Polen an der Universität Basel im 16. Jahrhundert

Im 16. Jahrhundert war der Zustrom von Polen nach Basel am intensivsten: Erfasst wurden rund 200 Namen von Personen, die damals die Stadt aus unterschiedlichen Gründen besuchten, dazu kommen Begleiter junger Adeliger und Vermittler für den Buchmarkt. Nicht alle immatrikulierten sich, doch die meisten nahmen in der einen oder anderen Form am intellektuellen Leben der Universität teil.

Kontakte zwischen Polen und Basel wurden aber schon im vorausgegangenen Jahrhundert aufgenommen. Die ersten bezeugten Besuche hingen mit den Beratungen des Konzils zusammen, das hier von 1431 bis 1449 stattfand. Den zugänglichen Quellen zufolge gehörten dem Konzil 44 Personen aus Polen an. Viele Geistliche hielten sich dort aber privat auf, und begleitet wurden sie von ihren Sekretären und Bediensteten, weshalb man davon ausgehen muss, dass die oben genannte Zahl sicherlich mindestens doppelt so hoch war. 1432 wurde die Konzilsuniversität gegründet, die als eine der ersten den Lehrstuhl für Griechisch bekam. Dessen Inhaber, Demetrios von Konstantinopel, wurde 1439 mit einem Empfehlungsschreiben des Konzils zur Krakauer Akademie entsandt. Zumindest ein polnischer Student besuchte das konziliare Studium Generale: Jan Stobski aus Inowrocław (Inowrazlaw) war ein Scholar, der vor 1440 (vielleicht schon 1436) in Basel eintraf, wo er als Anhänger des Konziliarismus aktiv an den Beratungen des Konzils teilnahm. Wohl zur selben Zeit nahm er das Studium an der Konzilsuniversität auf, das er mit dem Titel eines Magisters der Freien Künste abschloss. Von den Beziehungen Stobskis zu der Konzilsuniversität zeugt auch seine Bekanntschaft mit Johann Giquelli und anderen Mitgliedern des Professorenkollegiums. 1449 wurde das Konzilsstudium beendet.

Nach der Gründung der Basler Universität im Jahre 1460 finden wir dort zunächst keine Polen. Dies lässt sich mit der damals starken Position der Krakauer Akademie und dem Renommee der italienischen Hochschulen, wo Polen gern studierten, erklären.

Erasmus von Rotterdam

Das Interesse an Basel wurde durch die Niederlassung des grossen Humanisten Erasmus von Rotterdam in dieser Stadt im Jahre 1521 erneut geweckt. Der wahrscheinlich erste polnische Gast im Basler Haus des Erasmus war der Historiker und Sekretär König Sigismunds I., Jost Ludwik Decjusz (Jost Ludwig Dietz, ca. 1485-1545), der 1522 als Botschafter aus Neapel zurückkehrte. Zwei Jahre später verbrachte der Arzt Jan Antoninus (ca. 1499 - ca. 1549) fünf Monate mit Erasmus. Antoninus kam nach Basel in Anschluss an sein Studium in Padua, das er als Doktor der Medizin abgeschlossen hatte. Ein weiterer Gast war 1525 ein Vertreter des Grossadels, Jan Łaski (1499-1560), ein Neffe des polnischen Primas. Er erwies sich als ein grosszügiger Gönner des grossen Humanisten: neben der Unterstützung für dessen Miete kaufte er die Bibliothek von Erasmus und sicherte diesem zugleich das Recht auf eine lebenslängliche Nutzung zu. Der Preis für die Bibliothek (400 Gulden in Gold) entsprach einem jährlichen Professorengehalt an einer der damaligen besseren Universitäten. Wegen Erasmus gastierten in Basel bis zu seinem Tode 1536 insgesamt 12 Polen. Davon seien als bedeutendere folgende Personen genannt: Hieronim (1496-1541) und Stanisław (gest. 1550) Łaski, die Brüder Jans, Andrzej Zebrzydowski (1496-1560), der spätere Krakauer Bischof, oder der Krakauer Humanist Anzelm Ephorinus (gest. 1566), der den Gelehrten mit dem vierzehnjährigen Jan Boner (gest. 1562), dem Sohn des Krakauer Statthalters, und dem zwölfjährigen Stanisław Aichler (1520-ca. 1585), der aus einer wohlhabenden Bürgerfamilie stammte, besuchte.

