Karl Jaspers (1883-1969)
Karl Theodor Jaspers, geboren am 23. Februar 1883, war der Sohn eines Oldenburger Bankiers und Politikers. Jaspers studierte ab 1901 in Heidelberg, bald darauf in München. Zu Beginn seines Studiums wurde eine Lungenkrankheit festgestellt, die ihn zeitlebens zwang, seine tägliche Arbeit einzuschränken. So konnte er bereits als Student nur eine Auswahl des Pflichtpensums bestreiten. Als Fach wählte er zunächst wie der Vater die Jurisprudenz, daneben erhielt er in München Graphologieunterricht von Ludwig Klages. Schon nach einem Jahr entschied er sich zum Wechsel zur Medizin. Als Ziel hatte er dabei Psychiatrie und Psychologie im Auge. Das Medizinstudium absolvierte er in Berlin, Göttingen und Heidelberg, 1908 erfolgte die Promotion. Ab 1909 war er dann als Volontärassistent an der Heidelberger Psychiatrischen Klinik tätig.
Ein Universitätsstudium der Philosophie absolvierte Jaspers nie. Zwar war er schon früh an Philosophie interessiert und sah sich auch bei seinem Studium der Medizin von diesem Interesse geleitet. Er hielt sich aber einerseits für zu wenig begabt, um eine Philosophenlaufbahn einzuschlagen. Nicht zuletzt unter dem Eindruck von Sinnkrisen angesichts seiner Krankheit las er aber schon früh philosophische Werke. Ab 1910 näherte er sich dann unter anderem durch persönliche Begegnungen mit Philosophen wie Lask, Rickert, Husserl, Geiger, Scheler, Simmel, Bloch und Lukacs der Philosophie mehr und mehr. Den wahren Philosophen und damit auch sein Vorbild fand er aber nicht in diesen Männern, sondern in Max Weber, den er 1909 kennen lernte und der in den Folgejahren Jaspers’ Weg auch als Gutachter sowie später als ermutigender Kollege begleitete.
1913 erschien die Habilitation Allgemeine Psychopathologie, die ausserordentliche Beachtung fand und bis heute als Gründungsschrift der Psychopathologie als Wissenschaft gilt. Die Habilitation erfolgte nicht an der medizinischen, sondern an der philosophischen Fakultät Heidelbergs. Jaspers konnte daraufhin an dieser Fakultät als Privatdozent und ab 1916 als Extraordinarius Psychologie lehren. In seiner Antrittsvorlesung plädierte er noch für eine klare Trennung von Psychologie und Philosophie, doch in seiner Arbeit drang er zunehmend auf philosophisches Terrain vor. 1920 wurde Jaspers gegen den Willen des berühmten Ordinarius Heinrich Rickert Extraordinarius für Philosophie, 1921 verlieh man ihm dann, um die Annahme von Berufungen aus Greifswald und Kiel zu verhindern, ein persönliches Ordinariat. 1922 trat er, wieder gegen Rickerts Willen, die Nachfolge Heinrich Maiers als Ordinarius für Philosophie an. In dieser Zeit befreundete sich Jaspers mit Martin Heidegger. Sie entdeckten die Nähe ihrer Anliegen und pflegten auf dieser Basis einen kritischen Austausch.
Eine entscheidende Wendung auf Jaspers Weg brachten die politischen Verhältnisse ab 1933. Sie hatten nicht nur den Bruch mit Heidegger zur Folge, sondern brachten dem Nationalsozialismuskritischen Ehemann einer jüdischen Frau zunächst den Ausschluss aus der Universitätsverwaltung, dann die Entlassung und schliesslich auch ein Publikationsverbot. Bemühungen von verschiedener Seite, Jaspers einen Ruf aus dem Ausland zu verschaffen, scheiterten, einer Einladung in das politisch ebenfalls nicht sichere Frankreich folgte Jaspers 1939 nicht. 1941 wurde Jaspers dann zu Gastvorlesungen nach Basel eingeladen. Die Ausreise wurde ihm hierfür schliesslich gewährt, nicht aber seiner Frau. Unter diesen Umständen entschied sich Jaspers, Deutschland nicht zu verlassen.
