Die Juristische Fakultät im 20. Jahrhundert

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde an der Juristischen Fakultät ein Seminarbetrieb eingeführt. Für das künftige Studium bedeutete diese Ergänzung zur Vorlesung, dem bis dahin einzigen Lehrformat, einen entscheidenden Wandel. Stabilität zeigte sich hingegen in der gesetzlichen Regelung des Lehrkörpers. Die ersten sechs Jahrzehnte bilden in dieser Hinsicht einen auffallenden Kontrast zur wechselvollen Entwicklung des 19. Jahrhunderts. 

Ein Juristisches Seminar zu errichten, wurde von den Basler Behörden bereits 1877 erwogen. Da damals die meisten fortgeschrittenen Studenten noch immer Basel verliessen, um an auswärtigen Universitäten Seminare zu besuchen, wurde die Idee allerdings bald wieder verworfen. Sie kam zu Beginn des 20. Jahrhunderts erneut auf und fand 1907 eine Umsetzung. Das Seminar wurde im Sommer des Jahres an der Augustinergasse 8 eröffnet und sollte in erster Linie den Zweck erfüllen, praktische Fragen in der direkten Interaktion einzuüben. Dies entsprach einem allgemeinen Anliegen und so etablierte es sich im ersten Viertel des Jahrhunderts nicht nur bei den Juristen, sondern ebenso in den meisten anderen Fächern, neben Vorlesungen partizipatorische Veranstaltungen anzubieten.

Stabilisierung des Lehrkörpers
Drei Jahre vor der Eröffnung des Seminars war das letzte Universitätgesetz von 1866 dahin abgeändert worden, dass zu den bisherigen Professuren ein Ordinariat für Schweizerisches Privatrecht hinzutrat. Das Postulat eines solchen Lehrstuhls war schon Ende des 19. Jahrhunderts laut geworden, als nach der 1891 erfolgten gesetzlichen Erweiterung der Fakultät die Professur für vaterländisches Recht verdrängt worden war. Die fünf gesetzlichen Lehrstühle, wie sie seit 1904 Bestand hatten, deckten die folgenden Bereiche ab: Römisches Recht, germanisches Recht, schweizerisches Privatrecht, öffentliches Recht und Strafrecht. 

Die Professur für germanisches Recht wurde 1933 in eine für Rechtsgeschichte und Privatrecht umgewandelt; im Übrigen blieb der Bestand von 1904 de iure bis in die jüngste Zeit erhalten. Auf nicht-gesetzlicher Ebene fand allerdings weiterhin eine Entwicklung statt. Das Universitätsgesetz von 1937 brachte eine Flexibilisierung in der Zahl der Ordinariate, indem es den Regierungsrat ermächtigte, neben den gesetzlichen Lehrstühlen weitere einzurichten, die jenen nicht untergeordnet waren. Eine institutionelle Neuerung bedeutete 1938 die Eingliederung eines Instituts für Internationales Recht und Internationale Beziehungen, das allerdings nie einen universitätsrechtlichen Institutsstatus erlangte. Im Übrigen verlief die Entwicklung des Lehrkörpers und der Institutsstrukturen bis zu den 60er Jahren ohne grössere Wendungen. 

Ausbau seit den 60er Jahren
Die 1937 getroffene Regelung ermöglichte es, dass zwischen den 1960er Jahren und der 1995 erfolgten rechtlichen Neuorganisation der Universität die Professuren eine Verdoppelung von fünf auf zehn erfuhren. Hinzu kam die Verleihung von persönlichen Ordinariaten, deren Einrichtung ebenfalls bereits 1937 vorgesehen wurde, sowie die Vergabe von Ehrendozenturen und Extraordinariaten. Die Vergrösserung des Lehrkörpers wurde durch eine rasche Zunahme an Studierenden erforderlich. Anfang der 60er Jahre waren rund 200 Studierende an der Fakultät immatrikuliert, ein Fünftel davon Frauen. Dass angesichts des folgenden Wachstums und der zunehmenden disziplinären Spezialisierung Professuren eine Mangelware darstellten, lässt sich mitunter daran ablesen, dass zuweilen Ehrendozenten ohne Habilitation ein Ordinariat erhielten und Lektoren ohne eigentliche venia docendi für die Lehre verpflichtet wurden. Mitte der 60er Jahre wurden zudem Assistentenstellen eingerichtet, um den Professoren in Lehre und Administration Unterstützung zu bieten. 

Ein wichtiger Schritt für die personell komplexer gewordene Fakultät markierte 1983 der Umzug des Instituts an die Maiengasse 51/53. Dies stellte zunächst eine Notlösung dar, nachdem sich die Pläne für ein gemeinsames Haus mit den Ökonomen auf dem Rosshof-Areal zerschlagen hatten. Doch brachte die neue Unterkunft wesentliche Vorteile gegenüber dem alten Standort am Münsterplatz 6/7, in dem allein der Institutsleiter über ein Büro verfügt hatte. Denn zum ersten Mal fanden sich nun sämtliche Angehörige der Fakultät von den Erstsemestrigen bis zu den Professoren unter einem Dach, was die Entstehung eines fakultären Lebens begünstigte.

Studienreformen
Der fakultäre Wandel erfolgte in den 60er Jahren nicht allein auf personeller Ebene, sondern auch über eine veränderte Studienstruktur. 1960 führte die Juristische Fakultät, als letzte in der Schweiz, das Lizentiat ein, welches das Doktorat als Erstabschluss ersetzte. Damit stiegen die Anforderungen an ein Doktorat und die Qualität vieler Dissertationen erheblich.

Inhaltlich kam es im Lizentiatssystem zu einer zunehmenden Marginalisierung der Rechtsgeschichte. Insbesondere das ihr zugehörige römische Recht, das im 19. Jahrhundert den Mittelpunkt der Jurisprudenz gebildet hatte, verlor empfindlich an Bedeutung. Zwar behielt die Rechtsgeschichte anders als das 1991 abgeschaffte Lateinobligatorium stets einen Platz, allerdings in immer komprimierterer Form. 

Die Rechtsgeschichte wurde auch von der zweiten grossen Studienreform getroffen. Als 2004/2005 das Bolognasystem eingeführt wurde, erhielten sämtliche Pflichtfächer einen Anteil im Bachelorstudium, was ohne Abstriche nicht möglich war.