Verein Studentische Wohnvermittlung (WoVe): Von der studentischen Selbsthilfeorganisation zur professionellen Liegenschaftsverwaltung
Die 1970 gegründete WoVe hatte es sich zum Ziel gesetzt, billigen Wohnraum zu beschaffen, den sie an Studierende weitervermieten konnte. Sie setzte sich für die Wohnform Studenten-WG ein, die den 70er-Jahren noch eine Neuheit darstellte. Bis heute vermietet und vermittelt die WoVe Zimmer und Wohnungen an in Ausbildung stehende Personen. Insbesondere für Austauschstudierende ist sie zu einem unentbehrlichen Dienstleistungsangebot geworden.
Gegen die «studentische Wohnungsnot» und für das Wohnmodell Studenten-WG
Der Verein Studentische Wohnvermittlung, die sogenannte WoVe, wurde 1970 als Selbsthilfeorganisation von Studierenden gegründet, die bei der Suche nach Wohnraum erfolglos geblieben waren. Der Verein wollte auf die prekäre Situation von Studenten auf dem Wohnungsmarkt hinweisen und hatte es sich zum Ziel gesetzt, selbst Wohnungen und Häuser anzumieten, um diese an Studierende weiterzuvermitteln.
Die Bestrebungen der WoVe standen ganz im Zeichen der studentische Wohnform Wohngemeinschaft: Die WoVe wollte Studentenhäuser anmieten, in denen die Studierenden zusammenwohnen konnten, ohne unter der Aufsicht einer «Schlummermutter» oder der Eltern zu stehen. Auch sollte ihr Angebot «anders gelagert» sein als dasjenige der in den 1960er-Jahren gegründeten Stundentenheime, in denen sich die Bewohner in die bestehenden Wohnstrukturen einfügen müssten. Der Einsatz für die Lebensform der Wohngemeinschaft war Ausdruck eines politischen studentischen Engagements der späten 1960er- und der 1970er-Jahre, das sich auch in anderen Städten formierte: In Zürich war bereits 1956 die Studentische Wohngenossenschaft (WoKo) ins Leben gerufen worden, nach deren Vorbild die Basler WoVe organisiert war.
Am 1. Juli 1970 führte die WoVe eine Sleep-out-Aktion auf dem Petersplatz durch, mit der die Beteiligten auf die «Wohnungsnot» der Studenten hinweisen wollten: Der grösste Teil der Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt war für Studierende zu teuer. Hinzu kam die Tatsache, dass viele Hausbesitzer Bedenken hatten, Wohnungen an studentische Wohngemeinschaften zu vermieten. Die neue Wohnform schien vielen ‹irgendwie verdächtig›. Vermutet wurde, es handle sich bei den WG-Studenten um kommunistisch-revolutionär gesinnte junge Leute, die Drogen konsumieren, freie Liebe praktizieren und in den angemieteten Wohnungen Verunstaltungen hinterlassen würden. Zudem liess das in Basel bis 1978 geltende Konkubinatsverbot Vermieter vermutlich zögern, ihre Wohnungen an Studenten zu vermieten. Anders als bei den Schlummermüttern, bei denen zum Teil strikte Verbote von Herren- bzw. Damenbesuch auf den gemieteten Zimmern galten, lebten in den WGs unverheiratete Männer und Frauen zusammen.
Ungenügende und vorab baufällige Liegenschaften im Angebot
Für die WoVe blieb es vor diesem Hintergrund lange schwierig, genügend Wohnraum zu beschaffen. Eine kostspielige Inseratenkampagne blieb erfolglos. Dass die WoVe mit der Aufhebung der studentischen Zwangskörperschaft und nach einer langen Debatte zwischen der WoVe, dem Erziehungsdepartement und der Universität 1975 nur mehr zwei Drittel der ursprünglich vorgesehenen 2 Franken pro Student zugesprochen bekam, machte ihre finanzielle Ausgangslage zudem nicht einfacher. Im gleichen Jahr lehnte der Grosse Rat zusätzlich beantragte Unterstützungsgelder an die WoVe ab.
