Von Hippokrates zu Paracelsus - die Anfänge der medizinischen Fakultät

Die medizinische Fakultät existiert seit der Gründung der Basler Universität. Den Medizinern stand zunächst nur ein einziger Ordinarius zur Verfügung. Im 16. Jahrhundert hielt mit Professoren wie Paracelsus und Andreas Vesalius ein folgenreicher Neuerungsschub Einzug, der die theoretische Betrachtung an praktische Erfahrung anzubinden suchte.

Die Basler Medizin war in der Gründungszeit der Universität stark von der mittelalterlich-scholastischen Tradition geprägt. Wie an anderen europäischen Universitäten bestand auch in Basel die Beschäftigung mit der Medizin primär im philologischen Studium kanonischer Texte. Man las die klassischen Schriften des Galen und Hippokrates im Original, während die Chirurgie den Wundärzten, Steinschneidern und Starstechern überlassen wurde, weil sie als standesunwürdig galt. 

Die Forderung, das Studium auch ausserhalb der Bibliothek zu absolvieren, erhob vor allem Philippus Theophrastus Aureolus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus. Mit seiner 1527 erfolgten Ernennung zum Stadtarzt erhielt er die Berechtigung, auch an der Universität zu lehren. Dies geschah allerdings ohne Billigung der Fakultät, die ihre hergebrachte Arbeitsweise durch die Ansichten des Paracelsus bedroht sah. Paracelsus gab sich wenig Mühe, seine Verachtung für die gelehrten Doktoren der Fakultät zu verbergen und wurde deshalb schon ein Jahr später aus Amt und Stadt vertrieben. Was blieb, war die Überzeugung, dass das Studium der Medizin auch anderes als kritische Textlektüre umfassen sollte und zugleich mehr sein musste als angewandte Naturwissenschaft. 

Einige Jahre später erschien ein anderer Gelehrter, der dieses Bewusstsein wach hielt: 1543 erreichte Andreas Vesalius die Stadt, um sein grundlegendes Anatomiewerk «De humani corporis fabrica» (Über den Bau des menschlichen Körpers) bei Johannes Oporin in den Druck zu geben. Während dieses Aufenthaltes hielt er seine berühmte mehrtägige Vorlesung zur Anatomie mit direkter Demonstration an der menschlichen Leiche. Auch er blieb zwar nicht lange, hinterliess aber wie zuvor schon Paracelsus einen bleibenden Eindruck, der sicher mit dazu beitrug, dass sich die Basler Medizin im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts zu einer ersten Blüte entfalten konnte. Felix Platter setzte die Tradition der öffentlichen Sektionen fort und im «Unteren Kollegium» wurde ein anatomisches Theater eingerichtet. 

Jährlich schrieben sich nun an die 30 Studenten ein und bald wurde neben dem theoretischen Lehrstuhl auch ein praktisch ausgerichtetes Ordinariat für Anatomie und Botanik geschaffen. Diese Verbindung von Theorie und Praxis blieb für das Leben der Fakultät auch während der nächsten Jahrhunderte bestimmend. 

Reorganisation der Fakultät durch das Universitätsgesetz von 1818
Wie in anderen Fakultäten auch, verzeichnete die Medizinische Fakultät zu Beginn des 19. Jahrhunderts einen deutlichen Rückgang der Immatrikulationen. 1818, im Jahr des neuen Universitätsgesetzes, soll nur noch ein Student an der Medizinischen Fakultät eingeschrieben gewesen sein. Die zunehmende Ausdifferenzierung des Fachs zeigt sich in den neu geschaffenen Lehrstühlen. 1835, im Rahmen der erneuten Überarbeitung des Universitätsgesetzes in Folge der Kantonstrennung wurden vier Professuren geschaffen: Anatomie, Physiologie und Pathologie, Chirurge und schließlich Botanik. Das Gehalt der Professoren an der Medizinischen Fakultät war zunächst vergleichsweise gering: Die Professoren der juristischen Fakultät erhielten 1600 Franken, die der Medizinischen «nur» 800. 40 Jahre später hatte sich dieser Betrag jedoch bereits auf 3000-4000 Franken erhöht. Während diese Fächer zunächst noch in unterschiedlicher Konstellation miteinander verknüpft waren, emanzipierten sie sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrunderts zusehends und wurden ergänzt durch weitere neue Lehrstühle (Medizinische Klinik 1855, Physiologie 1873, Psychiatrie 1875, Geburtshilfe und Gynäkologie 1887 und Hygiene 1892). 

In die gleiche Zeit fallen die Gründungen der wichtigen Kliniken. Den Anfang machte die Augenklinik 1867, gefolgt von der Kinderklinik 1868, schließlich die Polikinik im Spital, die Psychiatrische Klinik 1875 und 1879 die zunächst privat geführt Ohrenklinik. 

An der Wende zum 20. Jahrhundert manifestierte sich das Wachstum der Medizinischen Fakultät auch räumlich. Nach und nach verließen die medizinischen Abteilungen das «Untere Kollegium». Zu den ersten Fächern, die den Münsterhügel in Richtung Petersplatz verließen, gehörte die Pathologie (1880) und die Anatomie (1885), deren Anwesenheit vielfach zu Klagen wegen «übler Gerüche» geführt hatte. Die Anatomie zog gemeinsam mit der Physiologie ins Vesalianum, dessen Name an die lange Tradition dieser Fachbereiche in Basel erinnern sollte. Wie unerwartet stark das Platzbedürfnis aufgrund steigender Studierendenzahlen und komplexer werdenen praktischen Erfordernissen in dieser Zeit wuchs, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass das Anatomische Institut schon knapp 45 Jahre später (1921) einen eigenen Neubau im St. Johann bezog, der den erneut gestiegenen Ansprüchen gerecht werden konnte. Im Erdgeschoss verfügte es über einen Studiensaal mit anatomischen Präparaten und einen Leichensaal. Der Seziersaal und ein Hörsaal mit 180 Sitzplätzen waren im ersten Stock, die Sammlungen im zweiten Stock. Wieder 40 Jahre später begannen Planungen für eine erneute Erweiterung, die jedoch erst in den 1990er Jahren realisiert wurden. 

Neben dem zunehmenden Platzbedürfnisse begann auch eine weitere wichtige Entwicklung des 20. Jahrhunderts zu dieser Zeit: Kooperationen zwischen Professuren, etwa der Physiologie oder der Pharmakologie und der pharmazeutischen Industrie für die Forschung, für klinische und tierexperimentelle Tests, für die Übernahme von Absolventen und weitere personelle Verbindungen (Forschungschefs und Laborleiter der Industrie wirkten als Privatdozenten oder Extraordinarien der Universität). Auch hier wurde die Kooperation zwischen Industrie und Staat bei Bau und Einrichtung von Institutsbauten und bei der Finanzierung von Lohnzulagen für Professoren und Assistenten im 20. Jahrhundert zum Normalfall.