Die Geschichte der Philosophie an der Universität Basel

Philosophische Bildung wurde an der Universität Basel schon seit ihrer Gründung im Jahre 1460 vermittelt, allerdings hatte der Philosophieunterricht als Element der Lehre der Artistenfakultät für lange Zeit nur eine propädeutische Funktion.

Die Artistenfakultät bot die obligatorische Vorbereitung für ein Studium der Theologie, Medizin oder Jurisprudenz. Erst mit dem Universitätsgesetz von 1818 wurde die Philosophische Fakultät, welche die Geistes- und Naturwissenschaften versammelte, den andern Fakultäten ausdrücklich «co-ordiniert», nachdem die Bedeutung ihrer Disziplinen in den Jahrhunderten davor entscheidend gewachsen war. Auch nach dieser Verfügung behielt die Lehre der philosophischen Fakultät allerdings noch lange primär eine Vorbereitungs- und Ergänzungsrolle. Es wurden noch keine eigenen Berufsziele mit dem Hauptstudium an dieser Fakultät verbunden und die Fakultät sah ihre Aufgabe darin, allgemeinwissenschaftliche Bildung zu vermitteln. So blieben die Mehrzahl der Hörer zunächst Angehörige der anderen Fakultäten. Eine propädeutische Aufgabe behielten die Professoren der Fakultät auch dadurch, dass sie am Basler Pädagogium Gymnasialunterricht zu erteilen hatten.

1818: Der erste Lehrstuhl für «Theoretische und praktische Philosophie nebst Padägogik»
Das Universitätsgesetz von 1818 sah einen Lehrstuhl für «Theoretische und praktische Philosophie nebst Padägogik» vor. Die Besetzung des Lehrstuhls gelang aber erst nach mehr als einem Jahrzehnt. Ein erstes Berufungsvorhaben scheiterte 1823 am katholischen Bekenntnis des Kandidaten. In den folgenden Jahren wurden diverse Lektoren für Philosophie ernannt, nie betraute man sie jedoch mit dem Ordinariat. 1830 erhielt schliesslich doch ein Katholik den Lehrstuhl: Man berief den berühmten Ignaz Paul Vital Troxler. Troxler hatte einst bei Hegel und Schelling studiert und sollte später zu einem Vordenker des Schweizer Bundesstaates werden. In Basel blieb er allerdings nur bis 1831. Zwar wurde der populäre Troxler noch im Jahr seines Stellenantritts zum Rektor für das Folgejahr gewählt. In dieser Funktion wurde der liberale Denker jedoch bald beschuldigt, den Aufstand der Landschaft gegen die Stadt zu unterstützen. Die Spannungen spitzten sich derart zu, dass Troxler im Sommer aus der Stadt floh.

Auf Troxler folgte noch im gleichen Jahr Friedrich Fischer, zunächst als Lektor, bald als Extraordinarius, ab 1835 als ordentlicher Professor. Sein Nachfolger wurde 1854 Karl Steffensen, der rasch grosse Popularität erlangte. Bei der Suche nach philosophischen Lehrern achtete man sorgfältig auf die von ihnen vertretene Richtung und war insbesondere darauf bedacht, Gelehrte zu verpflichten, welche auch dem grossen Anteil theologischer Hörer behagen konnten.

Die Zeit der jungen Professoren
Unabhängig vom damals unbesetzten gesetzlichen Lehrstuhl für Philosophie lehrte ab 1822 der Rektor des Basler Gymnasiums Rudolf Hanhart während einiger Jahre als Extraordinarius für Philosophie und Pädagogik. Vor allem angehende und amtierende Lehrer besuchten seinen pädagogischen Unterricht. Einige Jahrzehnte später, 1866, wurde dann ein zweiter, nicht gesetzlicher Lehrstuhl für Philosophie eingerichtet, an dem schwerpunktmässig Logik, Psychologie und Pädagogik unterrichtet werden sollte. Hier lehrte ab 1867 Wilhelm Dilthey. Wie Friedrich Nietzsche, der einige Jahre später eine Professur für klassische Philologie in Basel erhielt, war auch Dilthey verhältnismässig jung, als er seine Stelle in Basel antrat. Die Verpflichtung vieler junger Gelehrter in dieser Zeit hing damit zusammen, dass die Universität in argen finanziellen Nöten war und daher trotz der Doppelbelastung von Universitäts- und Gymnasialunterricht nur geringe Löhne bieten konnte. Um gleichwohl herausragende Persönlichkeiten für die Universität gewinnen zu können, bemühte man sich daher oft um viel versprechende junge Fachvertreter und nahm als Preis für die hohe Begabung derselben hin, dass ein dauerhafter Verbleib der aufstrebenden Wissenschaftler in Basel unwahrscheinlich war.

