Die Ehrenpromotion an der Universität Basel seit 1823

Am 7. Februar 1823 verlieh die Universität Basel den ersten Ehrendoktortitel ihrer Geschichte an Rudolf Hanhart, Rektor des Basler Gymnasiums und ausserordentlicher Professor der Pädagogik, für seine Verdienste um das lokale Schulwesen. Die Philosophische Fakultät griff damit ein Produkt der europaweiten Universitätsreform zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf, das sich schliesslich zum Inbegriff akademischer Auszeichnung in der Moderne entwickeln sollte. Bis 2015 haben die Fakultäten der Universität Basel über 750 Doktortitel honoris causa vergeben.

Die Philosophische Fakultät wandte mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde erstmals ihr neues Promotionsreglement aus demselben Jahr an, das ihr das Recht gab, Verdienste um die Wissenschaft und deren Verbreitung durch Lehre und Forschung mit einer unentgeltlichen Verleihung der Doktorwürde zu belohnen. Die um dieselbe Zeit entstehende Promotionsordnung der Theologischen Fakultät enthielt eine ähnlich lautende Formulierung. Zum ersten Mal überhaupt hatte die 1810 auf Betreiben Wilhelm von Humboldts gegründete Universität zu Berlin die Ehrenpromotion in die Fakultätsordnungen aufgenommen und grundsätzlich definiert. Danach ist die Ehrepromotion eine freiwillige Anerkennung der Fakultät, eine Bewerbung um ihre Verleihung ist ausgeschlossen. Sie honoriert wissenschaftliche Verdienste und ist im Gegensatz zum regulären Doktorat gebührenfrei. Das Konzept der Ehrenpromotion kam vermutlich mit dem Theologen Wilhelm Martin Leberecht de Wette (1780–1849) nach Basel. Er war seit der Gründung Professor an der Berliner Universität gewesen und wurde 1822 nach Basel berufen. Kurz zuvor hatte das neue Universitätsgesetz von 1818 die Basler Universität vollständig der staatlichen Oberhoheit unterstellt und damit eine Neuorganisation des Lehr- und Forschungsbetriebs notwendig gemacht. Nun wurde das Doktorat zum zentralen akademische Abschluss des Studiums und musste in neuen Promotionsordnungen geregelt werden.

Das Ehrendoktorat als neue Promotionsform

Die Theologische und die Philosophische Fakultät legten von Anfang fest, dass sie den Doktortitel sowohl regulär (rite) als auch honoris causa vergeben konnten. Dies führte dazu, dass in der Theologie sowie in den Geistes- und Naturwissenschaften in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts Doktoren mehrheitlich ehrenhalber promoviert wurden. In der Theologischen Fakultät spielten vor der Reform akademische Abschlüsse gegenüber der kirchlichen Ordination nur eine untergeordnete Rolle. Die Philosophische Fakultät galt ihrerseits bis zur Reform von 1818 nicht als vollwertig und war vom regulären Doktorat ausgeschlossen. Beide Fakultäten nutzten die neue Möglichkeit, ihre eigenen Professoren und solche von auswärtigen Schweizer Akademien etwa in Bern oder Zürich, die noch keinen Universitätsstatus besassen, mit dem Titel auszustatten. Bis zu den Unruhen von 1833, die zur Trennung der Landschaft von der Stadt führte, hatten die beiden Fakultäten schon die gemessen an der geringen Zahl der Studierenden erhebliche Anzahl von 13 Ehrendoktoraten vergeben Bei der Neueröffnung der Universität nach der Kantonstrennung im Jahre 1835 vergaben alle Fakultäten insgesamt neun Ehrenpromotionen an auswärtige Gelehrte, die an der Eröffnungsfeier öffentlich verkündet wurden. Damit setzte die Universität das Ehrendoktorat erstmals als Propagandamittel ein, um nach aussen deutlich zu machen, dass sie weiterhin in der Lage war, akademische Grade zu verleihen.

