550 Jahre – Ein «Zwischenjubiläum»?

Als 1910 das 450jährige Bestehen der Universität Basel gefeiert wurde, sprach man von einem «Zwischenjubiläum», das mit einem relativ bescheidenen Aufwand gefeiert werden sollte. Hundert Jahre später braucht man hingegen kaum mehr eine Rechtfertigung für Jubiläumsfeiern, die im Abstand von 50 Jahren oder noch weniger wiederholt werden.

Drei Jahre vor Basel hatte bereits die Universität Freiburg i. Brsg. ihr 550jähriges Bestehen gefeiert: «Bright minds for a better world. Freiburg - Wir sind die Universität!» In der Schweiz konnten fast zeitgleich zwei Universitäten ihr 175-Jahre-Jubiläum feiern: 2008 die Universität Zürich - «Wissen teilen» -, ein Jahr später die Universität Bern: «Wissen schafft Wert». Insofern war die erhöhte Kadenz von Jubiläumsfeierlichkeiten für Universitäten inzwischen selbstverständlich, dafür war auch die Konkurrenz um die öffentliche Aufmerksamkeit für die eigene Feier entsprechend grösser. 

Die eigene lange Geschichte feiern
Nicht nur die Anzahl, auch das Ausmass und die Bedeutung von Jubiläen haben sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Das gilt insbesondere für die Jubiläumsfeiern der Universität Basel: Bei früheren Feiern war vor allem die eigene Vergangenheit im Zentrum gestanden. Während die Jubeltage auf eine kurze Zeitspanne gedrängt waren, sollte die Erinnerung daran noch lange erhalten bleiben. Zu diesem Zweck wurden die Jubiläen dokumentiert, die wichtigsten Reden archiviert und oftmals ein Festbericht als Sonderdruck herausgegeben, der bei kommenden Jubiläen als Anhaltspunkt und Vergleich dienen konnte. Eine wichtige Funktion hatten auch die zum Jubiläum in Auftrag gegebenen Studien, welche die Geschichte der Universität Basel aufarbeiteten und über Sinn und Zweck der eigenen Institution nachdachten, besondere Leistungen hervorhoben und über Gründe von Krisen reflektierten. Heute bieten diese Studien umfangreiches und unverzichtbares Quellenmaterial für weiterführende Forschungen in der Geschichte der Universität Basel.

Geschenke als Ausdruck der gegenseitigen Verbundenheit
Die Feierlichkeiten wurden genutzt, um den Stiftern und Fördern zu danken und gleichzeitig die eigenen Leistungen herauszustreichen, um die Unterstützung auch in Zukunft zu sichern. Wichtig dabei - und verstanden als spezifisch für Basel -  waren der Topos der Bürgeruniversität  und die damit verbundenen rituellen Reden, Anlässe und Handlungen. Die Verbundenheit der Basler mit «ihrer» Universität fand insbesondere in der feierlich inszenierten Übergabe von Geschenken Ausdruck: 1960 überreichte die Freiwillige Akademische Gesellschaft ihre Jubiläumsgabe mit der Betonung, dass es sich eigentlich um ein Gegengeschenk handelte, als Dank an die Universität, dass sie hochqualifizierte Arbeitskräfte für die Region ausbildet. Die separate Veranstaltung für die Geschenkübergabe gab den Gönnern Gelegenheit zu einem vielbeachteten öffentlichen Auftritt. Nach den Jubiläumsfeierlichkeiten wurden die Geschenke während dreier Wochen im Gewerbemuseum ausgestellt, was ihnen zusätzlich Bedeutung verlieh. Die Geschenke bestanden oft aus wertvollen Gegenständen aller Art, die über das Jubiläum hinaus an die gegenseitige Hochachtung erinnern sollte.

Von der Bürgeruniversität zur überregionalen Universität 
In einem ganz anderen Kontext stand hingegen das 550-Jahre Jubiläum, das 2010 gefeiert wurde. Inzwischen versteht sich die Universität Basel nicht mehr als Bürger- oder «Volksuniversität» - den Begriff verwendete SP-Regierungsrat Fritz Hauser in seiner Ansprache zur Eröffnung des neuen Kollegiengebäudes 1939 - und sie ist auch keine (ausschliessliche) Stadtuniversität mehr. Als was sie sich aber heute versteht, ist letztlich noch nicht abschliessend ausgehandelt, sondern war und ist Gegenstand zahlreicher Debatten. Verglichen mit dem Jubiläum von 1960, unterscheidet sich heute auf jeden Fall in grundlegender Weise die Beziehung des Basellandes zur Universität, und umgekehrt. 1960 überreichte Regierungspräsident Max Kaufmann im Namen des Landkantons eine Spende von einer Million Franken an die städtische Universität, welche ihrerseits die finanzielle Unterstützung des Basellandes als grosszügige Geste verdankte, aber eine weitergehende Zusammenarbeit nicht als existentiell betrachtete. Die Feierlichkeiten waren deshalb auch örtlich auf die Stadt Basel konzentriert - anders als etwa 1860, als die Verbundenheit von Stadt und Landschaft mit Trinksprüchen und dem Besuch der römischen Ruinen in Augst besiegelt wurde. Beim jüngsten Jubiläum wiederum konnte die Bedeutung der Zusammenarbeit mit dem Baselland beinahe nicht oft genug betont werden. Nicht zufällig fand die Eröffnung der Feierlichkeiten zum 550-Jahre-Jubiläum in Liestal statt: Die langen und zeitweise zähen Auseinandersetzungen um die gemeinsame Trägerschaft hatten erst 2007 einen Abschluss gefunden, als der Staatsvertrag auch von der Bevölkerung des Baselbietes gutgeheissen wurde. Die 550-Jahr-Feier diente als symbolische Besiegelung der verstärkten interregionalen Zusammenarbeit und war eine Ansage an das Konzept der gemeinsamen Trägerschaft. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe «Wissen mobil» verlegte die Universität Basel die Feierlichkeiten für jeweils einen Tag nach Porrentruy, Solothurn und zuletzt Aarau und verlieh damit den Hoffnungen auf eine Ausweitung der Trägerschaft auf die anderen Nachbarkantone Ausdruck.

