Die Basler «Familienuniversität»
Die alteuropäischen Universitäten unterschieden sich in ihren sozialen Reproduktionsmechanismen kaum von ihrer gesellschaftlichen Umwelt. Auch hier regulierten Verwandtschaft, Patronage und Klientelbeziehungen weitgehend die Selbstergänzung. Man spricht daher auch von Familienuniversitäten, Netzwerkuniversitäten oder Landeskinderuniversitäten.
An der Universität Basel dominierte der Typus der „Familienuniversität“, ja die Basler Universität gilt innerhalb der mitteleuropäischen Universitätslandschaft als eines der eindrucksvollsten Beispiele für diese Form der sozialen Reproduktion. Familien wie die Amerbach, Bernoulli, Burckhardt, Buxtorf, Iselin, Merian oder Zwinger kontrollierten über Jahrhundert die Lehrstühle der Universität Basel.
Um Klientelismus, Vetternwirtschaft und Bestechung ein wenig zu reduzieren, wurde am Ende des 17. Jahrhunderts eine Reform des Berufungsverfahrens eingeleitet und 1688 das sogenannte Ballotageverfahren für alle Wahlverfahren in Basel eingeführt. Doch mit solchen Verfahren konnte der Übermacht der familiären Strukturen letztlich kaum entgegengewirkt werden, erst als man im 18. und vor allem 19. Jahrhundert zunehmend dazu überging, Professoren aus dem Ausland zu berufen, transformierte sich die Struktur der Familienuniversität hin zur Netzwerkuniversität bzw. Formen der Schulpatronage. Angesichts der geschilderten sozialen Versippung der Familienuniversitäten und des mit der sprichwörtlichen Erblichkeit der Professuren einhergehenden Nepotismus verwundert es wenig, dass diese während des 18. Jahrhunderts wiederholt zum Gegenstand der Universitätssatire wurden.
Zur Funktionalität von Familien- und Netzwerkuniversitäten
Die wissenschaftshistorische Bewertung der Familienuniversität war lange mit modernisierungstheoretischen Vorbehalten verknüpft, die bei der Kritik am akademischen Filz dessen zeitgenössische Funktionalität leicht übersah. Wenn auch wiederholt intellektuell zweitrangige Söhne ihren Vätern auf die Lehrstühle folgen konnten, so wurde doch gleichzeitig auch die Weitergabe von kulturellem Kapital, etwa in Form von Buchbesitz enorm erleichtert und die Kommunikation wissenschaftlicher Lehren und Ideen befördert. Ebenso sollte nicht vergessen werden, dass die familiären Formen der sozialen Reproduktion des Gelehrtenstandes in der Moderne lediglich von anderen Formen der Lehrer-Schüler-Beziehungen und der Schulbildung, Zugehörigkeit zu Assoziationen etc. abgelöst bzw. überformt wurden, ohne dass sich die Ausdifferenzierung eines nur noch an intellektueller Leistung orientierten Wissenschaftssystems wirklich abgeschlossen hat. Will man folglich die soziale Funktionsweise einer vormodernen Universität verstehen, gilt es die Strukturen der Familien- und Netzwerkuniversität ernst zu nehmen und zu kontextualisieren.