Die Universität Basel und Polen
In den schweizerisch-polnischen Beziehungen spielte Basel mit seiner Universität vom Mittelalter bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts eine grosse Rolle. Die Kontaktzonen reichen von der polnischen Delegation auf dem Konzil über die Publikationen des Historikers Edgar Bonjour bis zu den heutigen akademischen Partnerschaften.
Den Anfang machte die polnische Delegation am Konzil von Basel, die auch die Konzilsuniversität kennenlernte. Umgekehrt genoss die 1364 gegründete Krakauer Universität hohes Ansehen und zog zahlreiche ausländische Studenten nach Polen: Zwischen 1450 und 1580 studierten dort mindestens 67 Schweizer Scholaren, darunter sieben aus Basel und Umgebung.
Die Universität in Basel hatte allerdings grössere Anziehungskraft auf die jungen Polen als die Alma Mater an der Weichsel auf die Eidgenossen, sie war «die erste schweizerische Hochschule, wo sich die Polen gerne und längere Zeit aufhielten». Das hohe Niveau und die überregionale Ausstrahlungskraft der Rheinstadt begründeten die Anzeihungskraft der Universität. Allein im 16. Jahrhundert kamen mindestens 200 Polen aus unterschiedlichen Gründen nach Basel.
Polen spielten in der Universitätsgeschichte mehrfach eine bedeutende Rolle. So wurde Marcin Chmielecki (1559-1632) aus Lublin sogar zweimal, 1613/14 und 1627/28, Rektor der Basler Hochschule. In dieser Zeit rekrutierten sich die polnischen Studenten aus einflussreichen polnischen Magnatenfamilien.
Anfänge im Humanismus und Buchdruck
Die polnischen Studenten vertraten verschiedene Religionen: neben dem späteren Krakauer Bischof Andrzej Zebrzydowski finden wir unter ihnen den Protektor des Arianismus, Kanzler Jerzy Niemirycz. Für den Protestantismus in der Adelsrepublik, aber insbesondere für die humanistischen Verbindungen, waren die Druckereien in Basel bedeutsam. So wurden in einer von ihnen bereits 1495/96 die Cosmographia dans manductonem in tabulas Ptholomei von Wawrzyniec Korwin aus Krakau veröffentlicht. 1555, um noch ein Beispiel zu nennen, wurde die erste Ausgabe der Polnischen Chronik von Marcin Kromer in Lateinisch herausgegeben. Die Druckerei Oporina publizierte die Arbeit eines bekannten polnischen Humanisten, Andrzej Frycz Modrzewski: De Republica emendanda. Die Universitätsbibliothek in Basel besitzt viele wertvolle Polonica, wovon ein grosser Teil im 16. Jahrhundert in Basel gedruckt wurde.
Austausch gab es auch im 18. Jahrhundert, als die Basler Georg Rudolf Faesch und Johann von Eptingen im Dienst der letzten polnischen Könige standen.
Zwischen 1870 und 1918 hatten die schweizerischen Hochschulen für die polnische Intelligenz eine grosse Bedeutung. Allerdings war die Universität in Basel damals nicht so populär wie jene in Zürich, Genf, Fribourg, Lausanne, Bern oder St. Gallen, auf die sich die ungefähr 5000 Studenten verteilten. 1904 studierten in Basel lediglich zwei Polen; Polinnen waren überhaupt nicht vertreten. Die Basler Polenkolonie war im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Vergleich zu Zürich und Genf klein, ihr gesellschaftlich-kulturelles Leben kaum attraktiv. Trotzdem studierten in Basel später bekannt gewordene polnische Wissenschaftler, Politiker und Vertreter der Kultur wie Józef Kallenbach, Stefan Ignacy Szymański, Stanisław Kostanecki, Kazimierz Bassalik und Tadeusz Mazurek. Ebenso waren vereinzelt Wissenschaftler aus Basel in Polen tätig, z. B. Georg Albert Fuchs als Direktor des akademischen Observatoriums in Wilna.
