Die Tropen in Basel. Wissen vor der Wissenschaft

Die Gründung eines tropenwissenschaftlichen Instituts ging der Herausbildung einer wissenschaftlichen Disziplin voraus. Mit anderen Worten: Als man 1943 die Gründung des STI als eine öffentlich-rechtliche Anstalt beschloss, war noch nicht klar, welche Elemente eine Wissenschaft von den Tropen umfasste.


Das Wissen von den «Tropen», wie es sich am ausgehenden Weltkrieg in Basel präsentierte, war Teil einer spezifisch lokalen «Wissenskultur», die Elemente älterer Traditionen und Wissensbestände in sich barg und stark an soziale Netzwerke gekoppelt war. So unspezifisch der Begriff der «Tropen» selbst auch war, so sicher zirkulierte in Basel schon seit dem 10. Jahrhundert ein Arsenal von Zuschreibungen, die man mit den Ländern des Südens verband. Die Tropen waren zugleich fremd und bekannt.

Seit dem 19. Jahrhundert konnte man sie im Museum für Völkerkunde hinter Glasvitrinen bestaunen, ihre Exotik lockte das Basler Bürgertum über Jahrzehnte in den Zoologischen Garten und sie nährten die Phantasie all jener, die mit den Reisebeschreibungen von Naturforschern wie Paul und Fritz Sarasin bekannt waren. Die Situation, in der sich die Wissenschaftler des Tropeninstituts am Ende des Zweiten Weltkriegs befanden, war also einerseits geprägt durch die Unsicherheit darüber, mit welchen Elementen man einen neuen Wissensbestand zu füllen hätte, anderseits durch den Reichtum und Last einer Tradition, die ein solches Wissen grosszügig bereithielten. Blättert man die ersten Jahrgänge der institutseigenen Zeitschrift «Acta Tropica» durch, so wird man sich der Heterogenität dieses Tropenwissens gewahr. Auf geschichtliche Abhandlungen über die Länder Afrikas, Südamerikas oder Asiens, folgen Handelsbilanzen, Ausflüge in die Kunstgeschichte, die Ethnologie, Medizin, Botanik und was einem sonst noch alles einfällt, wenn man wissenschaftliche Disziplinen in Gedanken Revue passieren lässt.

Dabei kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass man hier einem unausgegorenen Verständnis von den «Tropen» mit einem enzyklopädischen Anspruch entgegentreten wollte und alle Informationen über die Fremde zum Sammeln im Sinne hatte, die überhaupt erhältlich waren. Man könnte an dieser Stelle natürlich einwenden, dass man diese neue Wissenschaft auch bewusst breit verstanden haben wollte und diese Breite des wissenschaftlichen Gegenstandes entsprach auch durchaus dem Selbstverständnis einiger der Wissenschaftler selbst. Rudolf Geigy, der in den ersten Jahren die Tropenmedizin in Basel bestimmen sollte, war nicht nur Naturwissenschaftler, sondern auch Anthropologe, Naturschützer, Entwicklungshelfer und Unternehmer.

Und Thierry Freyvogel sollte in den 50er Jahren aus dem im Abschluss befindlichen neuen Feldlabor des Tropeninstituts in Tansania nicht ohne Augenzwinkern schreiben: «… ich betätige mich zeitweilig als Wissenschaftler, als Automechaniker, als Chauffeur, als Maurerpolier, als Elektriker, als Sanitärinstallateur, als Veterinär, Jäger, Ethnologe, Zoodirektor, Fensterputzer, etc. etc., meist Dinge, die ich nie lernte und die deshalb umso abwechslungsreicher sind…., als sie mit viel Pfusch verbunden werden.»

Trotz des enzyklopädischen Charakters des Wissens von den Tropen und dem zuweilen fragmentierten Selbstbild der Tropenwissenschaftler lassen sich drei wissenschaftliche Hauptfelder ausmachen. Die Rede ist von der Anthropologie, der Tropenmedizin und der medizinischen Zoologie.