Der Weg in die Schweiz: «Zulassungsvoraussetzungen» und «Auswahlkriterien»
Im ehemaligen Ungarn und Siebenbürgen konnten die protestantischen Studenten nur dann im Ausland studieren, wenn es ihnen vom König erlaubt wurde. Dazu mussten sie beweisen, dass ihnen der zu der Reise und dem Studium nötige Geldbetrag zur Verfügung stand. Im Allgemeinen erhielten sie den Reisepass für ein Jahr, er konnte aber um ein weiteres Jahr verlängert werden.
Die Beschaffung der Ausreiseerlaubnis war eine ziemlich komplizierte Prozedur. Zuerst musste von den Vorstehern des Komitats eine Bescheinigung über den gesellschaftlichen Stand der betreffenden Person (Leibeigener, Freier oder Bürger), den Ort des vorherigen Studiums, die Religionszugehörigkeit und die künftigen Studienpläne besorgt werden. Danach wurde ein Antrag beim Statthalterrat – in Siebenbürgen bei der Kanzlei – eingereicht, worauf der König in Form einer Verordnung antwortete, ob er die Ausreise genehmigte oder nicht.
Die Passanträge zwischen 1743 und 1779 zeugen davon, dass die als Ziel angegebenen Universitäten nicht in allen Fällen mit den tatsächlich besuchten Einrichtungen identisch waren. In Basel wollten 150 Studenten studieren, obwohl sich in diesem Zeitraum tatsächlich nur 133 Studenten aus Ungarn an dieser Universität einschreiben liessen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Anträge der übrigen Studenten abgewiesen wurden, sondern dass sie für ihr Studium andere europäische Städte gewählt haben.
Der Staat schien nicht so streng zu kontrollieren, in welchem Institut sich ein Student einschreiben liess, vielmehr wurde darauf geachtet, welche Bücher und welche Ideen mitgebracht wurden und ob die bewilligte Zeit in einem befreundeten oder einem feindlichen Land verbracht wurde. György Kalmár beispielsweise musste nicht deshalb Fragen beantworten, weil er statt in Basel in Zürich die Universität besuchte, sondern weil er zu viel Zeit im Ausland verbrachte, und mit vielen verdächtigen Büchern heimkehrte. János Tóth Bicskei wurde dafür zur Verantwortung gezogen, dass er das verbotene Werk des Baslers Samuel Werenfels mitgebracht hat.
Während des 18. Jahrhunderts existierten in der Schweiz eine Universität (Basel) und vier Hohe Schulen (Bern, Genf, Lausanne, Zürich). Tabelle 1 enthält die Immatrikulationen der ungarischen Studenten, die von 1700 bis 1798 in der Schweiz lernten. Danach finden wir für längere Zeit keine Studenten aus Ungarn mehr an helvetischen Universitäten. Ein Student besuchte oft mehrere Universitäten, deshalb ist die tatsächliche Zahl der Personen geringer als die Zahl der Immatrikulationen.
Die Universität Basel war unter Ungarländern im 18. Jahrhundert bis zu den napoleonischen Kriegen sehr populär.
Hier erreichte der Anteil der ungarischen Studenten im Vergleich zur Gesamtstudentenzahl in gewissen Studienjahren 30 %. So trugen sich im Studienjahr 1760/61 31 Studenten ein, davon bekannten sich 10 als hungarus oder transylvanus. Dieser Anteil bestand nicht dauerhaft. Im Durchschnitt besuchte pro Semester jeweils ein ungarischer Student die Universität Basel. Zwischen 1700 und 1798 studierten 206 ungarländische Studenten an der Universität Basel.
Tabelle 2 zeigt, was die Ungarländer in Basel studierten: 3,5 % studierten Jura, 2 % Philosophie, 3,5 % Medizin und 91 % Theologie. Das überrascht nicht, wenn wir bedenken, dass die Reformierten wegen der fehlenden inländischen Hochschulen und Universitäten gezwungen waren, im Ausland Theologie zu studieren. Die meisten der in Basel eingetragenen ungarischen Studenten waren Calvinisten.
Von 80 % der Studenten ist bekannt, wo sie die Mittelschule absolviert haben (Tabelle 3). In der Regel wurden sie zehn Jahre nach Beginn der Mittelschule an schweizerischen Universitäten zugelassen. 56 % der ungarländischen Studenten kamen aus Debrecen. Das bedeutet, dass von den bedeutendsten ungarländischen Kollegien vor allem Debrecen mit der Universität Basel engeren Kontakt pflegte. An zweiter Stelle stehen mit 14 % die Studenten aus Sárospatak. Einen grösseren Anteil hatten noch Studenten aus Nagyenyed (Strassburg am Mieresch) mit 5 %. Darunter lagen Studenten aus Mittelschulen in Städten wie Marosvásárhely (Neumarkt) und Kolozsvár (Klausenburg).
Nachdem 1676 die sogenannten Galeerenprediger – zur Galeerenstrafe verurteilte protestantische Geistliche – nach Zürich gekommen waren, wurden in der Schweiz an allen helvetischen Universitäten und Hohen Schulen Stipendien für Ungarn gestiftet.
Die Stipendien und das Leben der ungarischen Studenten an der Universität Basel können in mehreren Handschriften verfolgt werden. In der Regel sind dies Gesuche um Stipendien und Eintragungen bezüglich Dissertationen. Über die Studienergebnisse sind ebenfalls zahlreiche zeitgenössische Quellen erhalten geblieben. Erwähnenswert sind die Dekanatszeugnisse von Johann Ludwig Frey und Jakob Christoph Beck. Es gibt weiterhin viele Gutachten von ungarischen Gönnern und Ersuchen an den Basler Antistes, so das Gutachten von Sámuel Teleki an István Márek und Ferenc Imre aus dem Jahr 1769. Überliefert sind schliesslich die Predigtensammlungen von Ferenc Vonza Biri und Dániel Ercsei aus der Zeit, die sie in der Schweiz verbrachten.
Die schweizerisch-ungarischen Kulturkontakte sind vorwiegend klerikaler Natur. Auch in Basel finden sich viele Quellen zu den Galeerenpredigern.
Von grösster Bedeutung ist das Stammbuch von Johann Heinrich Fries, in dem ausgesprochen viele Einträge von Galeerensklaven handeln. Zwischen den beiden Ländern bestanden im 18. Jahrhundert rege kirchliche Kontakte. So bat der reformierte Pfarrer Mihály Polgári den Basler Klerus um Hilfe.
Auf dem Gebiet der Wissenschaft lassen sich ebenfalls viele Spuren der Zusammenarbeit nachweisen. Ausser den gut bekannten Kontakten der Familie Bernoulli ist die Korrespondenz von György Kalmár und Johann Heinrich Lambert zu erwähnen.