Jüngste Entwicklungen der Theologischen Fakultät
Die Theologie hat in Basel eine lange und im Vergleich zu anderen Fakultäten kontinuierliche Geschichte. Nachdem sie im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts die Vorstösse zu ihrer Schliessung erfolgreich abwehren konnte, hat sie angesichts des universitären Sparwillens der jüngsten Jahre Massnahmen zu ihrer Konsolidierung getroffen.
Bologna und Portfolio
Wie an anderen Fakultäten gehen auch in der Theologie viele der internen Umstrukturierungen auf zwei gesamtuniversitäre Prozesse zurück: Zum einen auf die Umstellung der Studiengänge auf das Bolognamodell, zum andern auf eine Überprüfung des universitären Leistungsangebotes. Diese als «Portfolio-Bereinigung» bezeichnete Überprüfung hatte der Universitätsrat bereits Ende 2003 angekündigt. Im April 2004 sandte er einen entsprechenden Bericht zur Leistungsvereinbarung 2005-2008 an die Regierungen von Baselland und Baselstadt.
Worum es sich bei dieser Bereinigung handeln sollte, machte Antonio Loprieno im Februar 2005, damals Präsident der Planungskommission und künftiger Rektor, anlässlich der Tagung «Hochschule quo vadis? Wissensgesellschaft auf dem Prüfstand» in einem Referat deutlich: Ziel der «Portfolio-Bereinigung» sei es, «durch die Identifizierung der qualitativen Stärken und der quantitativen Schwächen der disziplinären Bereiche eine Positionierung unserer Universität im Netz der schweizerischen Hochschullandschaft zu bewirken.» Die Evaluation der Fachbereiche orientierte sich dabei an acht Kriterien, zu denen Standortrelevanz, Interne Vernetzung, Wettbewerbsposition und Zukunftspotential gehörten.
Alte Ausstattung ...
Mit den Konsequenzen der Evaluation konnte die Theologie zufrieden sein. Im Bericht zur Leistungsvereinbarung lautet der für die Theologische Fakultät entscheidende Satz: «Die jetzige Ausstattung wird vorderhand beibehalten.» Zugleich wurde der anhaltende Bedeutungsverlust keineswegs verschleiert, sondern offen thematisiert: «Die Theologie gilt seit alters her als die erste Fakultät, und sie war lange das Kernstück der Universität. Heute zeigen die Studierendenzahlen, dass sie an gesellschaftlicher Bedeutung verloren hat, mindestens in ihrer bisherigen Ausrichtung.» Letztlich sollte der Verweis auf eine ebenso lange wie wertvolle Tradition das Übergewicht behalten - untermauert von der Bemerkung, dass sich überhaupt erst weisen müsse, «ob das Nachlassen des Interesses für christliche Theologie von Dauer ist.»
Dass die Theologische Fakultät im Gegensatz zu ähnlich positionierten Fächern von keinerlei finanziellen Einschränkungen betroffen war, wurde von verschiedenen Seiten in Frage gestellt. So äusserte sich im Februar 2004 der gewerkschaftliche Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD Region Basel) in seiner «Vernehmlassung zum Bericht des Universitätsrates betr. Leistungsvereinbarung 2005-2008» kritisch zu den Kürzungsentscheiden und bemängelte insbesondere ihre evaluative Basis: «Die Begründungen für die Budgetstreichungen und Institutsschliessungen folgen keinen verbindlichen Kriterien. Sie sind willkürlich. Das Gemeinsame der abbaubetroffenen Fächer ist, dass sie keine Lobby haben. An die Theologie z.B. hat sich der Universitätsrat nicht gewagt.»
... neue Ausrichtung
Ihr Gesamtbudget blieb der Theologischen Fakultät erhalten; für die Verwendung des Geldes wurden ihr allerdings einige Auflagen gemacht, welche der Studien- und Fachstruktur eine verbindliche Entwicklungsrichtung vorgaben. Vom Universitätsrat ging die Aufforderung an die Theologie, sich in Kooperation mit der Philosophisch-Historischen Fakultät stärker religionswissenschaftlich auszurichten. Dies sollte über eine schrittweise Umbesetzung frei werdender Professuren und die damit verbundene Einführung eines eigenen Studiengangs erfolgen.
