Rechte und Chancen von Frauen und Männern
Rechtsgleichheit ist noch nicht Chancengleichheit. Die Möglichkeiten, die de jure allen zustehenden Rechte individuell auch wahrzunehmen, sind nach sozialer, ethischer oder geschlechtlicher Zugehörigkeit ungleich verteilt. Seit Ende der 1980er Jahre versucht die universitäre Gleichstellungspolitik der geschlechtsspezifischen Diskrepanz im Lehrbetrieb und Wissenschaftssystem entgegenzuwirken.
Rechtlich haben Frauen und Männer heute den gleichen Zugang zu Universität und Wissenschaft. De facto sind Männer in der Verteilung der akademischen und beruflichen Karrierechancen nach wie vor bevorzugt. In einer Standortbestimmung von 2007 kommt das Staatssekretariat für Bildung und Forschung zum klaren Befund: Neben einer horizontalen Segregation nach Fach wird die akademische Welt immer noch von einer vertikalen Segregation nach Rang strukturiert.
Vertikale Segregation
Zwar hat der Anteil Frauen in den letzten Jahren auf allen Hierarchiestufen langsam zugenommen. Je höher jedoch die Stufe, desto tiefer der Frauenanteil. Während die Frauen im Jahr 2005 an den Schweizer Universitäten rund 50% der Immatrikulationen ausmachten, waren es bei den Hochschulabschlüssen noch 45%, bei den abgeschlossenen Doktoraten 40%, bei den Habilitationen 23% und bei den Professuren gerade noch 12%. An der Universität Basel waren 2005 86% der Ordinariate mit Männern besetzt. Beim Erklimmen der wissenschaftlichen Karriereleiter haben Frauen mit speziellen Hürden zu kämpfen. Das Staatssekretariat für Bildung und Forschung platziert die Schweiz im internationalen Vergleich auf Rang 29: In nur vier weiteren europäischen Ländern ist es noch schlechter bestellt um die Teilhabe von Frauen an Wissenschaft und Forschung.
Die vertikale Geschlechtersegregation ist ein altes, ein zähes Problem. Seit den 1970er Jahren werden unter dem Begriff der «Frauenförderung» Massnahmen gefordert, um der strukturellen Benachteiligung von Frauen in männlichen Domänen entgegenzusteuern und einen faktischen Chancenausgleich anzusteuern. Die frühen Frauenförderungsmassnahmen hielten teilweise an männlichen Normen fest. Seit den 1990er Jahren werden zusätzlich zu frauenpolitischen auch männerpolitische Massnahmen gefordert. Nicht mehr nur die Situation der Frauen, sondern auch die Position der Männer sollen in Konzeption und Anwendung der Gleichstellungspolitik berücksichtigt werden. Auch die männlichen Normen stehen zur Debatte und sind politisch ‹offen›.
So ist erkannt worden, dass die Wirksamkeit von frauenfördernden Massnahmen beschränkt bleibt, wenn sie in einem Wissenschaftssystem implementiert werden, das an der klassischen Rollenverteilung und der männlichen Normalbiografie festhält. Die partnerschaftliche Umverteilung der Familienarbeit muss ebenso in die politischen Strategien integriert werden, wie andererseits die Vereinbarkeit von familiären Aufgaben mit Stellenprofilen, akademischen Karrieremustern und wissenschaftlichen Erfolgsrastern. Gleichstellungspolitik ist ein Projekt, das sich an beide Geschlechter richten muss.
«Nichts entsteht»
An der Universität Basel setzten gleichstellungspolitische Bestrebungen Ende der 1980er Jahre ein. Aufgrund des Drucks von Assistentinnen und Studentinnen wurde 1988 eine Ad-hoc-Regenzkommission «Frauen an der Universität» geschaffen. Sie erarbeitete eine Liste von Anträgen, wie die Situation von Frauen an der Universität Basel zu verbessern sei. Die Anträge wurden am 19. Dezember 1990 von der Regenz beschlossen. Im Zentrum stand folgender Passus: «Frauen und Männer haben gleiche Chancen in Studium und Nachdiplomstudium, bei Berufung und Anstellung. Die Universitätsbehörden erlassen geeignete Massnahmen zur Herstellung der Chancengleichheit und zur Förderung der Frauen, insbesondere zur Erhöhung des Frauenanteils auf der Ebene der Dozierenden.» Diese Grundsatzerklärung fand bald schon Eingang ins offizielle Leitbild der Universität.
