Paracelsus in Basel
Zu Beginn des Jahres 1527 war Paracelsus vom europaweit berühmten Buchdrucker Johannes Frobenius zur Therapie eines Beinleidens nach Basel gerufen worden. In sehr kurzer Zeit gelang es ihm, dieses Leiden zu lindern, was ihm grosse Bewunderung eintrug. Zurück in Strassburg, wurde er von Erasmus von Rotterdam schriftlich darum gebeten, wieder nach Basel zurück zu kehren: «Möge das Geschick Dich hier in Basel festhalten!»
Diese Bitte muss auf Theophrast von Hohenheim einen ausserordentlichen Eindruck gemacht haben. Erasmus war einer der bedeutendsten Männer seiner Zeit, mehr als nur ein Humanist und Philosoph, war er eine der geistigen Autoritäten im damaligen Europa. Nur zu gern folgte wohl Paracelsus diesem Ruf zurück nach Basel, zurück zu seinem ehemaligen Patienten und Freund Johann Froben, der auch Erasmus beherbergte. Froben führte ein offenes Haus und versammelte dort einen Zirkel von Humanisten, Philosophen und Künstlern. Unterstützt von diesem einflussreichen Kreis wurde Paracelsus zum Stadtarzt von Basel berufen. Dies war in seinem ganzen Leben das einzige Amt, das ihm eine gesellschaftliche Stellung vermittelt hat und zudem zum ersten und letzten Mal die Möglichkeit, sich und seine Ideen zu etablieren. Die Stellung als Stadtarzt erlaubte ihm, an der Universität Vorlesungen zu halten. Weit davon entfernt, von den Kollegen respektiert oder auch nur akzeptiert zu sein, konnte er hier seine revolutionären Thesen in der Medizin öffentlich vortragen.
Am Patienten orientierte Medizin, Diagnose und Therapie nach der Natur der Krankheit, keine Behandlung auf Grund von Bücherwissen, sondern Praxis: Weit entfernt waren diese Ideen vom Lehrbetrieb der Basler Universität. Die Ansichten der Gottheiten der Medizin, Hippokrates, Galen und Avicenna, wurden an der Hochschule unreflektiert übernommen. Texte, die hunderte oder sogar tausende von Jahren alt waren, wurden unwidersprochen auswendig gelernt und weitergegeben. Medizin war eine theoretische Wissenschaft, die Ursachen der Krankheiten wurden im metaphysischen Bereich angesiedelt und die Diagnose und Therapie von allen möglichen Zeichen abgeleitet, nur nicht vom physischen Status des Patienten und dem pathologischen Geschehen seiner Krankheit.
Paracelsus, aufbrausend, egozentrisch und weit davon entfernt, sich der geltenden Lehrmeinung anpassen zu wollen, verdammte diese Medizin öffentlich in Grund und Boden («Nicht meinen, sondern wissen!»). Nur die Erfahrung und das Experiment können dem Arzt dieses Wissen vermitteln. (Vergl. dazu z.B. seine Kommentare zu den Aphorismen des Hippokrates, «Experimentum»).
Auch in der äusseren Form verletzte er die Konventionen. Schon seine zweite Vorlesung in Basel hielt er in deutscher Sprache und damit eben nicht nur für das gelehrte Kollegen- und Studenten-Publikum, sondern auch für so genannte Laien der Medizin, also Bader, Scherer und Alchimisten. Aus heutiger Sicht unbedeutend, war dies für die damalige Hochschulwelt skandalös, ja revolutionär, suchte man doch mit dieser Sprachschranke den tieferen sozialen Schichten den Zugang zu Bildung und Wissenschaft zu verwehren. Paracelsus hat mit seiner eher aggressiven Wesensart natürlich in keiner Art und Weise eine Eskalation der Spannungen um seine Person und Stellung verhindert. Im Gegenteil: Öffentlich soll er in der Johannisnacht 1527 Handschriften aus der klassischen Medizin (wohl Galen und Avicenna) ins Feuer geworfen haben: «Habe die Summa der Bücher zu Sanct Johannis ins Feuer geworfen, auf das alles Unglück mit Rauch in Luft gang!»
Die Situation spitzte sich zu. Basel, kurz vor der Reformation (1529 bis 1531) ohnehin innerlich zerstritten und in Aufruhr, konnte für Paracelsus auch nicht zur Heimat werden. Anfänglich wurde er zwar von breiten Kreisen der Bürgerschaft unterstützt, doch von den etablierten Schichten in Kirche, Aristokratie und Universität zunehmend bekämpft. Der schwerste Schlag für seine gesellschaftliche Stellung in Basel war aber zweifellos der Tod seines Freundes und Förderers Johannes Froben. Nach anonymen Schmähschriften und öffentlichen Verunglimpfungen gipfelten die Zwistigkeiten schliesslich im Streit um eine Honorarforderung von Hohenheims vor Gericht. Nach abschlägigem Urteil liess er sich zu Beschimpfungen hinreissen, die das Gericht so nicht dulden konnte. Einer drohenden Verbannung konnte er sich daraufhin Anfang Februar 1528 nur noch mit Flucht entziehen.