Leonhard Euler

«Wenn der Glanz, den ein grosser Mann über sein Zeitalter verbreitet, sich auch seinem Geburtsorte mittheilt; wenn eine Stadt stolz auf das Verdienst ausserordentlicher Genies seyn darf, die aus ihren Mauren hervorgegangen sind, der Welt durch vorzügliche Talente zu nützen: wem könnte ich mit grösserm Recht gegenwärtige Lobrede wiedmen, als Dir, theures, unvergessliches Basel, Dir, der Wiege der Bernoulli, Hermanns und Eulers, die Europa mit Ehrfurcht nennt und deren Andenken jedem Verehrer der Wissenschaften heilig ist!»

Mit diesen feierlichen Worten leitet Nikolaus Fuss (1755-1825) die in St. Petersburg verfasste «Lobrede auf Herrn Leonhard Euler» ein, mit der er seinem kurz zuvor dort verstorbenen Lehrer und Dienstherrn ein Denkmal setzte. Auch in Basel teilte man die Auffassung, der Weltruhm des grossen Gelehrten mache seiner Heimatstadt und ihrer Universität Ehre, obwohl Euler sechzig Jahre zuvor als gerade Zwanzigjähriger Basel verlassen hatte und nie wieder zurückgekehrt war.  

Eine Zeit grundlegener Innovation – Eulers Jugend in Basel
Leonhard Eulers Basler Lehrjahre waren zunächst von seinem familiären Umfeld geprägt: die Mutter mit Verbindungen zur intellektuellen Führungsschicht der Stadt, der Vater ein vielseitig interessierter, pädagogisch fortschrittlicher Aufsteiger, der in seinem begabten Sohn schon früh die Freude am selbstständigen Denken, aber auch spezifisch an Mathematik zu wecken wusste. Die Überzeugung, dass Wissenschaft nicht das Privileg einer sozialen Kaste sein darf, sondern offen für alle sein muss, die die Fähigkeiten dazu mitbringen, hat ihn ein Leben lang begleitet. Er hat sie in seiner Lehrtätigkeit, aber auch in seinen Büchern umgesetzt, deren einfache Sprache, klarer Stil und systematischer Aufbau dem Leser Gebiete erschliessen, die früher nur wenigen Privilegierten zugänglich gewesen waren.

An der Universität Basel hatte Euler das Glück, gerade für die Fächer, die ihn besonders faszinierten, einen der anregendsten und kenntnisreichsten Wissenschafter seiner Zeit zum Lehrer zu bekommen, Johann Bernoulli. Dieser unterstützte ihn auf vielfältige Weise auf seinem Weg zur Mathematik: durch die Aufforderung zum selbständigen Lernen, Zugang zu Privatissima und öffentlichen Vorlesungen und durch berufliches ‹networking›, das Euler schließlich den Weg nach St. Petersburg eröffnete. 

Darüber hinaus traf Euler – etwa im Gegensatz zu Jacob Bernoulli, der noch eine Generation zuvor grosse Widerstände hatte überwinden müssen, um sein Umfeld vom Wechsel aus einer sicheren kirchlichen Karriere in die Mathematik zu überzeugen – auf eine Epoche grundlegender Innovationen und ungeheuren Prestigegewinns für die exakten Naturwissenschaften. Sowohl an den traditionellen Lehranstalten wie auch besonders an den neu gegründeten Akademien wurden jetzt der mathematische Unterricht und die Forschung stärker gewichtet und institutionalisiert; die Karrierechancen für einen talentierten Wissenschafter waren nie besser gewesen.