Volkshochschule und Universität
Im Oktober 1919 öffnete sich die Universität Basel dem breiten interessierten Publikum. Der Idee der ‚University Extension' folgend, die sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts in England entwickelt hatte, sollten die Erkenntnisse der Wissenschaft popularisiert und breiten, auch weniger privilegierten Bevölkerungskreisen zugänglich gemacht werden. Die Volkshochschulkurse der Universität Basel übernahmen in den darauf folgenden neunzig Jahren diese Aufgabe.
Die Gründer der Volkshochschulkurse der Universität Basel, der Altphilologe Johannes Stroux und der Botaniker Gustav Senn, lehrten als Professoren an der Universität Basel. Organisatorisch waren die Volkshochschulkurse der Universität angegliedert. Das Sekretariat für die Anmeldungen befand sich im Kollegiengebäude am Petersplatz, und die Kurse, hauptsächlich Vorträge, fanden in den Uni-Hörsälen statt. Die «Kommission für die Volkshochschulkurse», zuständig für die Kursprogramme, bestand hauptsächlich aus Universitätsprofessoren, und jede Fakultät war darin vertreten. Ausserdem waren ein Erziehungsratsmitglied und ein Vertreter der Kuratel sowie zwei bis drei Vertreter der Hörerschaft beteiligt.
Emanzipation von der Universität. Die Volkshochschule in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Der Biologieprofessor Adolf Portmann, Präsident der «Kommission für die Volkshochschulkurse» von 1938 bis 1966, prägte mit seinem reformerischen Denken die Entwicklung der Volkshochschule nachhaltig. Er machte sich stark für die Einführung praxisorientierter Ausbildungslehrgänge mit Abschlusszeugnissen und plädierte für mehr Selbstständigkeit gegenüber der Universität. Mit der Schaffung einer Leiterstelle 1966 wurde der Weg zur organisatorischen Unabhängigkeit beschritten. Die Kommission wählte den promovierten Historiker Werner Humm zum ersten Leiter der Basler Volkshochschulkurse, der der Kommission ex officio ebenfalls angehörte. Gleichzeitig wurde das Sekretariat vom Kollegiengebäude ins Haus zum Sternen an der Münzgasse umgesiedelt. Auch Portmanns Anliegen, berufsbezogene Ausbildungslehrgänge einzuführen, wurde während seiner Amtszeit teilweise umgesetzt.
Die grosse Ausbauphase der Volkshochschulkurse mit der Einführung der Zertifikatskurse für Fremdsprachen fand unter Humms Nachfolger statt, dem promovierten Juristen Walo F. Eppenberger, Leiter von 1979 bis 1990. Während seiner Amtszeit nahm im Wintersemester 1979/80 auch die Senioren-Universität ihren Betrieb auf. 1980 entstand das «Zentrum für Erwachsenenbildung der Universität Basel» (ZEB), das die Volkshochschulkurse, die Senioren-Universität und das Universitätsforum umfasste.
Kantonale Kooperation. «Die Volkshochschule beider Basel»
Zu diesem Zeitpunkt begann neben Basel-Stadt auch der Kanton Basel-Landschaft die Arbeit der Volkshochschule mitzutragen, zumal fast die Hälfte der Kursteilnehmenden aus Baselland stammte. Ausserdem hatte der Kanton Basel-Landschaft daran Interesse, die Universität aufs Land zu bringen. Im Wintersemester 1980/81 fanden die ersten Kurse in Liestal statt. Aus der interkantonalen Zusammenarbeit resultierte auch die Umbenennung der Volkshochschulkurse in «Volkshochschule beider Basel». 1986 beschlossen die Regierungsräte beider Basel, für das ZEB, dem bisher eine gesetzliche Grundlage gefehlt hatte, eine Stiftung einzurichten. Mit der offiziellen Gründung der Stiftung 1987 wurde das ZEB juristisch aus der Universitätsverwaltung herausgelöst. Die beiden Basler Halbkantone unterstützten von nun an die Erwachsenenbildungsarbeit, die die Volkshochschule in der Region Basel leistete, auf privatrechtlicher Basis. Doch im Stiftungsrat blieb die Universität stark vertreten: Jede Fakultät stellte weiterhin einen Vertreter, so dass die traditionelle enge Zusammenarbeit zwischen dem ZEB und der Universität gewährleistet blieb.
Klaus Burri wurde 1990 neuer Leiter des ZEB und blieb bis 2001 im Amt. Er und sein Stellvertreter, Peter Luder, bauten die Volkshochschule im Verlauf der 1990er Jahre nicht nur in der Stadt Basel, sonder auch im Baselbiet weiter aus. 1992 eröffnete man eine Geschäftsstelle in Liestal und acht Jahre später wurde die Volkshochschule Laufen-Thierstein dem ZEB angegliedert. Durch den Kantonwechsel des Laufentals vom Kanton Bern zum Kanton Basel-Landschaft 1994 war diese aus dem Verband der Jurassischen Volkshochschulen herausgelöst worden. Burri und Luder, Verfechter einer staatlich getragenen Erwachsenenbildung, verfolgten das Ziel, möglichst viele Bedürfnisse der potentiellen Kursteilnehmenden abzudecken. Rein marktwirtschaftliche Überlegungen sollten die Planung und Durchführung von Kursen nicht zu sehr beeinträchtigen. Das Angebot wurde dementsprechend vielfältiger, und man entfernte sich zusehends von der traditionellen Popularisierung wissenschaftlichen Wissens. Parallel zur Erweiterung des Angebotes wurde das Personal, sowohl in der Administration als auch in der Planung und Organisation der Kurse, ausgebaut. Gleichzeitig verzeichnete man aber einen Rückwärtstrend in der Zahl der Anmeldungen. Das führte zwangsläufig zu grossen finanziellen Engpässen, die Burris Nachfolgerin, die promovierte Biologin Iddamaria Germann, bewältigen musste.