Die Adligen, die sich bei Erasmus aufhielten, immatrikulierten sich nicht unbedingt an der Universität, auch wenn ein Grossteil der Gäste an den Vorlesungen teilnahm. Der erste Pole, dessen Studium an der Basler Universität sich in den Quellen deutlicher abzeichnet, war Andrzej Zebrzydowski. Er besuchte die Rhetorikvorlesungen von Johann Sichard (1499-1552). Die medizinische Ausbildung in Basel genoss kurz im Jahre 1534 der Schwager von Antoninus, Józef Zimmermann, der den gräzisierten Namen Tectander (1507-1543) gebrauchte und Sohn eines reichen Krakauer Goldschmieds war.

Basels Anziehungskraft nach Erasmus

Nach Erasmus' Tod sollte seine Bibliothek nach Polen gebracht werden. Zu diesem Zweck kam im Auftrag Jan Łaskis 1536 Andrzej Frycz Modrzewski (ca. 1503-1572) nach Basel, der sich in Zukunft als herausragender politischer Schriftsteller und Publizist erweisen sollte. Nach seiner Abreise vergingen einige Jahre ohne direkte Kontakte von Polen zu Basel.

Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts kamen jedoch wieder mehr Polen nach Basel, um dort zu studieren. Mit Jan Mączyński begann 1545 die Hochzeit polnischer Präsenz in Basel, die bis etwa Ende des Jahrhunderts anhielt.

Nach 1600 kamen weiterhin zahlreiche Polen in die Rheinstadt, aber nur wenige wählten das Studium der Medizin, die Mehrheit dagegen die Theologie oder Philosophie.

Die polnischen Besuche wurden auch durch den seit 1618 andauernden Dreissigjährigen Krieg nicht unterbrochen, obwohl die Pausen zwischen den einzelnen Aufenthalten seit dem Ende der zwanziger Jahre immer länger wurden. Die Zahl von rund 180 Zuwanderern, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts aus dem Königreich Polen Basel aufsuchten, spiegelt das wachsende Interesse oder gar eine Mode für Bildungsreisen in dieser Zeit.

Dabei muss man sich bewusst sein, dass Basel nur eines von vielen akademischen Zentren war, die von der polnischen Jugend besucht wurden. Lediglich für einige wenige war diese Stadt das einzige und endgültige Reiseziel (etwa für Osmolski, Chmielecki und vielleicht auch für Jan Ephorinus oder Pyrnus). Die grosse Mehrheit der polnischen Studenten stellten die Söhne des wohlhabenden Adels dar. Eine bedeutende Gruppe bestand aus Sprösslingen der Magnatenfamilien. Vertreten war weiterhin das Krakauer Patriziat und ganz allgemein das Bürgertum. Den Kern der Studierenden bildeten Calvinisten, ab und zu erscheinen jedoch auch Katholiken und Orthodoxe. Trotz einer streng calvinistischen Ausrichtung der Basler Universität studierten hier auch Vertreter anderer protestantischer Konfessionen, zum Beispiel Arianer, Böhmische Brüder, Anabaptisten oder Lutheraner. Von Basel fühlten sich Andersgläubige durch den internationalen Charakter der Stadt, ihre Elemente der italienischen Kultur in reformatorischer Umgebung, in der es genug Platz für Liberalismus und Toleranz gab, angezogen.

Das Antlitz des polnischen Protestantismus wurde zu einem gewissen Grad sicherlich durch die liberalen Anschauungen Curiones und Castellios geprägt, mit denen Polen schon früher in Verbindung traten, und ebenso durch die späteren Vorlesungen im Rahmen des regulären Theologiestudiums, das unter der Leitung von Grynaeus ein hohes Niveau erreichte.