Der Ordinarien Geburtstag
Am 21. August 1968 wurde der Historiker Edgar Bonjour 70. Ein grosses Fest war in den Räumen des Seminarhauses am Stapfelberg geplant. Und - nach alter Gepflogenheit - zuvor ein Fackelzug mit dem Jubilaren von dessen Wohnhaus zum Haus des akademischen Wirkens. Die Weltgeschichte machte dieses Vorhaben beinahe zunichte.
Denn am gleichen Tag marschierten in Prag die sowjetischen Panzer ein und bereiteten dem demokratischen Frühling ein brutales Ende. Vor Bonjours Haus kam es an diesem Abend unter den versammelten Studenten zu einer leidenschaftlichen Diskussion. Sollte man angesichts dieser tragischen Ereignisse nicht besser auf den Umzug und die Festlichkeiten verzichten? Die Mehrheit war aber doch für Aufrechterhaltung des Programms. Die unterlegene Minderheit marschierte trotzdem mit - aber mit nicht angezündeten Fackeln in der Hand. Zuvorderst Tambouren, in der Mitte der Professor im schwarzen Taxi. Oben am Spalenberg dann alle zu Fuss nach dem Rümelinsplatz und dem Stapfelberg. Auf dieser Strecke wurde der Umzug immer länger, mehrere Menschen hatten sich angeschlossen, weil sie meinten, es handle sich um eine Demonstration wegen Prag. Und vorne der strahlende Jubilar. An diesem Abend trug Heinrich Staehelin, späterer Kantonsschullehrer in Aarau, eine angriffige Schnitzelbangg vor.
Eine der Strophen lautete:
„Der Ruedi Dutschke, ai, ai, ai,
Dä bringt die junge Lyt uf d‘ Bai:
Die etablierte-n Arrivierte sin bedruggt.
Im Draum sehn sie sich schon verlosse
Und entaignet in der Gosse,
Und si flueche-n uf die Rueche wie verruggt.
Nur der Bonjour frogt ganz ahnigslos der Charlie: „Sägid Ihr -
I ghöre-n öppe vo däm Dutschke - isch‘s e Doktorand vo mir?“