Zwischen Institut und Fakultät

Mehr als hundert Jahre lang war die Psychologie an der Universität Basel am Rand der Fächer und Fakultäten betrieben worden. Mit Beginn des Jahres 1978 war die Zeit der blossen Lehraufträge und Extraordinariate vorbei. Auf den ersten Januar wurde an der Philosophischen Fakultät das Institut für Psychologie gegründet. Die Zahl der Professuren blieb allerdings bis zur Jahrtausendwende eher bescheiden. Ein anhaltendes Wachstum erlebte die Psychologie erst ein Vierteljahrhundert nach der Institutsgründung, als das Fach zur Fakultät wurde.

Nach vier Jahren Lehrstuhlvertretung und zwei ergebnislos verlaufenen Berufungsrunden wurde Ende 1977 Gerhard Steiner zum Ordinarius für «Allgemeine Psychologie und Entwicklungspsychologie» berufen. Daran geknüpft war das Amt des Institutsvorstehers, den fünf Assistierende und eine Administrativstelle unterstützten. Die Basler Psychologie stand damit nicht nur unter einem neuen Dach, sondern auch vor neuen Inhalten. Denn ihre Eigenständigkeit erwies sie vor allem dadurch, nicht mehr das Kind der Philosophie zu sein. Die bisher bestehende Pflicht, ein Hauptfachstudium der Psychologie mit Philosophie im ersten Nebenfach zu verbinden, wurde mit der revidierten Studienordnung vom 31. August 1978 aufgehoben.

Empirische Wende in der Basler Psychologie
Auch methodisch wurde die Abkehr von den philosophischen Ursprüngen rasch deutlich. Steiner, zuvor Fellow an der Stanford University in den USA, setzte sich für eine empirische Wende in der Basler Psychologie ein. Experimentelle und statistische Verfahren wurden zur Erhebung und Auswertung von Daten herangezogen, die als Fundament der wissenschaftlichen Forschung dienen sollten. Damit verliess die Psychologie in Basel die Bahn der klassischen Geisteswissenschaften und verlegte ihren Schwerpunkt von einem hermeneutischen Verstehen auf ein empirisches Erklären.

Zur neuen Ausrichtung des Instituts trugen auch die neben Steiner wirkenden Mitarbeiter bei. Ebenfalls auf Anfang 1978 wurde Viktor Hobi zum Extraordinarius für «Klinische Psychologie» ernannt, die er, seit 1985 als Ordinarius, bis zu seiner Emeritierung im Wintersemester 1998/99 vertrat. Im Jahr seiner Beförderung zum ordentlichen Professor erschien das Manual «Basler Befindlichkeitsskala: ein Self-Rating zur Verlaufsmessung der Befindlichkeit», das neueren empirischen Massstäben folgte. Während Steiner wie Hobi Schüler von Hans Kunz waren, kam 1979 mit dem Assistenten Walter Perrig aus Fribourg ein schon in Studienzeiten experimentell und statistisch geschulter Dozent. Perrig arbeitete in Basel intensiv an methodologischen Fragestellungen und wurde 1988 mit diesem Schwerpunkt zum ausserordentlichen Professor ernannt. Nach seiner Wegberufung nach Bern wurde sein Lehrstuhl zu einem dritten Ordinariat aufgewertet. Die auf «Allgemeine Psychologie und Methodologie» lautende Stelle trat 1997 Klaus Opwis an, der sie bis heute inne hat.

Mit steinerner Hand: Das Psychologiestudium wird neu konzipiert
Ende der 70er Jahre lag die höchste Stellenlosenquote der schweizerischen Hochschulabsolventen bei den Psychologinnen und Psychologen. Eine landesweite Untersuchung, die diesen Missstand aufdeckte, wurde im Sommer 1978 auch von den Baslern Medien breit rezipiert (siehe u.a. die Beilage der Basler Zeitung vom 15.07.1978). Entsprechend schlecht stand es zu dieser Zeit um das Ansehen der Psychologie - nicht nur im innerakademischen Kontext, sondern auch in den Augen einer breiteren Öffentlichkeit.