1972 hatte die WoVe zwar bereits 200 Zimmer und 1977 schon 300 Zimmer, verteilt auf 60 Wohnungen, im Angebot. Die Nachfrage übertraf das Angebot aber stets bei Weitem. Viele der angemieteten Liegenschaften waren zudem baufällig und sollten nach der Aufhebung des nationalen und kantonalen Abbruchverbots abgerissen werden.
Kampf um die Mietobjekte am Unteren Rheinweg und an der Florastrasse
Im Juni 1977 erhielt die WoVe die Kündigung für das «Grossobjekt» am Unteren Rheinweg und an der Florastrasse. Etwa 100 Mieter der WoVe waren von der Kündigung, die ein privater Besitzer ausgesprochen hatte, betroffen. In einer Gerichtsverhandlung wurde das Mietverhältnis zwar bis zum 30. Juni 1979 verlängert, die Mieter liessen es sich aber nicht nehmen, auch aussergerichtlich gegen den Abbruch vorzugehen. Am 5. Mai 1979 fand ein «Aktionstag» in Gestalt eines Festes am Unteren Rheinweg mit Film, Theater, Tanz, «Musig» und «Baiz» statt. Auf dem Flugblatt zum «Fescht» liessen die Initianten verlauten: «Wieder geht guterhaltener, billiger Wohnraum verloren, werden wehrlose Mieter vertrieben. Dafür sollen teure Luxuswohnungen für Reiche entstehen. Gegen solche Profitmacherei wehren wir uns!»
Mit der «Mieteraktion» vom 5. Mai war es aber nicht getan: Eine Woche später fand ein Protest-Sternmarsch zum Marktplatz statt, der sich gegen die Kündigung der studentischen Wohnräume am Kleinbasler Rheinufer richtete. Das anschliessende Sleep-out auf dem Marktplatz, an dem rund hundert Personen teilnahmen, wurde durch einen Polizeieinsatz aufgelöst. Am 1. Juli 1979 schliesslich, als die offizielle Mietdauer abgelaufen war, musste die Polizei mit einem starken Aufgebot die Räumung der Häuser am Unteren Rheinweg und an der Florastrasse erzwingen. Der WoVe gelang es nicht, für alle Mieter, die ihre Zimmer verlassen mussten, neue Unterbringungsmöglichkeiten zu organisieren.
Mit der «Wohnstiftung für Studierende» können erste eigene Liegenschaften erworben werden
Einen richtungsweisenden Erfolg konnte die WoVe 1981 verzeichnen, als es der Genossenschaft für Wohngemeinschaften WoGe, an der die WoVe beteiligt war, erstmals gelang, dank eines zinslosen Darlehens des Finanzdepartements eine eigene Liegenschaft am Petersgraben 1 zu erwerben. Ein Jahr später waren die Umbau- und Sanierungsarbeiten abgeschlossen, und die WoVe bezog hier ihr neues Büro. In den kommenden Jahren kamen weitere Liegenschaften hinzu. Es dauerte allerdings bis 1990, bis die WoVe zum ersten Mal eine Liegenschaft ankaufen konnte, die nicht sanierungsbedürftig war. Das bedeutete einen grossen Fortschritt, denn mit den sanierungsbedürftigen Unterkünften waren für die WoVe oft Probleme und finanzielle Einbussen verbunden gewesen: Die Vermieter wollten oft nichts mehr in die alten Liegenschaften investieren, während die Mieter in einigen Fällen mit Pilzbefällen zu kämpfen hatten und teure Minimalreperaturen selbst finanzieren mussten.