Den Aufbau eines religionswissenschaftlichen Schwerpunkts hatte die Theologie bereits seit längerem vor dem Hintergrund eigener Überlegungen verfolgt. So vermerkte der Jahresbericht 2000 der Universität, dass die in diesem Jahr erfolgte Eröffnung des Instituts für Jüdische Studien einen Schritt der Theologischen Fakultät «hin zu einer verstärkten Ausrichtung auf Religionswissenschaften» bedeute. Die Notwendigkeit einer solchen, die innertheologischen Fragestellungen überschreitenden Orientierung, wurde mit dem Hinweis auf zeitgeschichtliche Veränderungsprozesse begründet: «Angesichts des zunehmenden kulturellen und damit auch religiösen Pluralismus in Europa erachtet es die Fakultät als ihre Aufgabe, verstärkt Lehrangebote zu etablieren, die sich mit dieser Situation auseinandersetzen.»
Eine engere Zusammenarbeit mit der Philosophisch-Historischen Fakultät war dabei von Beginn weg angestrebt. Neu war hingegen der Entscheid, die religionswissenschaftliche Ausrichtung im Rahmen eines institutionalisierten Studienganges interfakultär zur Geltung zu bringen.
Studienfach Religionswissenschaft
Der Aufbau eines Bachelorstudienfachs Religionswissenschaft war im Jahr 2005 die zentrale Aufgabe der Theologischen Fakultät. Wie vom Universitätsrat gefordert, erfolgte die Einrichtung des Ordinariats für Religionswissenschaft auf dem Weg einer Umbesetzung. Es trat an die Stelle des Ordinariats für Neues Testament und Alte Kirchengeschichte, das mit dem Rücktritt von Rudolf Brändle im Herbst 2006 frei wurde. Damit verlor die Theologische Fakultät zwar ihren patristischen Schwerpunkt, verfügte aber weiterhin über eine neutestamentliche Professur, so dass kein theologisches Kernfach in gravierender Weise von der Umwidmung betroffen wurde.
Als Kultur- und Gesellschaftswissenschaft nimmt die Religionswissenschaft keinen innerreligiösen Beobachtungsstandort ein. Jenseits konfessioneller Gebundenheit befasst sie sich mit der Thematik «Religion» im Kontext von Geschichte und Gegenwart. Dabei bedient sie sich historischer, soziologischer und philologischer Mittel und steht so in engem Zusammenhang mit entsprechenden Disziplinen der Schwesterfakultät.
Die über ihre eigenes Haus hinausgreifende Ausrichtung der Theologie blieb in ihrem Einfluss nicht auf die Ebene der Einzelfächer beschränkt. Vielmehr entfaltete sie eine Wirkung, die auch im Feld der wissenschaftsorganisatorischen Gliederung spürbar wurde.
Fakultätsübergreifende Departementsstruktur
Das institutionell an der Theologischen Fakultät verankerte ausserfakultäre phil.I-Studienfach Religionswissenschaft wird heute von dem im Frühjahr 2008 gegründeten Departement Religionswissenschaft getragen, das beiden Fakultäten zugleich zugeordnet ist. Das klingt etwas kompliziert und ist es auch. Schliesslich gliedert sich die Universität Basel in Fakultäten, die Fakultäten in Departemente und die Departemente in Institute und Seminare; wenn nun ein Departement an zwei verschiedene Fakultäten gebunden ist, wirft das für die in ihm versammelten Fächer einige Fragen nach ihrem institutionellen Status auf.
Vom Departement Religionswissenschaft werden neben dem gleichnamigen Fach auch die Jüdischen Studien und die Islamwissenschaft getragen. Während letztere historisch vor allem an die Philosophische Fakultät geknüpft ist, sind die Religionswissenschaft und die Jüdischen Studien zwar philosophisch-historische Fächer, beziehen jedoch beide eine volle Professur aus der Theologischen Fakultät. Sie stehen damit einerseits vor der Aufgabe, eng mit der Theologie zu kooperieren, andererseits vor der Herausforderung, in deutlicher Abgrenzung zu theologischen Ansätzen ein eigenes kulturwissenschaftliches Profil zu entwickeln.