Intensivierung der Beziehungen
Im Jahrzehnt nach dem Ersten Weltkrieg, von 1919 bis 1928, stieg die Zahl der polnischen Studenten an der Basler Hochschule um nicht weniger als das Dreieinhalbfache. 1934 studierten in der Schweiz insgesamt 314 polnische Staatsbürger, über 80 % von ihnen waren Juden. Nun war eine Mehrheit der polnischen Studierende an der Universität Basel eingeschrieben, die meisten an der Medizinischen Fakultät.
Alle diese Zahlen sind mit Vorsicht zu geniessen, da die Auswertung der schweizerischen wie der polnischen Quellen bei weitem nicht abgeschlossen ist. Wie unbefriedigend die bisherige Forschung ausfällt, zeigt folgendes Beispiel: 1936 studierten in Basel 48 Personen, deren elterlicher Wohnsitz sich in Polen befand - aber nur 26 Studenten deklarierten Polnisch als ihre Muttersprache.
Während des Zweiten Weltkrieges fand die Universität Basel «reiche Gelegenheit, in Not geratenen Akademikern zu helfen. Eine Gruppe von zehn Polen war vom Krieg überrascht und von der Heimat gänzlich abgeschnitten worden, so dass sie ohne Subsistenzmittel verblieben. Man führte Sammlungen durch und veranstaltete Wohltätigkeitskonzerte » (Bonjour). Nach 1945 blieben die Kontakte zwischen Basel und Polen erhalten. Weiterhin studierten und lehrten Polen an der Universität in Basel. Als Beispiele seien der Dermatologe Stanisław Büchner und der Chemiker Piotr Büchner genannt. Letzterer gründete 1989 in Warschau die «Büchner-Stiftung », die «Hilfeleistung für die polnische Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Kunst » zum Ziel hat. Schliesslich ist auf die engen Verbindungen des Basler Lehrstuhls für Osteuropäische Geschichte zu polnischen Universitätsinstituten und Forschungseinrichtungen hinzuweisen, namentlich in Krakau, Warschau, Danzig und Lublin.
Es ist unmöglich, auf so knappem Raum alle ehemaligen Studenten und akademischen Lehrer der Basler Universität aufzuführen, die später im polnischen Kultur-, Wissenschafts-, Politik- und Wirtschaftsleben Polens oder der Schweiz eine wichtige Rolle spielten. Exemplarisch soll Tadeusz Reichstein (1897-1996) hervorgehoben werden, der ein wichtiges Bindeglied zwischen Basel und Polen darstellte. Er wurde in einer teilweise polonisierten jüdischen Familie in Włocławek (Zarenreich), geboren. Als er acht Jahre alt war, zog seine Familie in die Schweiz. Bis 1938 wohnte, studierte und arbeitete Reichstein in Zürich, danach war Basel fast sechzig Jahre lang seine Heimatstadt. Während Reichsteins Eltern in hohem Masse zum polnischen Kulturkreis gehörten, identifizierte er sich mit seinem neuen Vaterland und fühlte sich als Schweizer mit polnischen Wurzeln. Tadeusz Reichstein profitierte von den Möglichkeiten, die ihm die Schweiz für seine wissenschaftliche Entwicklung bot. 1950 erhielt er den Nobelpreis für Medizin für seine Erforschung des Nebennieren-Hormons Cortison.
Eine Verbindung zwischen Basel, seiner Universität und Polen stellt auch der Basler Historiker und Diplomat Carl Jakob Burckhardt (1891-1974) dar. Zwischen 1937 und 1939 war er der letzte Vertreter des Völkerbundes in der Freien Stadt Danzig. Er wirkte in einer Zeit, in der die Nationalsozialisten versuchten, auch Danzig in ihre Hand zu bekommen. Burkhardts Tätigkeit ist umstritten: Aus der Sicht der NS-Gegner tat er zu wenig, um etwa zur Aufklärung der Entführung und Ermordung des sozialdemokratischen Abgeordneten Hans Wiechmann im Mai 1937 beizutragen. Seine Rolle als Hoher Kommissar inszenierte der Basler in seinen Erinnerungen Meine Danziger Mission 1937-1939. Sie galten lange Zeit als erstrangige Quelle eines unparteilichen Diplomaten. Tatsächlich stand Burckhardt den deutschen Gebietsansprüchen auf Kosten Polens offen gegenüber. Nicht zufällig bekam er die Stelle in Danzig mit Hilfe Ernst von Weizsäckers, des einflussreichen Beamten im deutschen Auswärtigen Amt, der Konsul in Basel gewesen war.
