Die Diskussion um die Talare im 20. Jahrhundert
Die Diskussion um die Wiedereinführung der Talare wurde in den 1920er und 30er Jahren heftig und emotional geführt, nachdem die Universität Basel die Talare in der Helvetik bereits zum zweiten Mal abgeschaft hatte.
Im 15. Jahrhundert trugen Professoren je nach Fakultäten unterschiedlich farbige Talare. Die mittelalterlichen Universitäten, die ihren Ursprung in den Domschulen und Ordensstudien der Kleriker hatten, waren in den ersten Jahrhunderten ihres Bestehens stark von klerikalen Strukturen geprägt. Daher war der lange Mantel als geistliche Kleidung auch für die Dozenten das normale Überkleid. Diese «katholische» Tradition wurde in Basel in der Reformation bewusst unterbrochen. Danach trugen Professoren, wie alle Amtsträger, schwarze Roben. Diese Amtstracht wurde aber in Basel gleichzeitig mit der Kleidung der Behörden 1798/99, in der Zeit der Helvetik, abgeschafft, weil man darin eine Betonung der Distanz zwischen Bürger und Amtsträger sah, eine Distanz, die der Forderung der Gleichheit entgegenstand. Erst in den 1920er Jahren kam in der Schweiz eine Diskussion um die Einführung der Talare neu auf: die Schweizer Professoren fühlten sich insbesondere bei Anlässen im Ausland in ihrer Zivilkleidung «etwas eigentümlich».
Das Rektorat der Universität holte zur Frage der Wiedereinführung ein Rechtsgutachten ein. Es hielt auf sechs Seiten fest, dass die Universität sehr wohl berechtigt sei, ihren Angehörigen das Tragen von Talaren zu erlauben, aber dass man sie nicht dazu zwingen könnte, und schon gar nicht dazu, Talare auf eigene Kosten anzuschaffen. In den dreissiger Jahren wurde dann auf Anregung der Universität Basel eine Konferenz einberufen, an der die Rektoren der Universitäten Basel, Bern, Genf und Lausanne über die Frage diskutierten.
Ob man die Vertreter der Universität Zürich nicht eingeladen hatte, weil man bei einer so jungen Reformuniversität kein Interesse für Traditionen erwartete, oder ob es terminliche Gründe gab, ist aus den Protokollen nicht ersichtlich. Jedenfalls war die Universität Zürich nicht vertreten.
Die Rektoren von Bern und Genf, Haller und Rappard, befürchteten, dass die Idee eines Talars in ihren Universitäten nicht auf Interesse stossen würde «weil das als undemokratisch und als unzeitgemäss empfunden würde», beschlossen aber, die Diskussion auch an ihren Universitäten anzustossen. Lausanne hatte die Einführung bereits beschlossen. Für Basel war Rektor Labhart zuversichtlich.
«Invention of Tradition» 1939
Tatsächlich beschloss dann auch die Regenz der Universität die Einführung zur Einweihungsfeier des neuen Kollegienhauses 1939. Allerdings gab es nun doch Protest aus den eigenen Reihen. Da war von einer «unerwünschten Distanzierung vom Volke» die Rede, davon, dass «Gedanken an eine Fasnachtsclique» aufkommen könnten, dass die «Zeit zu ernst für solche Spässe» sei und das Geld dafür zu schade, und vor allem, dass der Talar der Tradition, «der alten Basler Schlichtheit» widerspreche.
Der Protest blieb ergebnislos. Die einzige Konzession, die man machte, war, dass alle Talare gleich sein sollten, also zwar nach Fakultäten durch die farbigen Besetze unterschieden, aber nicht nochmals nach Rangordnung: ordentliche Professoren, ausserordentliche Professoren und Privatdozenten sollten die gleichen Talare tragen. An der Eröffnungsfeier wurden die neuen Talare erstmals vorgeführt. Was bald als alte Tradition gelten sollte, war also nach gut 400 Jahren wieder neu ‹erfunden› worden.