Chemie in Basel nach dem Zweiten Weltkrieg

Naturstoffchmie und Farbenchemie prägten die Basler Forschung in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Beide Fachrichtungen standen im engen Kontakt mit der in Basel ansässigen chemischen Industrie.

Naturstoffchemie
Nach dem Tod von Ruggli 1945 wurde der organische Lehrstuhl seinerseits verdoppelt. Dies wurde einerseits mit der weiter gewachsenen Zahl der Studierenden begründet, andererseits mit der Berücksichtigung einer neuen Entwicklung, die sowohl die akademische Forschung als auch das industrielle chemische Interesse betraf. Hier kann von einer Umsteuerung gesprochen werden. In der Zwischenkriegszeit hatte sich neben der Farbenchemie die Naturstoffchemie und damit die chemischen Grundlagen der Lebensvorgänge und derjenige der sie beeinflussenden Medikamente etabliert und zu einem eigentlichen Markenzeichen der organischen Chemie in der Schweiz entwickelt, mit Schwerpunkten an der Universität Zürich (Paul Karrer, Nobelpreis 1937) und an der ETH Zürich (Leopold Ruzicka, Nobelpreis 1939). Seither dominierten die Naturstoffchemiker die Basler Bühne mit Tadeus Reichstein (Nobelpreis 1950) und dessen Schülern (darunter Christoph Tamm) sowie denen von Leopold Ruzicka von der ETH (Cyril A. Grob 1917-2003), die der Industrie im Pharmasektor zuarbeiteten und umgekehrt von der Industrie für eigene Forschungsprogramme unterstützt wurden - eine Symbiose zwischen Industrie, privaten Mäzenen, Universität und Regierung, die in den 1950er und 1960er Jahren zur vollen Entfaltung kam.

Die Regierung und die Fakultätsmehrheit hatten Tadeus Reichstein 1938 gegen die Widerstände der Apotheker zum Vorsteher der Pharmazeutischen Anstalt berufen. Mit seinem Wechsel auf den einen der beiden Lehrstühle für Organische Chemie, die nach Rugglis Tod (1945) geschaffen worden waren, eröffnete die Universität 1946 dem bereits ‚Nobelpreis-Verdächtigen' neue Entfaltungsmöglichkeiten, die er detailliert mit Industrie und Regierung aushandelte. Das 1952 eröffnete, mit Industriespenden finanzierte Gebäude am St. Johanns-Ring entsprach in Grösse und Ausstattung dem Prestige des Forschers, der inzwischen 1950 den Nobelpreis für Medizin/Physiologie erhalten hatte, aber auch der Bedeutung der Naturstoffchemie für die Basler Industrie. So leuchtete am Basler Chemie-Himmel ein für die pharmazeutische Industrie besonders interessanter Stern besonders hell.

Farbenchemie
Farbenchemie, der zweite organische Lehrstuhl, der aus der Verdoppelung der Nachfolge Rupe hervorging, wurde Robert Wizinger (1896-1973) übertragen, der ein eigenes Institut mit Beiträgen aus der Industrie in einem Haus mit vielfältiger Vorgeschichte an der St Johann Vorstadt bekam. Zu Rupe und Fichters Zeiten waren Farbenchemie und deren industriell interessante Anwendungen in der Chemischen Anstalt von 1910 als Nebenbetrieb durch einen Lehrbeauftragten und nachmaligen Extraordinarius mit Unterstützung durch die Industrie betrieben worden. Die Berufung Wizingers war demgegenüber ein Versuch, neben Reichsteins Naturstoffchemie auch die Farbenchemie aufzuwerten. Obschon Farbenchemie industriell und akademisch in der Stadt Basel bis gegen das Ende des 20. Jahrhunderts wichtig blieb, war sie nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr der grosse Gewinnträger der Industrie. Die sinkende Bedeutung der Farbstoffchemie widerspiegelte sich in der Schliessung des Wizingerschen Instituts in der St. Johann-Vorstadt nach dem Rücktritt seines 1968 berufenen Nachfolgers Heinz Balli und in der nachfolgenden Nutzung des Gebäudes durch das junge Fach Natur- Landschafts- und Umweltschutz (NLU) seit den 1990er Jahren.