Feste und Jubiläen als Auslöser

Die Feierlichkeiten von 1835 wirkten als Impulsgeber. Fortan waren jedes Fest und jedes Jubiläum willkommene Gelegenheiten, um Ehrenpromotionen zu vergeben. Die Fakultäten vergaben bis zum Jahre 1910 die Hälfte der Ehrenpromotionen an feierlichen Anlässen. Die Jubiläen zur Gründung der Universität von 1860 und 1910 standen dabei im Vordergrund. Aber auch das 50-Jahr-Jubiläum der Freiwilligen Akademischen Gesellschaft, das 1885 mit der 425-Jahr-Feier der Universität zusammenfiel, oder die von der Stadt als historisches Spektakel 1901 inszenierte 500-Jahr-Feier des Beitritts Basel zur Eidgenossenschaft brachten jeweils zahlreiche Ehrendoktoren hervor. Weitere beliebte Anlässe waren Gedenkfeiern für Gelehrte zu deren Geburts- oder Todestagen. Aber auch die Einweihung neuer Universitätsgebäude wie etwa des Bernoullianums oder des Museums an der Augustinergasse inspirierten die Fakultäten zu weiteren Ehrenpromotionen. Den Höhepunkt erreichten die Jubelpromotionen im 20. Jahrhundert mit dem 500-Jahr-Jubiläum der Universität, an dem die Fakultäten nicht weniger als 29 Ehrendoktoren – alles Männer – in einer eigenen Feier promovierten.

Die Ehrenpromotion wandelt sich

Anfänglich vergaben die Theologische und die Philosophische Fakultät, die Geistes- und Naturwissenschaften umfasste, die meisten Ehrenpromotionen. Dafür war unter anderem der Umstand verantwortlich, dass bei beiden Fakultäten das Doktorat noch immer ein Ausdruck allgemeiner Bildung und Gelehrtheit im Humboldt’schen Sinn war und weniger einer beruflichen Qualifikation entsprach als bei der Medizin und den Rechtswissenschaften. Dies führte im Laufe der Zeit zu einer stetigen Erweiterung der Gründe für die Verleihung der Ehrendoktorwürde. Nicht zuletzt begannen sich die Ehrenpromotionen auf gesellschaftliche Verdienste auszudehnen. Gleichzeitig wurde die akademische Laufbahn neben dem Doktorat um eine Habilitation erweitert und damit stärker formalisiert. Diese Entwicklung führte dazu, dass  sich das Ehrendoktorat zunehmend von der rite-Promotion entfernte und schliesslich ein Doktor honoris causa unabhängig von einem bestehenden Doktorat im selben Fachbereich vergeben werden konnte, was zu Beginn undenkbar war.

Im Laufe des 20. Jahrhundert nahmen deshalb die Ehrenpromotionen von Professorinnen und Professoren aus der internationalen Universitätslandschaft bis in die Gegenwart stetig zu und erreichten schliesslich rund einen Drittel aller Ehrungen; eine Entwicklung die gleichzeitig auch die wachsende Internationalisierung der bisher stark regional geprägten Universität dokumentiert. Ehrungen für Vertreter aus dem Bereich der Wirtschaft gewannen in diesem Zeitraum ebenfalls stark an Bedeutung, wogegen Promotionen von Personen aus dem kirchlichen Bereich oder aus der Universität Basel selbst, die anfänglich dominiert hatten, zahlenmässig kaum noch ins Gewicht fielen. Ebenso ging auch die Erteilung eines Doktor honoris causa an Angehörige anderer Schweizer Universitäten zugunsten internationaler Auszeichnungen zurück.

Fakultäten und Wachstum

In den ersten knapp 100 Jahren bis zum Jubiläum von 1910 verliehen die Fakultäten insgesamt 180 Ehrenpromotionen. Die Theologische und die Philosophische Fakultät zeichneten in dieser Zeit mit 146 Doktortiteln für rund 80 % der Ehrenpromotionen verantwortlich. Bis zum Jubiläum von 1960 stieg die Zahl der Ehrendoktorate auf 390, um sich danach bis zum Jahre 2015 nochmals zu verdoppeln. Dafür ist unter anderem auch die Aufteilung der Philosophischen Fakultät in eine geisteswissenschaftliche und eine naturwissenschaftliche Fakuoltät verantwortlich. Beide vergaben ab 1937 eigenständig Ehrenpromotionen. Die Herauslösung der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät im Jahre 1997 und der Fakultät für Psychologie im Jahre 2003 aus der Philosophisch-Historischen Fakultät erhöhte die jährliche Anzahl der Ehrenpromotionen nochmals.