Das Ehepaar, das für den Fall einer Verhaftung der Frau den Suizid vorsah, überlebte den Krieg, die Frau gelegentlich versteckt. Jaspers beteiligte sich daraufhin massgeblich an der Wiedereröffnung der Universität in Heidelberg. 1946 lehnte Jaspers eine Einladung zu Gastvorlesungen in Basel ab, 1947 folgte er jedoch der nochmaligen Anfrage aus Basel. Die Einladung erfolgte im Zusammenhang mit der Suche nach der Nachfolge Paul Häberlins. Heidelberg versuchte Jaspers mit dem Angebot höchst grosszügiger Bedingungen zu halten und auch die Studierenden bemühten sich mit einer Bittschrift um sein Bleiben. Jaspers entschied sich aber schliesslich für den Wechsel nach Basel. Entscheidende Motive waren der Wille, der Ehefrau eine Fortführung des Lebens im Land, von dem die Judenvernichtung ausging, nicht zuzumuten, und das Bedürfnis, endlich die Umstände zu finden, die eine volle Konzentration auf Philosophie ermöglichten.
Die Professur in Basel trat Jaspers auf der Höhe seines Ruhms 1948 an. Er erhielt einen Lehrauftrag für Philosophie einschliesslich Psychologie und Soziologie. Neben der Lehrtätigkeit entstanden in Basel viele Publikationen zu diversen Themen. Er erhielt in dieser Zeit auch viele Ehrungen. So folgten dem 1946 verliehenen Ehrendoktortitel der Universität Lausanne in diesen Jahren Ehrendoktorwürden von den Universitäten Heidelberg, Paris und Genf (nach der Emeritierung noch durch einen medizinischen Ehrendoktor in Basel ergänzt). Auch der Friedenspreis des deutschen Buchhandels wurde Jaspers 1958 verliehen. 1961 erfolgte die Emeritierung. Auch danach folgten noch mehrere Publikationen und weitere Ehrungen. 1965 verschlechterte sich Jaspers’ Gesundheitszustand allerdings, was auch die Arbeit zunehmend erschwerte. Jaspers blieb bis zu seinem Tod in Basel. 1967 erhielt er das Basler Bürgerrecht. Er starb am 26. Februar 1969.
Zentrum und Rahmen von Jaspers’ Denken bildet der Entwurf einer eigenständigen Existenzphilosophie. Auf ihre Ausarbeitung führte der Weg von seiner geisteswissenschaftlich orientierten «verstehenden Psychologie» zur Philosophie. Als Orientierung am Menschen und seiner Fraglichkeit für sich selbst kennzeichnet eine existenzphilosophische Haltung aber Jaspers’ Denken von Beginn an. Die Existenzphilosophie von Jaspers begreift den Menschen als nicht festgelegtes, auf Transzendenz hin geöffnetes Selbstsein in der Welt. In ihrer Unbestimmtheit kann menschliche Existenz nicht empirisch bestimmt, sondern nur in ihren Strukturen aufgehellt werden. Die Philosophie kann dazu dienen, die strukturelle Verfasstheit der Existenz zu erkennen und im je eigenen Selbstsein verantwortlich zu ergreifen.
Jaspers veröffentlichte im Laufe der Jahre zu vielen Gebieten der Philosophie Beiträge. Neben den psychologischen und im engeren Sinne existenzphilosophischen Schriften entstandene viele philosophiegeschichtliche Werke. Besonders berühmt ist die späte Schrift «Die grossen Philosophen». Sie ist Teil des unvollendet gebliebenen Grossprojekts einer Weltgeschichte der Philosophie, zu welchem Jaspers 1937 den Plan fasste. Ein wirkmächtiges Moment von Jaspers’ Geschichtsbetrachtung ist die Berücksichtigung auch der nicht-griechischen Philosophie. Im Rahmen des philosophiegeschichtlichen Grossprojekts entwickelte Jaspers auch seinen geschichtsphilosophischen Ansatz. Die Geschichtsphilosophie war wie die Religionsphilosophie eine Thematik, die in der Basler Zeit eine vertiefte Bearbeitung durch Jaspers erfuhr. Als letzter wichtiger Teil des Werks sind die politischen Schriften zu nennen. Sie entstanden in Auseinandersetzung mit den drängenden Fragen der Nachkriegszeit. Auch das Ringen um Antworten auf die politischen Herausforderungen der eigenen Zeit bringt Jaspers Verortung der Philosophie in der Aufgabe menschlicher Existenz zum Ausdruck.