Die Stiftung «Volkshochschule und Senioren-Universität beider Basel»
2001 schlossen die beiden Basler Halbkantone als Vertragspartner und Auftraggeber eine Leistungsvereinbarung mit dem ZEB ab. Die Defizitgarantie, auf die sich die Geschäftsleitung bisher hatte abstützten können, fiel damit weg. Nach dem Rücktritt Germanns entschlossen sich die Träger der Stiftung zu einer umfassenden Reform. Marie-Thérèse Kuhn, damalige vorsitzende Geschäftsleiterin des Basler Amts für Wirtschaft und Arbeit, begleitete die Überführung des ZEB in die Stiftung ‚Volkshochschule und Senioren-Universität beider Basel' als neue Präsidentin des Stiftungsrats. Nach einer kurzen Interimsphase wurde der Historiker Thomas Bein zum Geschäftsführer der restrukturierten Stiftung im Dezember 2002 gewählt. Ein halbes Jahr später zog die Volkshochschule beider Basel von der Freien Strasse, wo sie sich seit 1980 befand, an die universitätsnahe Kornhausgasse. Mit dem Beginn der betriebswirtschaftlichen Ära der Volkshochschule wurden die Geschäftsstellen in Liestal und Laufen geschlossen. Auch weniger erfolgreiche, berufsqualifizierende Angebote wurden aus dem Programm gestrichen oder ausgelagert. Die gut besuchten universitätsnahen Kurse baute man hingegen aus, obwohl im mittlerweile stark reduzierten Stiftungsrat nicht mehr alle Fakultäten vertreten waren. Man wollte sich dennoch bewusst der Universität inhaltlich wieder annähern, um sich damit klar von den übrigen Anbietern von Erwachsenenbildung in der Region abzugrenzen. Seit 2010 ist Hans Ulrich Schudel Präsident des Stiftungsrates.
Die Rolle der Universität Basel
Die Universität Basel spielte in der Geschichte der Basler Volkshochschule eine ausserordentlich grosse Rolle. Nicht nur die Gründer und die Mehrheit der Mitglieder der «Kommission für die Volkshochschulkurse» und später des Stiftungsrates waren Universitätsprofessoren. Auch die Dozierenden der Volkshochschulkurse gehörten zum grössten Teil dem Lehrkörper der Universität Basel an. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse und ihre Forschungsinteressen dienten ihnen inhaltlich als Grundlage für die Kurse, die sie im Auftrag der Volkshochschule leiteten. Erst im Laufe der 1980er Jahre durch den Ausbau des Angebots in den Fremdsprachen und noch mehr während der 1990er Jahre durch die Aufnahme neuer Kurse in universitätsfernen Fachbereichen (etwa Selbsterfahrung, Körperbewusstsein, Bürotechnik, Freizeitangebote) stieg die Zahl der Nichtakademiker unter den Kursleitenden beträchtlich an. Die grössere Vielfalt des Programms ab den 1980er Jahren ist dennoch als Erweiterung und Ergänzung zum traditionellen Angebot anzusehen. Denn die Basler Volkshochschule hatte sich im Laufe ihrer 90-jährigen Geschichte stets primär am Fächerkanon der hiesigen Universität orientiert. Die Vertreter der Fakultäten in der Kommission und später im Stiftungsrat sorgten für eine ausgeglichene Vertretung ihrer Fächer und Forschungsschwerpunkte im Programm der Volkshochschule. Heute noch behaupten Kursteilnehmende, es sei schön, auch ohne Maturität an die Universität gehen zu dürfen.
Seit der Gründung der Institution wurden die Kurse hauptsächlich von der Mittelschicht besucht, Frauen waren dabei stets in der Überzahl. Die meisten Kursteilnehmenden verfügten über eine abgeschlossene Berufsausbildung, manche gar über einen Hochschulabschluss. Die Universität hatte sich über die Volkshochschule als deren Sprachrohr zwar dem breiten Volk geöffnet, sie erreichte jedoch vor allem jene, die bereits gut gebildet waren. Das Alter der Kursteilnehmenden lag über alle Jahrzehnte hinweg im Vergleich zu den übrigen Schweizerischen Volkshochschulen überdurchschnittlich hoch. Die drei Hauptmerkmale des Publikums der Basler Volkshochschule, Frauen, gute Bildung und fortgeschrittenes Alter spitzten sich ab den 1970er Jahren weiter zu.