Kindstötung und Abtreibung
Kindstötung, Abtreibung sowie die Folgen illegaler Abtreibung für die Mutter waren in den 1950er Jahren wichtige Untersuchungsgegenstände des Rechtsmediziners. Die Vorlesungstafeln geben Einblick in Untersuchungspraktiken, die für die heutige Rechtsmedizin kaum noch eine Rolle spielen. Denn seit 2002 ist Abtreibung in der Schweiz in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft straffrei.
Lebensproben und Lebensdauer des Neugeborenen - Die Schwimmprobe
Die Schwimmfähigkeit gibt Auskunft darüber, ob Organe wie Lunge und Darm beatmet waren. Damit lassen sich Lebend- und Totgeburten unterscheiden, sowie Aussagen darüber treffen, wie lange ein Kind nach der Geburt gelebt hat.
Lebensfähigkeit
Reifezeichen wie Länge und Gewicht sind ebenfalls Anhaltspunkte, ob ein Kind bei der Geburt gelebt hat oder nicht. Als Reifezeichen galt auch der Durchmesser des Knochenkernes von 5mm, der durch Einschnitte in den Knorpel am Ende des Oberschenkels geprüft wurde. Zu denken gibt folgende Passage in Ponsolds Lehrbuch, die den zeitgenössischen Generalverdacht gegenüber der Kindsmutter spiegelt: "Eine Kindestötung ist aber auch an einem lebensunfähigen Neugeborenen möglich. Da die Kindesmutter selbst nicht entscheiden kann, ob das Kind lebensfähig ist oder nicht, hat sie so zu handeln, als sei es lebensfähig."
Natürlicher und Gewaltsamer Tod
Nach Ponsold war eine häufige (und gemäss Ponsolds Polemik selten zutreffende) Schutzbehauptung der Kindsmutter die plötzliche Sturzgeburt. Die Vorlesungstafel zeigt den Schädeldachbruch bei Sturzgeburt und unvermitteltem Sturz auf eine harte Oberfläche. Dieser unterscheidet sich vom wiederholten Einwirken stumpfer Gewalt mit mehreren Bruchzentren.
Mechanische Abtreibungen
In den 1950er Jahren waren Abtreibungen und auch der Versuch zur Abtreibung strafbar. Lediglich bei gesundheitlicher Gefährdung war ein Eingriff durch den Arzt möglich. Unterschieden wurden innere Abtreibungsmittel, beispielsweise Chinin oder Mutterkorn, und instrumentelle oder mechanische Eingriffe. Die Vorlesungstafel zeigt verschiedene Methoden intrauteriner Abtreibung: Ablösung des Mutterkuchens durch einen Katheder, Einspritzen von Flüssigkeiten zur Ablösung des Mutterkuchens bzw. Einstechen in den Fruchtsack mit Stricknadeln, Gänsefedern oder ähnlichem.
Gefahren
Der untere Teil der Tafel zeigt mögliche Gefahren auf: Durchstechen des Gebärmutterhalses in Unkenntnis der Lage der Gebärmutter, Durchstossen des Gebärmuttergrundes und die Verschleppung von Eiter-Erregern aus der Gebärmutter ins Blut.
Luftembolie
Verbleibt Luft in der Spritze kann diese beim Einspritzen in die Gebärmutter mit eindringen. Bei der Ablösung des Mutterkuchens gelangt sie in die Venen und von dort in die Blutbahn. Der plötzliche Tod durch Luftembolie ist die Folge.