnet man noch die unter einem wachsenden Wettbewerbsdruck zwischen den Hochschulen eingeworbenen Mittel des Schweizerischen Nationalfonds oder sonstiger Quellen von Drittmitteln hinzu, so vermochte die Universität Basel ihren finanziellen Spielraum trotz staatlichem Spardruck in den ersten Jahren der Autonomie durchaus zu erweitern. Die Leitung von Finanzen und Controlling übernahm 1998 ein aus der Privatwirtschaft (Novartis) kommender Fachmann; ähnlich hielt man es mit der Betreuung der Baufragen. Dem ersten Universitätsrat gehörten zwei Vertreter der Grossindustrie an, die solche Besetzungen förderten und die nötigen Kontakte zu vermitteln wussten.
Eine wichtige organisatorische Änderung vollzog sich 1998, als das Rotationsmodell im Rektorat mit dem Dreigestirn von designiertem, amtierendem und ehemaligem Rektor abgelöst wurde durch ein hauptberufliches Modell. Aus der Sicht des Universitätsrats sollte auf diesem Weg mehr Kontinuität und Professionalität erreicht werden. Dem Rektor zur Seite stehen seither zwei Vizerektoren für Forschung und Entwicklung sowie für Lehre und Weiterbildung, letzteres erstmals von einer Frau geleitet, von Annetrudi Kress, Angehöriger der Medizinischen Fakultät und langjähriger Leiterin der Koordinationskommission. Erster Rektor unter dem neuen System wurde der Theologe Ulrich Gäbler, der bis 2006 diese Funktion innehatte, als ihn der Ägyptologe Antonio Loprieno ablöste.
Formen der Autonomie
Seit den Diskussionen Ende der 1980er Jahre war die «Autonomie» der Universität zu einem immer deutlicher beim Namen genannten Ziel geworden. Es war nicht die Programmatik eines New Public Management, welche dieses Resultat zeitigte; es war die blanke Notwendigkeit, die erweiterte Mitträgerschaft durch den Kanton Basel-Landschaft zu ermöglichen, indem man die Universität Basel aus ihrer engen Einbindung in den städtischen Staatsverband herauslöste. Die konkreten Formen, in denen die Realisierung dieses Ziels erfolgte, waren dann aber durchaus von der zeittypischen Suche nach mehr Effizienz und dem Verlangen nach stärkerer Managementorientierung an der Spitze geprägt.
Die damit verbundene Verpflichtung der Universität zur Erstellung ausführlicher Berichte und die periodische Bewilligung des Leistungsauftrags kommen dem Willen der Parlamente entgegen, sich eine gewisse Mitwirkung an der universitären Entwicklung zu sichern. Seit den späten 1990er Jahren sind die entsprechenden Berichte und Vereinbarungen im Umfang ausserordentlich angewachsen. Der Staatsvertrag von 2006 institutionalisierte eine jährliche Aussprache zwischen Parlamentariern und der Führungsspitze der Universität.
Trotz der unübersehbaren Konsolidierung ist das an der Universität Basel entstandene Steuerungssystem immer noch in Entwicklung begriffen. Es erweist sich als «gemischtes System», das nur funktionieren kann, wenn durch geschickte personelle Besetzungen in den Führungspositionen deren Kooperation gewährleistet ist. Der Rektor wird weiterhin durch die Regenz gewählt, die sich als Organ der traditionellen akademischen Selbstverwaltung präsentiert. Daneben stehen die gewachsenen Kompetenzen der neuen Aufsichts- und Leitungsorgane. So hat der Universitätsrat bei den Rektoratswahlen ein Vetorecht: Er kann eine nicht genehme Person ablehnen. Um eine solche Situation zu vermeiden, müssen sich die beteiligten Parteien von vornherein ins Einvernehmen setzen.
In einem teilweisen Entgegenkommen gegenüber der inneruniversitären Kritik der Jahre 2002-2004 fordert der Staatsvertrag von 2006 aber auch, dass der Universitätsrat bei Entscheiden über die strategische Ausrichtung, bei der Schaffung oder Aufhebung von Studiengängen die betroffenen Fakultäten anzuhören hat. Zudem kann die Regenz ein selbst bestimmtes Mitglied in den Universitätsrat entsenden. Mit solchen Bestimmungen bekräftigt der jüngste Staatsvertrag die integrativen, Kooperation geradezu erzwingenden Züge des «Basler Modells». Sie machen vielleicht sein zentrales Merkmal aus.