Der Historiker Edgar Bonjour ist mit seiner Lebens- und Schaffensgeschichte ein weiteres Beispiel für die bisweilen engen kulturellen Beziehungen zwischen Polen und der Schweiz. Dies zeigt sein Buch Die Schweiz und Polen. Eine geschichtlicher Parallelbetrachtung, das 1940 in Zürich veröffentlicht wurde. Es bietet kein geschlossenes Bild der schweizerisch-polnischen Beziehungen in der Vergangenheit, sondern ist vor allem von symbolischer Bedeutung: Bonjours Arbeit erschien während der nationalsozialistischen Besetzung Polens. Im Vorwort schrieb der Basler Historiker: «In dem Augenblick, da Polen von einem grausamen Schicksal ereilt wird, geziemt es sich, uns daran zu erinnern, dass wir zu Polen in einem durchaus eigenen Verhältnis stehen. Dieses Verhältnis hat seine reiche und schöne Geschichte.» Auch in anderen Schriften Bonjours spielt Polen eine wichtige Rolle, so in seiner Geschichte der schweizerischen Neutralität. Das Interesse Bonjours für die polnische Sache war in der Schweiz und in Basel keine Ausnahme und hält bis heute an.
Werfen wir noch einen Blick auf andere kulturelle Beziehungen zwischen Basel und Polen. Viele Polen sind mit dem musikalischen Leben der Stadt und seiner Musikhochschule verbunden. Der Name des weltberühmten Pianisten Christian Zimmermann ist kein Einzelfall. Ein weiteres Beispiel bietet die Tätigkeit der Komponistin und Musiktheoretikerin Bettina Skrzypczak, die von 1981 bis 1987 an der Musikakademie in Basel beschäftigt war.
Der Basler Johann Bernoulli III. (1744-1807) beeinflusste durch seinen Reisebericht das Bild der gesellschaftlichen, kulturellen, politischen und Lebensverhältnisse in Polen. 1777 hatte der Wissenschaftler eine Reise in die Republik Polen unternommen. Er studiert Warschau eingehend und lernte die Stadt sehr gut kennen. Am 29. September 1778 wurde er vom polnischen König empfangen. Bernoulli meinte, dass trotz dessen Bemühungen die zivilisatorischen Fortschritte Polens gering geblieben seien. Viel Platz in seinen Erinnerungen widmete der Basler Reisende einer der faszinierendsten Städte in Mittelosteuropa – Danzig. Er wies auf die Zugehörigkeit der Stadt zur Hanse hin, machte aber auch deutlich, dass Danzigs Blüte eng mit dem polnischen Kernland verbunden war.
Zwischen 1935 und 1939 war Basel auch Sitz eines Konsulats der Republik Polen. Wesentlich bedeutsamer waren jedoch die wirtschaftlichen Kontakte, bei denen es manchmal auch Verbindungen zur Universität gab. Ein Beispiel ist die Pabianicer AG für Chemische Industrie, die Auslandsfabrik der CIBA (Gesellschaft für Chemische Industrie in Basel). 1899 in Polen gegründet, bestand sie bis 1946, als sie von kommunistischen Behörden verstaatlicht wurde. Dank dieses Unternehmens bildete sich in Pabianice und Lodz eine kleine, etwa 50 Personen zählende Schweizer Kolonie heraus. 1937 schloss sie sich zum «Schweizer Verein der Woiwodschaft Lodz» zusammen. Im selben Jahr wurde in Lodz, dem «polnischen Manchester», auf Anregung des Baselländers Hermann Thommen das Schweizer Honorarkonsulat eröffnet. Mit grosser Wahrscheinlichkeit kann man vermuten, dass zahlreiche Mitglieder der Schweizer Kolonie in Pabianice und Lodz eng mit Basel verbunden waren.
Die Geschichte der langen Verbindungen zwischen Polen und Basel ist noch nicht abgeschlossen. Basel lag nicht am Rande der schweizerisch-polnischen Beziehungen, sondern bildete in den vergangenen Jahrhunderten ein wichtiges Bindeglied zwischen der Eidgenossenschaft und Polen. Das wird auch in Zukunft so bleiben.