1991 wurde die provisorische Regenzkommission verstetigt. Dem zwölfköpfigen Gremium gehörten Studierende, Assistierende und ProfessorInnen an. Die Kommission wurde beauftragt, die gleichstellungsrelevanten und frauenfördernden Regenzbeschlüsse der Umsetzung näher zu bringen. Der Bericht, den sie 1993 nach fünfjähriger Tätigkeit vorlegte, trug den deutlichen Titel «Wie trotz klarer Ziele und ernsthafter Arbeit nichts entsteht». Der bekundete Wille der Universitätsbehörden stiess in seiner Verwirklichung auf Hindernisse und Widerstände. So lehnte es der Regierungsrat 1993 ab, die Einrichtung einer universitären Kinderkrippe und der Stelle einer Frauenbeauftragten finanziell zu unterstützen.
Fest und verpflichtend
Im Zuge der Universitätsreform fanden das Prinzip der Chancengleichheit und das Instrument der Frauenförderung 1996 Eingang in die Zielbestimmungen des neu geschaffenen Universitätsgesetzes (Artikel 6) sowie in das Universitätsstatut (Artikel 5). Von nun an sind sie fester und verpflichtender Bestandteil der rechtlichen Grundlage der Universität Basel. Im Staatsvertrag von 2007, in dem die Kantone Basel-Stadt und Basel-Land ihre gemeinsame Trägerschaft regeln, sind die Gleichberechtigung der Geschlechter, Massnahmen zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter sowie die Unterstützung der Vereinbarkeit von Studium, Beruf und Familie in Artikel 18 festgehalten.
Zur Umsetzung des Gleichstellungsauftrags ist 1998 das Ressort Chancengleichheit eingerichtet worden. Es erarbeitet konzeptionelle und organisatorische Beiträge und setzt entsprechende Massnahmen um. Aufgrund der Einsicht, dass sich die Verwirklichung von Chancengleichheit nicht an eine einzelne Amtsstelle delegieren lässt, sondern eine breite Querschnittsaufgabe darstellt, wurde das Ressort direkt dem Rektor unterstellt. Die operative Verantwortung liegt letztlich bei zahlreichen Personen und Gremien aller Stufen, die auf dem Weg zu mehr Chancengleichheit vom Ressort unterstützt werden.
Universitätspolitik, Mentoring und Balance
Schwerpunktmässig betätigt sich das Ressort in den Bereichen Hochschulpolitik, Laufbahnförderung sowie Vereinbarkeit von Studium bzw. Beruf und Familienarbeit. Das im Jahr 2000 gestartete, nationale «Bundesprogramm Chancengleichheit» zur Förderung der Chancengleichheit von Frau und Mann im universitären Bereich steht momentan in seiner dritten Laufphase. Bis 2011 soll der Anteil an Professorinnen auf 25% erhöht und die Untervertretung von Frauen in universitären Entscheidungsgremien weiter verringert werden. Das Bundesprogramm sieht auch ein Projekt vor, dass sich der Problematik der «Work-Life-Balance» annimmt und die Situation von «Dual Career Couples» einbezieht. Das Ressort begleitet das Bundesprogramm an der Universität Basel.
Ein besonderes Augenmerk des Ressorts liegt auf der Verbesserung der Rahmenbedinungen für Frauen im Nachwuchs. Durch Mentoring-Angebote für unterschiedliche Zielgruppen werden seit dem Jahr 2000 Nachwuchswissenschaftlerinnen auf allen Qualifikationsstufen unterstützt (step!, Diss+, WIN, Frame Plus, Mentoring Deutschschweiz). Zudem können sie sich in punktuellen Fortbildungskursen gezielt Schlüsselqualifikationen erwerben und sich mit laufbahnstrategischen Fragen auseinanderzusetzen. Mentoring-Programme als gleichstellungspolitische Massnahmen sollen sich letztlich nicht nur positiv auf die individuelle Laufbahn einzelner Frauen auswirken, sondern auch zu strukturellen Veränderungen in den Geschlechterverhältnissen des Wissenschaftssystems führen.