In der Tat kam es auf dem zweiten Lehrstuhl in diesen Jahren zu einer sehr raschen Folge mehrerer junger Gelehrter. Dilthey verliess Basel bereits 1868, auf ihn folgten bis 1875 Gustav Teichmüller, Rudolf Eucken - später Nobelpreisträger für Literatur -, Max Heinze und Hermann Siebeck. Siebeck blieb dann immerhin acht Jahre und konnte 1879 nach Steffensens Rücktritt auf den gesetzlichen Lehrstuhl für Philosophie wechseln.

Der zweite Lehrstuhl für «Pädagogik und allgemeine philosophische Disziplinen»
Der Lehrauftrag der nicht gesetzlichen Professur wurde in der Folge nur noch von einem Extraordinarius erteilt. Ihm oblag wie seinen Vorgängern seit der Gründung des Pädagogischen Seminars 1873 auch dessen Leitung. Als 1816 der langjährige Professor Friedrich Heman von seinem Amt zurücktrat, äusserte die Basler Lehrerschaft im Zuge der damaligen Revision des Schulgesetzes den Bedarf nach einem zweiten gesetzlichen Lehrstuhl. Er sollte künftig die Pädagogik vertreten. Tatsächlich konnte die Regierung dafür gewonnen werden, eine entsprechende Professur einzurichten. Nach Beratung mit der philosophischen Fakultät sah man allerdings vor, den Lehrstuhl nicht gänzlich auf Pädagogik zu beschränken. Dennoch behielt sie das Hauptgewicht. 1917 beschloss der Grosse Rat die Errichtung eines Ordinariats für «Pädagogik und allgemein philosophische Disziplinen». Von den Inhabern des zweiten Lehrstuhls wurde in der Folge gemäss der damals üblichen Kombination neben Pädagogik auch ein psychologischer Schwerpunkt wahrgenommen.

Die Gründung des Philosophischen Seminars
Nach längeren Berufungswirren trat 1920 Otto Braun das neue Amt an. Im selben Jahr wurde das Philosophische Seminar gegründet. Seinen ersten Sitz bekam es an der Augustinergasse 8. 1922 verstarb Braun und Paul Häberlin wurde als Nachfolger bestimmt. Er trat neben seinen einstigen Lehrer Karl Joel, der schon seit 1902 den ersten Lehrstuhl für Philosophie innehatte. Mit Joel und Häberlin setzte mehr Kontinuität in der philosophischen Lehre ein. Die beiden Ordinarii blieben wie die meisten folgenden Lehrstuhlinhaber bis zu ihrer Emeritierung am Philosophischen Seminar. Auf Joel folgte 1931 Herman Schmalenbach, auf Häberlin 1948 der berühmte Existenzphilosoph Karl Jaspers. Sein Lehrauftrag beinhaltete die Pädagogik nicht mehr.

Nach Schmalenbachs Emeritierung wurde 1950 neben Jaspers ein weiterer Vertreter eines - allerdings sehr anders gelagerten - existenzphilosophischen Ansatzes Inhaber des ersten Lehrstuhls: Heinrich Barth, Bruder des berühmten Basler Theologen Karl Barth. Heinrich Barth hatte schon seit 1920 in Basel gelehrt, seit 1942 mit persönlichem Ordinariat. 1951 wurde die psychologische Lehre durch ein neues Extraordinariat erweitert, in welches der zuvor als Privatdozent lehrende Hans Kunz befördert wurde. 1966 erhielt Kunz schliesslich ein persönliches Ordinariat, das er bis 1974 wahrnahm. Nach seinem Rücktritt erhielt die Psychologie ein eigenes Institut.

