Realisierung der Stiftungsziele und des Stiftungsprogramms

Nach Ausstellung der Stiftungsurkunde und der Besetzung aller Stiftungsgremien, begann Anfang der 1990er Jahre die Ausarbeitung der inhaltlichen Schwerpunkte des Programms MGU. Die Basis hierfür bildeten das Forschungsprogramm, das Lehrprogramm und das Dienstleistungsprogramm.


Aus der heutigen Perspektive mag vielleicht überraschen, dass in der Stiftungsurkunde und auch im ganzen vorangehenden Prozess immer nur von gesellschaftlichen und ökologischen Aspekten die Rede war, die Ökonomie hingegen nicht genannt wird. Es wird auch nicht von Nachhaltigkeit gesprochen, obwohl die Entwicklung und Ausarbeitung des Projekts MGU zeitlich in die Phase zwischen der Publikation des so genannten Brundtland-Berichts (1997) und der bekannten Rio-Konferenz (1992) fällt. Das anfängliche Fehlen der beiden Stichworte «Ökonomie» und «Nachhaltigkeit» darf allerdings nicht damit verwechselt werden, dass die betreffenden Inhalte abwesend waren. Es ist jedenfalls kein Zufall, dass – um hier der Entwicklung voraus zu greifen – die Nachfolgestruktur von MGU, der Master in Sustainable Development, ein genuines Nachhaltigkeitsprogramm unter Einschluss der Ökonomie darstellt. Dass die Dinge nicht von Beginn weg in heute geläufigen Begrifflichkeiten festgezurrt wurden, hat auch damit zu tun, dass die Stiftung MGU explizit auch als Experimentierfeld aufgefasst wurde. Derartige Experimente können, müssen aber nicht zu Innovationen führen. Tatsächlich aber führte dieses Experiment MGU zu einigen Innovationen innerhalb der Universität. Diese Innovationen lassen sich den Bereichen Forschung, Lehre und Institutionelles zuordnen.

Die ersten Schritte bestanden aber zunächst darin, die verschiedenen Stiftungsgremien aufzubauen. Die Regenzkommission MGU bestand bereits. Der Stiftungsrat konstituierte sich am 14. März 1991. Am 16. September 1991 wurde Prof. Leo Jenni, damals Vizedirektor des Schweizerischen Tropeninstituts, zum Leiter der Koordinationsstelle MGU gewählt, und die weiter vorgesehenen Stellen in der Administration, der Bibliothek und dem künftigen Lehrbereich an der Koordinationsstelle wurden besetzt. Am 1. April 1992 begann die Koordinationsstelle mit dem Aufbau der Infrastruktur, der inner- und ausseruniversitären Informationsarbeit und der Realisierung eines Pilot-Lehrprogramms für das Wintersemester 92/93 aufgrund eines erarbeiteten Lehrkonzepts, das auch gleich in einem ersten kommentierten Studienführer erläutert wurde. Im August 1992 wählte der Stiftungsrat die sieben Mitglieder der ausseruniversitären Expertinnen- und Expertenkommission MGU, präsidiert von Dr. iur. Ursula Brunner, Rechtsanwältin aus Zürich. Damit waren sämtliche Organe der Stiftung besetzt, und die Arbeiten am Forschungsprogramm MGU konnten beginnen.

Das Forschungsprogramm
Ziele des Forschungsprogramms waren erstens die Förderung interdisziplinärer Forschung an der Universität, zweitens die Stärkung dessen, was man heue problemorientierte Forschung nennt und drittens eine wissenschaftliche Unterstützung gesellschaftlicher Innovationen im «Umweltbreich». Im Anschluss an eine Zukunftswerkstatt 1992 mit allen Stiftungsgremien und auswärtigen Expertinnen und Experten erfolgte eine erste Ausschreibung für interdisziplinäre Forschungsprojekte für die Periode 1994-1996. Von 46 Projektskizzen wurden nach der Begutachtung durch die Expertinnen- und Expertenkommission MGU und durch auswärtige Expertisen 17 Projekte vom Stiftungsrat bewilligt und durchgeführt. Die Projekte befassten sich mit Fragestellungen in den Themenbereichen Natur- und Kulturräume sowie Ökonomie und Nachhaltigkeit. Vier der bewilligten Forschungsprojekte ergänzten das Modul «Biodiversität» des Schwerpunktprogramms Umwelt (SPPU) des Nationalfonds an der Universität Basel.

Für die 2. Ausschreibung 1997-1999 sollten die Forschenden mittels grösserer und vielfältigerer Teams sowie längerer Projektdauer die anvisierten lösungs- und produktorientierten Arbeiten realisieren können. Von 37 eingereichten Projektskizzen resultierten 13 bewilligte Forschungsprojekte mit Fragen zu den Themen Kulturräume, Gesundheit und Umweltbildung. Den Forschenden wurden Kompetenzerweiterungen durch Workshops und Foren in den Bereichen Interdisziplinarität und Wissenstransfer angeboten.

