Reformdiskussionen ohne Ende: Das 18. Jahrhundert

Wie für die meisten Universitäten war das 18. Jahrhundert und vor allem dessen zweite Hälfte auch für Basel eine Zeit der Krise. Entsprechend wurden das ganze Jahrhundert hindurch Reformdiskussionen geführt, die aber erst 1818 in eine grundlegende Reorganisation mündeten.

Vor allem für die Ausbildung in Medizin und Jurisprudenz verlor die Universität im Laufe des 18. Jahrhunderts immer mehr die Bedeutung, die sie noch Ende des 16. Jahrhunderts unbestritten gehabt hatte. Gleichzeitig entwickelten sich die Höheren Schulen in Zürich, Lausanne, Bern und insbesondere in Genf, das nicht zuletzt beim deutschen Adel beliebt war. In Zürich und Genf entstand eine eigene Gelehrtenkultur, so dass Basel mit seiner Universität keineswegs das einzige geistige Zentrum in der Schweiz bildete.

«was die Ursach solchen Verfalls...»
Diskussionen darüber, wie die Basler Universität zu reformieren sei, begleiteten das ganze 18. Jahrhundert. Schon 1724 fragte der Grosse Rat die Regenz an: «was die Ursach solchen Verfalls, und wie am besten zu helfen wäre?» und erhielt darauf eine 17 Folio umfassende Antwort, die zunächst einmal festhielt, dass Basel durchaus konkurrenzfähig sei oder wie die Zeitgenossen schrieben:  «daß ... hiesige Universitaet keiner in Teutschland etwas nachzugeben Ursach hatt, ja in vielen stuckhen nicht wenige übertreffen thut.»  Eine wesentliche Ursache für die schwierigen Verhältnisse sah die Regenz in der mangelnden Hochachtung und Unterstützung durch die Basler Obrigkeit und die städtische Elite im Allgemeinen. Durch höhere Besoldung der Professoren und höhere Ansehen der Universität könnten Auswärtige bewogen werden, zum Studium nach Basel zu kommen. So würden parallel das Ansehen der Universität wie auch das Ansehen der Stadt gewinnen. Ein wichtiges Element, um für diese ausländischen Studenten an Attraktivität zu gewinnen, sah die Regenz in der Einrichtung einer Reitschule, während sie von Reformen der Organisation des Unterrichts, des Fächerkanons und der Verpflichtungen der Professoren nichts wissen wollte. Diese Forderung der Regenz, die Universität finanzielll besser zu unterstützen, führte aber 1724 ebenso wie auch in allen folgenden Reformdiskussionen des 18. Jahrhunderts nur dazu, dass der Basler Rat die Vorschläge umgehend ad acta legte.

«wie hiesiger Universitet besser aufzuhelfen...»
Eine halbe Generation später, 1738, forderte der Rat die Regenz erneut auf, Reformvorschläge auszuarbeiten, «wie hiesiger Universitet besser aufzuhelfen, die alte Ordnung herzustellen und der Studiosorum Nutzen zu befürdern» sei.  Auf konkrete Anfragen antworteten die einzelnen Fakultäten ausweichend. Die Regenz wies insbesondere den Vorwurf zurück, das mangelnde Engagement der Dozenten sei die Ursache dafür, dass die Zahl der auswärtigen Studenten so stark zurückgegangen sei. Stattdessen erklärte sie, «ja es seye noch eine frag, ob es unserer Universitet gut seyn würde, wan allzu viel fremde hier wären, und ob nicht dardurch vielmehr allerhand unordnungen und ein wüstes wesen entstehen dörfte?» Schliesslich endeten auch diese Diskussionen ohne greifbares Ergebnis und das Verhältnis zwischen Universität und Rat blieb angespannt.

«Platonische Universitaet oder Unpartheiische Gedanken»
Zwanzig Jahre später entstand im Vorfeld der 300 Jahrfeier zum Gründungsjubiläum der Universität ein anonymes Schriftstück  «Platonische Universitaet oder Unpartheiische Gedanken wie Unsere Universitaet und wieweit dieselbe könnte wieder in Auffnahm gebracht werden». Diese Schrift setzte sich ganz grundsätzlich mit Wesen und Aufgabe der Universität auseinander. Zusammenfassend kritisierte sie vor allem die Studienbedingungen in Basel (Probleme des studentischen Wohnens, die Lebenshaltungskosten, die Kosten für Privatlektionen und deren geringe Zahl) und trat zugleich dem Schlagwort vom «faulen Professor» entgegen. Auch die Einrichtung einer Reitschule wurde erneut diskutiert. Eine Frage, die im 18. Jahrhundert von besonderer Bedeutung war, wollte man adlige Studenten gewinnen, die seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nach dem häuslichen Unterricht durch Hofmeister vor allem Ritterakademien besuchten, um sich durch Französischkenntnisse, aber auch Unterrricht in Geschichte und Geographie, Statistik und Staatswissenschaften zum Hofmann - dem Kavalier oder «honnête homme»  - zu bilden. Und gerade diese Studierenden hatte Basel immer weniger anziehen können.