1986 wurden die Genossenschaft WoGe in eine Stiftung umgewandelt und gleichzeitig die Liegenschaften am Erasmusplatz erworben. Mehr und mehr war die Arbeit der WoVe und der an sie angegliederten «Wohnstiftung für Studierende» zu einer professionalisierten Dienstleistung geworden, die aus dem studentischen Leben der Universität und aus dem Basler Wohnungsmarkt nicht mehr wegzudenken war. Nach der endgültigen Fertigstellung des Projektes am Erasmusplatz und an der Feldbergstrasse erreichte die WoVe einen neuen Höchststand von 310 vermieteten Zimmern.
Angebote für die Austauschstudierenden
Mit den Mobilitätsabkommen der Universität Basel stieg seit den 90er-Jahren die Zahl der ausländischen Studierenden, die nur einen Teil ihrer Ausbildung oder ein Praktikum in Basel absolvierten. Sie erhielten die Zulassung oder die Stipendienzusage für einen Studienaufenthalt in Basel oft erst sehr kurzfristig und sahen sich nicht in der Lage, sich rechtzeitig um eine Unterkunft in Basel zu bemühen oder sich in einer WoVe-WG vorzustellen. Auch reisten die Mobilitätsstudierenden in der Regel nicht mit eigenem Mobiliar an und waren folglich auf der Suche nach möblierten Unterkünften.
Für solche Bewerber und Bewerberinnen, die von der WoVe regelmässig abgewiesen werden mussten, richtete die WoVe 1992 ein zusätzliches Angebot ein: Auf Anregung und mit finanzieller Unterstützung der GGG und der Universität Basel wurde das Projekt «Zimmerbörse» ins Leben gerufen. Über die Zimmerbörse sollten möblierte Zimmer und freie Zimmer in Haushalten privater Personen vermittelt werden, wobei die WoVe Schlummermütter und Suchende zusammenbrachte, ohne dass diese sich vorher treffen mussten. Bis heute vermittelt die Zimmerbörse Unterkünfte bei etwa zehn Schlummermüttern. Einige Studierende ziehen diese Wohnform anderen vor, weil sie den familiären Kontakt zu den Hausvermietern schätzen. Andere wiederum ziehen das Wohnen in einer WG oder einem Einzelstudio vor: Sie empfinden die Hausregeln der Schlummermütter oder deren Wunsch nach regelmässigen gemeinsamen Mahlzeiten eher als einengend.
Die WoVe zieht ins Kollegienhaus
2004 zog das Büro der WoVe ins Kollegienhaus am Petersplatz um. Dieser Schritt war auch von symbolischer Bedeutung: Die WoVe arbeitet heute als quasi professionelle Liegenschaftsverwaltung, die preisgünstige Zimmer und Wohnungen an in Ausbildung stehende Personen weitervermietet oder vermittelt. Unter den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der WoVe sind keine Studierenden mehr. Die WoVe wird heute von der Universität Basel, der FHNW und der GGG unterstützt und von Hausbesitzern und Vermietern als professionelle Geschäftspartnerin ernst genommen - anders als dies in den Gründungsjahren der Fall gewesen war. Hausbesitzer sind heute im Allgemeinen an die Wohnform studentischer Wohngemeinschaften gewöhnt, so dass es Studierenden auch ohne die Vermittlungsinstanz der WoVe auf dem freien Wohnungsmarkt gelingt, Wohnungen für WGs anzumieten.
Gerade für die ausländischen Studierenden ist die WoVe aber zu der Anlaufstelle schlechthin geworden. Auf ihre Dienstleistungen könnte die Universität heute nicht mehr verzichten. Für die WoVe waren mit der Zunahme der Austauschstudierenden allerdings auch neue Herausforderungen verbunden: Die raschen Mieterwechsel führten zu einem höheren administrativen Aufwand und zu gestiegenen Instandhaltungskosten in den Wohnungen. Hinzu kommt eine ausgiebige ‹Party-Kultur› der Erasmus-Austauschstudierenden. In den Liegenschaften, in welchen Studierende aus dem Ausland nur ein oder zwei Semester wohnen, mussten vor diesem Hintergrund oft rigorose Hausordnungen eingeführt werden.