Die Deposition - ein Initiationsritual
Um in Basel Student zu werden und das akademische Bürgerrecht zu erlangen, musste neben der Immatrikulation in Gestalt der sogenannten Deposition auch ein klassisches Initiationsritual durchlaufen werden.
Der an den mitteleuropäischen Universitäten, vor allem im Gebiet des alten Reiches seit dem Spätmittelalter übliche Brauch diente dazu, die künftigen Studierenden mit Nachdruck auf die Normen der Korporation einzuschwören. Ursprünglich aus einer reinen Gebühr für die Bursen, dem sogenannten „Beanium“, entstanden, entwickelte sich im 16. und 17. Jahrhundert ein komplexes symbolisches Verfahren.
Die «depositio cornuum»
Im Zentrum dieses Rituals stand das Abschlagen zuvor aufgesetzter künstlicher Hörner, die «depositio cornuum», von der das Ritual seinen Namen hat und die heute noch sprichwörtlich im ‹sich die Hörner abstoßen› auftaucht. In Basel vollzog man die Prozedur wahrscheinlich im Hof des oberen Kollegiums unter Anwesenheit des Dekans und weiterer Mitglieder der philosophischen Fakultät sowie Pedell und Depositor, den der Senior des Alumneums stellte. Während des Rituals hatten die angehenden Studenten bestimmte Kleidungsstücke, wie etwa Ochsenhäute und allerlei symbolische Accessoires zu tragen, neben den obligatorischen Hörnern etwa überdimensionierte Zähne.
Diese Gegenstände wurden dann vom Depositor in grober Manier, die bis hin zu physischer Gewaltanwendung reichen konnte mit Hilfe übergroßer hölzerner Sägen, Beile, Hobel und Bohrer entfernt. Diese rituelle Devestitur wurde von einer Rede des Dekans begleitet, welche den Kandidaten den Sinn des Rituals und seiner Symbole erläutern sollte. Die Studenten wurden zu Gehorsam, Fleiß und tugendhaftem Lebenswandel ermahnt. Das Abschlagen der Hörner wurde als symbolisches Ablegen schlechter Sitten und schlechten Lebenswandel gedeutet.
Erst anschließend erfolgte durch den Dekan die Einschreibung in die Matrikel der philosophischen Fakultät und die Vereidigung. Das ganze Verfahren kostete den Studenten ein Pfund, bei einer Deposition in privatim unter Ausschluss von Zuschauern erhöhten sich die Gebühren entsprechend. Schon früh regte sich nicht zuletzt aufgrund der Kosten immer auch Widerstand gegen das Ritual, aber erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts ging man an den Universitäten des alten Reiches flächendeckend dazu über, den Brauch abzuschaffen und wieder auf die Gebühr zu reduzieren.
In Basel schaffte man die Deposition sogar erst 1798 endgültig ab. Die Gründe für das Überdauern waren dabei offensichtlich primär ökonomischer Natur, verlor die philosophische Fakultät doch damit die anfallenden Gebühren.
Der soziale Sinn der Deposition, als dem wohl spektakulärsten akademischen Ritual lag auf mehreren Ebenen: Zunächst einmal ging es um die Markierung einer sozialen Distinktion, das Ritual schied die, die von ihm betroffen waren, von denen die nicht von ihm betroffen waren, während gleichzeitig in der Durchführung je nach Gebühr soziale Abstufungen vorgenommen werden konnten. Für die Fakultät und ihre Mitglieder bedeutete die Deposition eine wichtige Einnahmequelle innerhalb des sozio-ökonomischen Berechtigungssystems der Universität. Und für die gesamte Korporation fungierte das Ritual schließlich als integrativer Initiationsvorgang, der der Subjektivierung ihrer künftigen Mitglieder diente. Gerade angesichts der enormen Privilegien etwa im Bereich der Rechtssprechung war das Ritual ein zentraler Mechanismus, die Studenten auf das akademische Normensystem buchstäblich einzuschwören.