Die 3. Ausschreibung für die Periode 2000-2002 wurde noch ausdrücklicher auf Interdisziplinarität, Partizipation und Umsetzung der Resultate ausgerichtet. Gefordert war neu eine Doppelträgerschaft durch universitäre und ausseruniversitäre Institutionen – personell, finanziell und ideell. Der Nationalfonds hat Jahre später diesen Grundsatz der Doppelträgerschaft im Rahmen der Programmforschung ebenfalls eingeführt. Neu war zudem, dass zusätzlich zur schriftlichen Eingabe der Projektskizze jedes Team mit ausgewählter Skizze persönlich von der Kommission zu einer Präsentation eingeladen wurde. Ausgewählte Projektteams erhielten zudem für die Ausarbeitung des Forschungsgesuchs hinsichtlich der anzustrebenden Umsetzung und Zusatzfinanzierung Unterstützung. Aus 16 eingegangenen Projektskizzen resultierten so 5 bewilligte Forschungsprojekte mit Bezug zu Umwelt – Nutzung und Schutz, Umweltökonomie und -politik, Umwelt und Gesundheit, Bioethik, Umweltbildung und Kommunikation.

Die 4. und letzte Ausschreibung für die Periode 2003-2005 richtete sich diesmal mit dem Ziel der Vernetzung der regionalen Hochschulen zusätzlich zu den Angehörigen der Universität Basel auch an Angehörige der Fachhochschule beider Basel. Von 13 eingereichten Projektskizzen wurden 4 Projekte nach dem gleichen Beurteilungsverfahren wie die vorherige Ausschreibung bewilligt und finanziert. Die Projekte befassten sich mit Fragestellungen zu Natur- und Kulturräumen sowie zu Ökonomie und Nachhaltigkeit. Im Rahmen dieses Forschungsprogramms wurden so 39 Forschungsprojekte bewilligt und mit eigenen sowie erheblichen Drittmitteln durchgeführt. Die Broschüre «Forschung MGU» auf der Webseite MGU gibt Rechenschaft über die Projekte 1994-2002 sowie über das gesamte Forschungsprogramm.

Das Lehrprogramm
Auch wenn das Programm schon im ersten Betriebsjahr der Stiftung mit interfakultären Lehrveranstaltungen in der Universität präsent war, bestand das hohe Ziel darin, ein modular aufgebautes, interdisziplinäres Lehrangebot zu entwickeln, das von den Studierenden aller damaligen Studiengänge in der einen oder anderen Weise als Ergänzung zur disziplinären Grundausbildung gewählt werden konnte. Zunächst wurde dazu das Zertifikat MGU entwickelt, nach heutigen Maßstäben ein Nachdiplomkurs. In der Zeit zwischen 1994 und 2005 haben insgesamt mehr als 100 Studierende dieses Zertifikat MGU erworben. Maßgeblich für die weitere Entwicklung des Lehrprogramms war allerdings, dass es gelang, das modular konzipierte Lehrangebot den Möglichkeiten der einzelnen Studiengänge entsprechend als Wahloption curricular zu verankern. Die größte Bedeutung erzielte dabei das Nebenfach MGU im Rahmen der Philosophisch-Historischen Fakultät. Zu seinen besten Zeiten im Jahre 2003 waren nicht weniger als 150 Studierende der Philosophisch-Historischen Fakultät im Nebenfach MGU eingeschrieben. Aber auch Studierenden der Wirtschaftswissenschaften, der Naturwissenschaften, der Jurisprudenz und der Theologie folgten den vom Programm angebotenen Kursen resp. wählten die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten als kleines oder grosses Wahlfach.

