«Stehen, blühen, dauern»

Die Festrede von Rektor Lukas Gernler zur Zweihundertjahrfeier der Universität Basel am 4. April 1660.

Dem Vorbild der deutschen Hochschulen folgend, beging die Basler Universität im April 1660 aus Anlass ihres zweihundertjährigen Bestehens die erste Erinnerungsfeier. Dreihundert Jahre später übersetzte der spätere Rektor, Ernst Staehelin, zur 500-Jahr-Feier verschiedene Reden seiner Vorgänger – unter anderem jene von Gernler. Er griff damit eine Tradition auf, bezogen sich doch die Rektoren bei allen Jubiläumsfeiern gerne auf die Reden ihrer Vorgänger. So sagte beispielsweise Rektor Peter Merian zweihundert Jahre später, 1860, während seiner eigenen Jubiläumsrede: «Im Jahr 1660 erzählte der damalige Rector Lucas Gernler in seiner Jubelrede in gedrängter Uebersicht die Geschichte der Universität während der ersten 200 Jahre.»

Die Jubiläumsrede als Predigt

Die Rede von Rektor Gernler, der zugleich auch Antistes und damit Vorsteher der Basler Kirche war, zeigt deutlich, dass die Universität im Jahr 1660 noch stark von der Kirche geprägt war. Seine Ansprache liest sich denn auch mehr wie eine Predigt als wie eine Jubiläumsrede im eigentlichen Sinne. Der erste von Staehelin überlieferte Abschnitt ist ausschliesslich der Anrufung Gottes gewidmet und dürfte eher am Schluss der Rede gestanden sein – sie hat finalen Charakter und wird zum Schluss mit einem «Amen» abgeschlossen. Gernler erbittet sich von Gott, dass er weiterhin huldvoll sei: «Lass, wir bitten Dich, so grosse Geschenke ununterbrochen fortdauern! Mögen immer die andern Völker sagen: Gott hat Grosses an ihnen getan!» Er erhofft sich von Gott «Geist» für die Professoren und das «Wehen Deiner Gnade» für die ganze Schar der Studierenden.

Hier macht Gernler einen Kunstgriff, den er noch einmal wiederholen wird: Er ruft Gott an, meint aber die Menschen vor ihm. Die Professoren, die Studenten und später auch die «erlauchte Obrigkeit» werden so indirekt angesprochen, ermahnt und gelobt. So hofft Gernler, Gott werde «seinen reichen Segen» über der Obrigkeit ausgiessen.

Im zweiten Abschnitt wendet sich der Rektor direkt an die Akademie, die «segenspendende Mutter»: «Richte fürderhin alle deine Bemühungen darauf, dass Du in dem der Wissenschaft und der Tugend so freundlich gesinnten Jahrhundert der Tugend nachstrebest. (...) Gürte Dich mit Tapferkeit im neuen Jahrhundert und waffne Dich gegen die Laster der Welt!» So werde sich die Universität der Gnade der höchsten Obrigkeit und damit auch der Stadt, in der sie steht, würdig erweisen. Ein Verhältnis, das in beide Richtungen funktioniert. Ganz zum Schluss sagt Gernler in Anspielung auf die Stadt Basel: «So wird sie mit Dir ihren Ruhm suchen, so wirst Du in ihr als fromme, glückliche und berühmte stehen, blühen, dauern.»