«Unvorgreifliche Gedanken über die Verbesserung»
Zur gleichen Zeit veröffentlichte Isaak Iselin, der Basler Stadtschreiber und Aufklärer, eine Reformschrift unter dem Titel «Unvorgreifliche Gedanken über die Verbesserung der B...schen hohen Schule». Wissenschaften und Künste als «Seele der bürgerlichen Gesellschaft» sollten der «Verherrlichung des göttlichen Namens» ebenso wie der Beförderung der «moralischen als physicalischen Glükseligkeit der menschlichen Gesellschaft» dienen. Iselin legte das Hauptgewicht auf die Nützlichkeit der Universität für Staatswesen und Gesellschaft und wollte entsprechend ganz praktisch die 18 Professuren neu umschreiben und in allen Wissenszweigen vor allem die praktische, ethische und nationale Bildung befördern. Auf der anderen Seite setzte er sich auch für das Prinzip der freien und selbständigen Forschung ein, das er an der Universität Göttingen kennen gelernt hatte. Aber einmal mehr versandete auch dieses Reformvorhaben. Während der Jubiläumsfeierlichkeiten im Jahr 1760 unternahm die Regenz grosse Anstrengungen, «splendor» und «fama» der Hochschule auch gegen aussen zu demonstrieren. Die Feierlichkeiten wurden mit erheblichem Aufwand und Glanz durchgeführt; dennoch konnte die äusserlich harmonische Atmosphäre nicht ganz über die Spannung zwischen Universität und Obrigkeit hinwegtäuschen; so blieben Bürgermeister Samuel Merian und Dreizehnerherr Balthasar Burckhardt dem Fest fern, um nicht dem Rektor den Vortritt im Festzug zugestehen zu müssen.

Schon 1764 wurde im Grossen Rat erneut über die Reformfrage diskutiert. Und noch einmal wurden die bekannten Argumente und Überlegungen vorgebracht, die geringen Einkommen der Professoren beklagt und die Nützlichkeit der Universität für den Staat mit einem historischen Rückblick dargelegt. Schliesslich forderte die Regenz einmal mehr höhere Besoldung und politische Gleichberechtigung. Aber auch diesmal kam es nicht zu einer grundlgenden Reform.

Einzelne Neuerungen
Immerhin kam es im Laufe des 18. Jahrhunderts zu einzelnen Verbesserungen:  1727 wurde auf Initiative des Rates anlässlich der Berufung von Benedict Staehelin zum Physikprofessor ein physikalisches Kabinett als Anbau an das Stachelschützenhaus eingerichtet und mit Instrumenten aus London ausgestattet, in dem nach 1747 Daniel Bernoulli unterrichtete. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts wurden wiederum auf Veranlassung des Rates von Johann Jacob Spreng Vorlesungen zur Schweizergeschcihtein deutscher Sprache abgehalten und ab 1753 hielt der berühmte Geograph  und Mechanikus Isaak Bruckner ebenfalls auf Deutsch Vorlesungen über Geographie, Mechanik und Geometrie für die «lernbegierige Jugend» ganz generell. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden verschiedene wissenschaftliche Gesellschaften gegründet, unter ihnen eine Vorläuferin der späteren schweizerischen naturforschenden Gesellschaft.

Die Existenzkrise am Ende des Jahrhunderts
Nach einem Jahrhundert der immer wieder ergebnislos abgebrochenen Reformdiskussionen und aufgeschobenen Reorganisationsanstrengungen geriet die Universität während der Helvetik in eine Krise, die ihre gesamt Existenz in Frage stellt. Erst die vollständige Reorganisation und Eingliederung der Universität in den Staat als höhere Lehranstalt im Jahre 1818 beendete diese Phase und schuf die Voraussetzungen für die moderne Universität und deren zunächst zögernden Aufschwung.