1961 trat Hansjörg Salmony die Nachfolge von Heinrich Barth an. Auch er hatte zuvor bereits als Privatdozent in Basel gelehrt. Drei Jahres später folgte Kurt Rossmann auf Jaspers. Im selben Jahr wurde Arnold Künzli die venia docendi erteilt. Ab 1971 lehrte er als Extraordinarius für Politische Philosophie und füllte an der Basler Universität die Lücke, die das Fehlen politologischer Professuren bedeutete - stets bereit, seine kritische Stimme auch in tagespolitische Diskussionen einzubringen. Bereits 1968 zog das Philosophische Seminar von der Augustinergasse ins «Schöne Haus» am Nadelberg 6-8, wo es noch heute in tatsächlich schöner Atmosphäre untergebracht ist. Nach Rossmanns Rücktritt wurde 1981 erstmals eine Frau ans Seminar berufen: Annemarie Pieper, die sich gegen 71 männliche Bewerber und eine Mitbewerberin durchzusetzen hatte, war zeitweilig die einzige Ordinaria an der Universität Basel. Auch in der akademischen Philosophie des gesamten deutschen Sprachraums war ihr Geschlecht bedenklicherweise für lange Zeit eine grosse Ausnahmeerscheinung.

Auf Künzli folgte 1987 der heutige Münchner Philosoph Henning Ottmann, der bis 1995 Politische Philosophie in Basel lehrte; 1991 erfolgte die Umwandlung des Extraordinariats in eine ordentliche Professur. Neben Pieper und Ottmann trat ebenfalls 1991 Emil Angehrn als Nachfolger Salmonys. Nach Ottmanns Weggang beschloss man, die Politische Philosophie künftig in die Lehre der beiden andern Professuren zu integrieren und das dritte Ordinariat für Theoretische Philosophie vorzusehen. Mit diesem Schwerpunkt wurde 1997 Dominik Perler betraut. Neben den drei Ordinarien lehrte bereits seit 1993 Anton Hügli als Extraordinarius mit pädagogischem Schwerpunkt. 2001 wurde Pieper durch Angelika Krebs ersetzt, und nach Perlers Weggang an die Humboldt-Universität Berlin wurde 2005 Sebastian Rödl berufen. So werden die ordentlichen Professuren heute von Emil Angehrn (Geschichte der Philosophie), Angelika Krebs (Praktische Philosophie) und Sebastian Rödl (Theoretische Philosophie) bekleidet. Anton Hügli wurde 2005 emeritiert; der Schwerpunkt Pädagogik wird seit 2008 durch die neu eingerichtete Professur im Forschungs- und Studienzentrum für Pädagogik vertreten. Seit 2006 läuft (in Nachfolge des früheren Programms «Mensch, Gesellschaft, Umwelt») das Programm «Nachhaltigkeitsforschung», dem Paul Burger vorsteht.

Existenzielle Verfassung des Menschen in methodischer Vielfalt
Versucht man im Rückblick auf die Geschichte der Philosophie an der Universität Basel ein besonderes Kennzeichen derselben zu bestimmen, so tritt als vielleicht markanteste Tendenz die Bemühung um eine Philosophie hervor, welche in methodischer Vielfalt die existenzielle Verfassung des Menschen ins Zentrum stellt und für einen Lebensbezug philosophischen Denkens eintritt. Dieses Anliegen vereinigt so unterschiedliche Gelehrte wie Dilthey, Nietzsche, Joel, Häberlin, Jaspers, Künzli, Pieper und viele andere einstige Basler Lehrer der Philosophie. So entspricht es bester Basler Philosophietradition, dass das neueste Grossprojekt des Seminars, ein lehrstuhlübergreifendes Graduiertenprogramm (ProDoc) des Schweizerischen Nationalfonds, unter dem Titel «Menschliches Leben» steht.