In seinem auf den 27. Oktober 1978 datierten Bericht «Zur Situation der Psychologie - Lagebeurteilung in Stichworten» schilderte Steiner die von ihm gezogenen Konsequenzen, wie sie sich in der neuen Studienordnung vom 31. August desselben Jahres niederschlugen. Kern der curricularen Neukonzeption war die Ausrichtung des Studiums an konkreten Berufsbildern. Je nach beabsichtigter Tätigkeit in Pädagogik, Wirtschaft, Fürsorge oder Klinik standen verbindliche erste Nebenfächer fest. Das Hauptstudium wurde regularisiert und gestrafft, zentrale Veranstaltungen für obligatorisch erklärt und eine nach vier Semestern zu absolvierende Zwischenprüfung eingerichtet. Leitendes Anliegen war es, «brauchbare Psychologen» auszubilden, die in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft Fuss fassen konnten. Durch Praktika sollten Kontakte zur ausseruniversitären Welt der Banken, Versicherungen und Industrie geknüpft werden, um auf diese Weise Perspektiven für einen späteren Arbeitsplatz zu gewinnen.

Es war dies der akademische Wind aus Stanford, den Steiner auch im Basler Institut pfeifen lassen wollte. Die damit verbundenen Hoffnungen betrafen in erster Linie die Senkung der Arbeitslosenquote, eine Verkürzung der Studiendauer und nicht zuletzt die Regulierung des studentischen Zustroms: «Vermeiden, dass derjenige Psychologie studiert, der gerade nicht weiss, was er sonst studieren soll.», klingt es dazu lapidar aus Steiners stichwortartiger Lagebeurteilung.

Der Aufstand der 78er
In den Reihen der Studentenschaft wollte man sich dem Wind aus Stanford nicht beugen. Der Widerstand gegen die Neuordnung des Curriculums war von Beginn weg gross. Als Ventil des Unmuts diente unter anderem die Studentenzeitschrift Kolibri. Im Dezember 1978 platzte auf diesen Seiten dem ehemaligen Fachgruppenpräsident Urs Aregger der Kragen: «Am 1. Januar 1979 wird das Psychologische Institut sein einjähriges Bestehen feiern können. Aber feiern? Wer würde bei diesem Jubiläum freiwillig sein Glas auf das Wohl des neuen Instituts und seinen Vorsteher, Prof. Steiner, erheben wollen? [...] Seit Prof. Steiner seinen autoritären Lehrbetrieb aufgezogen hat, der die Studierenden an das Klima von Mittelschule und Rekrutenschule erinnert, ist die Atmosphäre im Fachbereich Psychologie vergiftet.» (Kolibri Nr. 8 WS 78/79)  

Beklagt wurden im Wesentlichen zwei Punkte. Einerseits die stärkere Reglementierung der Studienstruktur, die eine freie Veranstaltungswahl nach individuellen Gesichtspunkten erschwerte, andererseits - und dies vor allem - Steiners mangelnde Offenheit für studentische Mitbestimmung. Die Fachgruppe und ihr scheidender Präsident Urs Aregger nahmen dabei in erster Linie an Steiners Studienordnung Anstoss, deren Striktheit ihnen zu diktatorisch daherkam: «Die am 31. August 1978 erlassene 'Studienordnung für das Fach Psychologie' hat den Studierenden die letzten Hoffnungen auf einen partnerschaftlichen Lehrbetrieb genommen und die Situation am Institut wahrscheinlich auf Jahre hinaus zementiert.»

«Lieber keiner als einer wie Steiner»
Die Situation am Institut stimmte nicht nur die Fachgruppe unzufrieden: «Lieber keiner als einer wie Steiner» lautete die einvernehmliche Parole vieler Widerständiger (Kolibri Nr. 8 WS 78/79). Und den Worten folgten Taten. Gleich scharenweise schritten die Studierenden zur Exmatrikulation - nicht um das Fach zu wechseln, sondern die Stadt zu tauschen. Der Auszug aus Basel führte viele ins Zürcher Exil, wo die Studienstrukturen nach wie vor den bis anhin gewohnten glichen. Zählte das Fach Psychologie in Basel um 1978 etwa 80 Studierende, so war der Bestand bis zum Wintersemester 1980/81 auf knapp die Hälfte reduziert. Erst allmählich stieg in der Folgezeit der studentische Zulauf wieder an. Nachdem die Nachfrage in den Jahren zwischen 1995 und 2000 wiederum gering ausfiel und es zu einer erneuten Abwanderung der Studierenden kam, setzte 2001 relativ kurz vor der Gründung der Fakultät ein rascher Aufschwung ein, der bis heute anhält.