Die ursprünglich eine Einheit bildenden beiden Philosophischen Fakultäten (phil.hist. und phil.nat.) haben von 1823 bis 2015 mit insgesamt 350 Doktortiteln rund die Hälfte aller Ehrenpromotionen verliehen; davon wurden  ab 1937 101 Ehrendoktortitel von der damals neu gegründeten Philosophisch naturwissenschaftlichen Fakultät vergeben. In der Gesamtzahl sind zudem auch die 31 seit 1922 ehrenhalber verliehenen wirtschaftswissenschaftlichen Doktortitel mitgezählt. Die Theologische Fakultät folgt an zweiter Stelle mit 166 Ehrenpromotionen (darunter neun Lizentiate). Zahlenmässig konzentrierten sich die Ehrungen der Theologischen Fakultät insbesondere auf das 19. und die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Medizinische Fakultät bringt es auf 143 Ehrendoktorate; während sich die Juristische Fakultät mit 92 Ehrenpromotionen begnügte. Quantitativ noch nicht ins Gewicht fallen die neugegründeten Fakultäten für Wirtschaftswissenschaften und Psychologie.

Späte Ehre für Frauen

Es dauerte 113 Jahre bevor die Universität Basel die erste Frau mit der Ehrendoktorwürde auszeichnete: 1936 erhielt Helen Mary Allen den doctor honoris causa "Für die Herausgabe der Briefe des Erasmus, die sie gemeinsam mit ihrem verstorbenen Mann in 35 Jahren erarbeitet hat." Typischerweise fanden ihre Verdienste nur im Kontext der Leistung ihres Ehemannes Anerkennung. Auch in den nächsten Jahren taten sich die Fakultäten mit der Ehrung von Frauen schwer und verliehen ihnen die Ehrendoktorwürde vor allem wegen eindrücklicher sozialer und gesellschaftlicher Verdienste, nicht aufgrund besonderer wissenschaftlicher Leistungen. Bis Ende der 1970er Jahre promovierten sie lediglich dreizehn Frauen ehrenhalber (1 theologische, 1 juristische, 5 medizinische, 2 philosophisch-naturwissenschaftlich, 4 philosophisch-historische Fakultät). Seit der Zulassung von Frauen zum Studium bis 2010 erhielten 695 Männer und nur 49 Frauen (6,5%) die Ehrendoktorwürde. Im Jubiläumsjahr selbst stand sechs Männern nur eine Frau gegenüber. 2021 wurden demonstrativ alle Ehrendoktorate an Frauen vergeben, ansonsten blieben die Männer bei der Vergabe in der Mehrheit.

Integration in den Dies academicus im 20. Jahrhundert

Die Fakultäten vergaben Ehrenpromotionen mit Ausnahme von Festen ursprünglich zu beliebigen Zeitpunkten. Fand der Vorschlag eines Mitglieds der Fakultätsversammlung Zustimmung, so wurde ein lateinisches Diplom mit der Laudatio verfasst und dem Geehrten zugestellt. Eine feierliche Übergabe fand in der Regel nicht statt. Allerdings wurden die Ehrenpromotionen schon an der Eröffnungsfeier von 1835 oder anlässlich des kombinierten Festakts von 1885 in der Martinskirche öffentlich verkündet. Im 20. Jahrhundert bürgerte sich zunehmend eine Verlesung der Ehrenpromotionen am Dies academicus ein, der in seiner heutigen Form ebenfalls auf den Anfang des 19. Jahrhunderts zurückgeht. Der Jahresbericht des Rektors von 1953 hält schliesslich fest, dass erstmals allen Ehrendoktoren – es waren alles Männer – das Diplom in der Kirche persönlich überreicht wurde. Dieser Brauch besteht bis heute. Heute sind die Ehrenpromotionen fester Bestandteil der Jahresfeier. Ehrungen ausserhalb des festlichen Rahmens finden kaum mehr statt.