Wo endet der Grossraum Basel?
Die Verteilung der Jubiläumsfeierlichkeiten auf die Region provozierte unterschiedlichste Reaktionen. Die Basler Zeitung veröffentlichte im Februar 2009 einen ersten Bericht mit der Vorschau auf die Feierlichkeiten unter dem Titel «Uni Basel geht zum Jubiläum fremd». Die Wahl der Festorte rief eine grundsätzliche Debatte hervor, was unter dem «Grossraum Basel» zu verstehen sei: Den Nichtbeinbezug des südbadischen Raumes in die Örtlichkeiten der Feier begründete Rektor Loprieno mit dem hohen organisatorischen Aufwand. Es zeigte sich, dass die örtliche Verteilung der Festlichkeiten nicht nur für die Universität von Bedeutung war, sondern den Regionen ihrerseits eine gute Gelegenheit gab, sich als vorteilhafter Standort für Wissenschaft und Industrie zu präsentieren: Im Aargau wurde die Zusammenarbeit in den Bereichen Archäologie und den expandierenden Nanowissenschaften unterstrichen; das Baselland warb für Liestal, Aesch und Muttenz als potentielle Standorte für universitäre Institute.

Das Jubiläum als Marketingangelegenheit
Neben der Bedeutung der Universität für die Region, respektive der gegenseitigen Abhängigkeit, war auch die Positionierung in nationaler und internationaler Hinsicht ein vielbesprochenes Thema. Rektor Loprieno erklärte die Position als «Hochschule Nummer 2» der Schweiz zum mittelfristigen Ziel und sinnierte über die Bedeutung von internationalen Rankings: Einerseits sei deren Aussagepotential umstritten, andererseits müsse es dennoch darum gehen, eine gute Balance zu finden zwischen der Ausbildung von qualifizierten Arbeitskräften für die regionale Wirtschaft und der bestmöglichsten Positionierung in der internationalen Forschung, trotz oder gerade wegen der beschränkten finanziellen Ressourcen. Zu erreichen sei dies nur, wenn die Universität ihre Schwerpunkte sinnvoll setze, womit Loprieno auf die beiden strategischen Makroschwerpunkte «Life Sciences» und «Kultur» anspielte und das Ungleichgewicht zwischen Natur- und Geisteswissenschaften im Hinblick auf Studierendenzahlen, Ressourcenverbrauch und Drittmitteleinwerbung in die Diskussion einbrachte. Im Vorfeld des Jubiläums wurde die «Universitätsstiftung» gegründet, deren Ziel die Unterstützung von herausragenden Projekten mithilfe von privaten Geldern ist. Geleitet wird die Stiftung von Uniratspräsident Dr. Ulrich Vischer. 

Der «Prozess der Vergesellschaftung»
Das Jubiläumsmotto erklärte Rektor Loprieno, dass sich die Universität in einem «Prozess der Vergesellschaftung» befinde. Sie müsse Kontakt suchen mit «einer wachsenden Zahl von Stakeholdern», betonte Antonio Loprieno: «Steuern zahlende Bürger, Schulen, Industrie, den Staat in seiner ganzen Komplexität, die Kultur.» Sie sei ihren Leistungsträgern einen Beweis ihrer Wirkung und Wichtigkeit schuldig. Dazu gehöre, dass sich die Universität Basel als Marke konzipiere, die in der Öffentlichkeit mit einer positiven Konnotation wahrgenommen werde; und die unter dem passenden Motto stehende Jubiläumsfeier diene dazu, «Wertschöpfung mit Emotionen zu verbinden». Die abnehmende staatliche Präsenz bei der Finanzierung der Universitäten und die zunehmende Abhängigkeit von Drittmitteln kam auch in der Schlussfeier am Dies Academicus im Münster zur Sprache. Der Staatssekretär für Bildung und Forschung riet der Jubilarin, sie solle ihre Forschungsschwerpunkte effizient setzen und über die Frage nach der Begrenzung der ausländischen Studierendenzahlen resp. über die Erhöhung von Studiengebühren nachdenken. Als einzige in eine ganz andere Richtung ging die Rede von Bundesrat Moritz Leuenberger, der von einer «Ökonomisierung des Wissens» warnte und zu intellektuellem Mut und Offenheit aufrief. Ansonsten beschäftigte auch die Regierungsvertreter von Basel-Stadt und dem Baselland der steigende finanzielle Druck auf die beiden Kantone. Es war deshalb keine Überraschung, dass der im Vorjahr diskutierte Vorschlag des CVP-Grossrats Oswald Inglin, der Universität zum Jubiläum ein Gebäude für die Studierenden zu schenken, mit dem Hinweis auf die zu hohe finanzielle Belastung abgelehnt worden war und die Universität zum Jubiläum von den Trägerkantonen kein Geschenk erhielt. Materiell unterstützt wurde das Jubiläum aber von den zahlreichen Sponsoren der Universität, etwa von der FAG. Die Geschenkkultur, die noch 1960 eine wichtige Bedeutung hatte, war inzwischen von einer «Sponsoringkultur» abgelöst worden.