Mit seiner modularen Struktur war das Lehrprogramm MGU eines der ersten, welches das Modulkonzept an der Universität Basel umzusetzen versuchte. Das Minimalpaket bestand dabei in einer Menge von vier aufeinander abgestimmten «Grundkursen» zu geistes- und sozialwissenschaftlichen, naturwissenschaftlichen, philosophisch-methodologischen Grundlagen sowie zur gesellschaftlichen Wahrnehmung von Umweltproblemen. Die ersten drei dieser Kurse bestehen im Rahmen des so genannten Transfakultären Querschnittprogramms noch immer! Auf diesem Grundpaket aufbauend folgten unterschiedliche Pakete von «Aufbaukursen» sowie von «Projektkursen». Während die Aufbaukurse in der Regel traditionelle Lehrveranstaltungen (Vorlesungen und Seminare) mit einem thematischen Fokus auf Mensch-Umwelt-Beziehungen waren (gruppiert in die Kategorien Umwelt, Wahrnehmung, Ethik, Entwicklung, Technik), wurde mit den Projektkursen eine zu seiner Zeit kaum an der Universität Basel präsente didaktische Form implementiert. Die Grundidee bestand darin, dass eine interdisziplinäre Studierendengruppe eine Studie zu einem aktuellen gesellschaftlichen Problem durchführen sollte, und dabei explizit auch Kontakt und Zusammenarbeit mit in den betreffenden Problemlösungsaktivitäten involvierten Akteuren suchen sollte. Im Rahmen dieser Projektkurse ist eine ganze Reihe von grauer Literatur über die entsprechenden Case-Studies entstanden, in Einzelfällen wie bei der Litteringstudie erzielten diese Berichte erhebliche Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Im Hinblick auf die Vermittlung von Fertigkeiten zur Arbeit in interdisziplinären Gruppen wurden einerseits so genannte Kompetenzkurse in Projektmanagement oder Kommunikation angeboten und andererseits die Tutorate in den Grundkursen auf Anforderungen in der interdisziplinären Kooperation ausgerichtet.

Dienstleistungsprogramm
Schliesslich ist noch das dritte Standbein der Tätigkeiten der Stiftung MGU, das Dienstleistungsprogramm für die eigene Forschungsstelle, die Universität und die gesamtschweizerischen Institutionen zu nennen. MGU baute eine eigene themenbezogene öffentlichen Bibliothek/Dokumentationsstelle mit Datenbanken auf – sie dient heute dem MSD. Die Stiftung betrieb eine intensive Medien- und Öffentlichkeitsarbeit zu ihrem Forschungs- und Lehrprogramm zusammen mit der Stelle für Öffentlichkeitsarbeit der Universität. Mit der regelmässigen öffentlichen MGU-Ringvorlesung und deren Publikationsreihe, mit der Reihe «Basler Denkanstösse» (realisiert zusammen mit der Novartis Stiftung für nachhaltige Entwicklung und der Basler Zeitung), sowie mit Ausstellungen und anderen Veranstaltungen erreichte MGU auch regelmässig Universitätsangehörige und eine interessierte breitere Öffentlichkeit.

Es kann hier nicht darum gehen, die Leistung von MGU in den Jahren 1992-2003 zu evaluieren. Das auf Initiative von Dozierenden, Assistierenden und Studierenden aus der Universität entstandene Projekt MGU wollte interdisziplinäre Lehre und Forschung zu Nachhaltigkeit in der Universität Basel vorantreiben und damit auch einen Beitrag zu einer nachhaltigen oder vielleicht besser zu einer tragfähigen Entwicklung in der Region leisten. Dies entsprach auch einer der vier Zielsetzungen im Leitbild der Universität Basel von 1993. Dies geschah unter anderem innerhalb des Forschungsprogramms durch die Herausbildung einer transdisziplinären Wissenschaftspraxis, bei der die wissenschaftsübergreifende Kooperation mit gesellschaftlichen Akteuren eine zentrale Rolle spielte. Dies geschah über ein Lehrangebot, das im Laufe der Jahre vielen Studierenden eine auf interdisziplinären Grundlagen basierende Beschäftigung mit der Thematik der Nachhaltigkeit erlaubte. Der Entwicklungsprozess des für eine Universität außergewöhnlichen Programms erfolgte mit dem Betreten von Neuland schrittweise, unter zunehmender Präzisierung der Kriterien für die Projekte und für die Lehre.

Institutionelle Innovation
Hier sind natürlich in erster Linie die Erfahrungen zu nennen, die mit der Führung eines fakultätsübergreifenden Programms innerhalb der Universität gemacht wurden. Dies wurde mehrfach öffentlich durch Rektoratsvertreter untermauert. Schon früh – im Jahre 2001 – wurde vor dem Hintergrund der bevorstehenden Bolognareform über die Anforderungen und Form eines interfakultären Masterprogramms zu Nachhaltigkeit nachgedacht – dessen Realisierung dann auf WS 2005/06 gelang. Die Evaluation von Lehrveranstaltungen und andere Qualitätssicherungsmassnahmen wurden schon früh praktiziert.

Es war ein ambitiöses Ziel, Projekte (auch in der Lehre) mit heterogenen Anspruchgruppen so zu planen, zu organisieren und gemeinsam durchzuführen, dass Lösungsbeiträge für gesellschaftliche Probleme generiert werden konnten. Dies geschah zudem in einem Umfeld, das dazu neigt, Innovation als Infragestellung bisheriger Strukturen zu verstehen, und das deshalb auf Neuerungen grundsätzlich mit großer Zurückhaltung reagiert.