Universitätsgebäude der Moderne
Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts vollendet den Umzug der Universität vom Münsterhügel an den Petersplatz – sichtbar in dem 1939 nachjahrzehntelangem Prozess vollendeten Projekt des neuen Kollegienhauses.
Die Topographie der Naturwissenschaften entwickelte sich zeitgleich weiter in Richtung Westen und bildete im St. Johanns-Quartier einen neuen naturwissenschaftlichen Bezirk. Die Raumpolitik der Universität in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist ein Reflex des immensen Grössenwachstums der Institution, zugleich auch einer Weiterentwicklung vieler ihrer Teilbereiche. Grosse Bauprojekte ergänzen heute die bestehenden und formieren neue Zentren, in deren Dunstkreis sich kleinere und kleinste Standorte neu anordnen.
Das Kollegienhaus
Mit der Eröffnung des Neuen Kollegienhauses formierte sich der universitäre Raum um den Petersplatz herum neu, die bestehenden Universitätsgebäude erhielten einen Mittelpunkt und wurden zeichenhaft zum Zentrum der Universität. In den bereits Ende des 19. Jahrhunderts einsetzenden Auseinandersetzungen um den neuen Standort dieses Zentralgebäudes wird die Frage des Ortes der Universität – Münsterhügel vs. Petersplatz – und die historisch-symbolische Bedeutung dieses Standortes – Tradition vs. Innovation – verhandelt und nach der Entscheidungsgewalt der beteiligten bürgerlichen, politischen und universitären Gruppen gefragt. Die Eröffnungsfeier 1939 wurde zu einer aufwändigen Inszenierung all dieser Fragen. Im Rückblick feierten spätere Jubiläumsansprachen die räumliche Verlagerung und Fokussierung im Kollegienhaus gerne als «historischen Wendepunkt», mit dem die Universität den Sprung von der Kleinuniversität zur Hochschule mittlerer Grösse gewagt habe. Mit dem Kollegienhaus verfügte die seit 1900 extrem angewachsene moderne Universität Basel über ein grosses Lehrgebäude mit über 20 Hörsälen und Räumen für die Verwaltung. Seminare und Institute jedoch fanden im neuen Zentrum keinen Platz.
St. Johann Quartier
Die naturwissenschaftlichen und medizinischen Fächer wuchsen aus ihren Flügeln und Räumen in Bernoullianum und Vesalianum konstant und stetig hinaus. Mit dem Neubau der Chemischen Anstalt erschloss die Universität 1910 ein neues Siedlungsgebiet im St. Johann Quartier – nur wenige Gehminuten westlich vom Bernoullianum, nun aber ausserhalb der alten Siedlungsgrenzen Basels. Die Physikalische und Physikalisch-Chemische Anstalt folgte ihr 1926, die Organische Chemie 1952 mit eigenen Neubauten. Bei ihren Einweihungsfeiern fällt im Vergleich zu denen ihrer Vorgängerbauten eine gewisse Schlichtheit auf. Die räumliche Weiterentwicklung präsentiert sich nun als pragmatische Reaktion auf Sachzwänge, nicht mehr als Anbruch einer neuen Epoche der Wissenschaftsgeschichte.
Projekte nach 1950
Die Raum- und Gebäudegeschichte der Universität in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erscheint geprägt von grossen Bauprojekten, die die bestehenden Universitätsbezirke verdichteten und neue eröffneten.
Rund um den Petersplatz vervollständigte sich das heutige Raumarsenal der Universität 1960 mit dem Neubau der Universitätsbibliothek und 1988 mit dem Bau des Rosshofes, der die längst fällige gemeinsame Unterbringung der Wirtschaftswissenschaften realisierte. Seit dem erneuten Umzug ins Jacob-Burckhardt-Haus am Hauptbahnhof dient der Rosshof nun dem Departement Altertumswissenschaften.
Mit alten Häusern zum neuen Campus
Die Seminare der Geisteswissenschaften, die in erster Linie die immer zahlreicheren Studierenden aufzunehmen und auszubilden hatten, kamen in diesen bauintensiven Jahrzehnten nicht in den Genuss grosser Neubauten. Die Geschichte ihrer Unterbringung ist die einer permanenten Migration. Die Ortsgeschichte von Seminaren wie der Musikwissenschaften seit Anfang des 20.Jahrhunderts liest sich wie ein Itinerar durch die Basler Innenstadt.
In den 1990er Jahren werden viele dieser Institute in herausragenden Altbauten im Bereich des Nadelbergs untergebracht. 1966 erwarb die Universität den Zerkindenhof für das Theologische Seminar, 1970 das Schöne Haus für die Anglisten, die Altphilologen und die Philosophen, 1990 den Engelhof für die Germanisten, Nordisten und Slawisten. Im September 1998 erhielt die Volkskunde eine neue Unterkunft in der Alten Gewerbeschule in der Spalenvorstadt. Mit alten Häusern verdichtete die Universität so in dieser Zeit ihren Campus am Petersplatz – und die Fächer der Philosophisch-Historischen Fakultät gaben sich mit der neuen Einrichtung und neuen Nutzung historischen Baubestands auf der symbolischen Ebene eine Art neuer Legitimation – die repräsentativen und aufwändig restaurierten Bürgerhäuser halfen bei der «Invention of Tradition».
Zentren und Zonen
Die naturwissenschaftliche Agglomeration im St.Johanns-Quartier wurden 1971 in die Klingelbergstrasse hinein durch den Neubau des Biozentrums erweitert, das 1987 das Universitäre Rechenzentrum aufnahm – vollendet wurde der Komplex im Jahr 2000 mit der Eröffnung des Pharmazentrums. Der Spitalbezirk verdichtete sich mit dem 1971 bezogenen neuen Institut für Pathologie und dem Zentrum für Lehre und Forschung, das 1979 für die medizinischen Wissenschaften zum zentralen Ort für Unterricht, Bibliotheken und Kommunikation wurde.
Die Raumentwicklung des vergangenen Jahrzehnts ist durch die Entstehung verschiedener neuer Universitätszonen gekennzeichnet: Seit 2001 sind die Sportwissenschaften in der St. Jakobs-Arena untergebracht. 2006 und 2009 bezogen die Juristische Fakultät und das Wirtschaftswissenschaftliche Zentrum das neue Jacob-Burckhardt-Haus am Bahnhof.
Pläne für die Zukunft
Der universitäre Raumbedarf ist seit dem Bauboom der 1960er Jahre ein Dauerthema. Die räumliche Verflechtung von Universität und Stadt lassen die Orte und Gebäude der Universität zu einem Kristallisationspunkt in allen politischen Prozessen werden, ebenso im komplexen Vorgang der Autonomie der Universität wie in der Ausgestaltung der doppelten Trägerschaft durch die beiden Kantone. Entsprechend werden in engem Zusammenhang mit dem Engagement des neuen Trägerkantons Baselland Überlegungen zur Auslagerung bestimmter Universitätsbereiche auf das Basellandschaftliche Gebiet diskutiert.
Die Raumplanung ist ein Schwerpunkt der strategischen Planung der Universität Basel. Seit der Studie des renommierten Architekturbüros Herzog & de Meuron von 2003 und dem Strategiepapier der Universität von 2007 ist die Richtung klar, in die die Pläne für die räumlicheZukunft der Universität weisen. Die «Universität in der Stadt» ist zum Zeichen der Basler Universität geworden, die Räume der Universität bleiben weiterhin topographisch in die Stadt integriert. Ein Ziel wird sein, ihr auch auf der Repräsentationsebene einen markanten Ort und «Monumente der Identifikation» zu geben.