Hans Kunz (1904-1982)

Hans Kunz wurde am 24. Mai 1904 in Trimbach geboren, seine Familie zog aber bereits 1910 nach Basel, wo Kunz in Kleinbasel aufwuchs. Nach dem Besuch der Mittelschule studierte er zunächst in Basel und Heidelberg Jurisprudenz, gab dieses Studium jedoch 1927, bestärkt in diesem Entscheid durch die Vorlesungen von Karl Jaspers, auf, um sich wie einst Jaspers fortan Philosophie, Psychologie und Psychiatrie zu widmen. Neben der Begegnung mit Jaspers wirkte 1927 vor allem die begeisterte Lektüre von Heideggers Jahrhundertwerk Sein und Zeit auf den Studenten, das in jenem Jahr erstmals erschien. Jaspers und Heidegger blieben für den Werdegang von Hans Kunz von zentraler Bedeutung, obgleich die spätere Entwicklung der beiden Denker Kunz missfiel.

Zurück in Basel strebte Hans Kunz eine Promotion an. Als Doktorvater kam hier lediglich Paul Häberlin in Betracht, obwohl Häberlins metaphysisches Denken dem phänomenologisch bei der Erfahrung ansetzenden Kunz nicht entsprach. Die Spannung von Doktorvater und Doktorand schlug sich darin nieder, dass Kunz erst für die dritte eingegebene Schrift promoviert wurde, während zwei frühere Arbeiten nicht zum Doktorat führten, weil Häberlin von Kunz substantielle Änderungen forderte, die Kunz nicht zu unternehmen bereit war. Dennoch blieb Kunz auch nach der Promotion 1939 in Häberlins Umkreis: Er arbeitete mehrere Jahre an dem von Häberlin geleiteten anthropologischen Institut der Stiftung Lucerna, bevor er 1946 wiederum in Basel habilitierte und seine akademische Lehrtätigkeit aufnahm. Neben der Lehrtätigkeit gründete Kunz bereits 1947 gemeinsam mit Alexander Mitscherlich und Felix Schottlaender die Zeitschrift Psyche. Im gleichen Jahr nahm er die Arbeit als Redaktor der deutschsprachigen Ausgabe der studia philosophica auf, die er bis 1975 wahrnahm.

Hans Kunz lehrte bis 1973 in verschiedenen Stellungen in Basel: 1949 erhielt er in Basel einen Lehrauftrag, 1951 wurde er mit einer ausserordentlichen Professur für Psychologie betraut, 1966 erfolgte schliesslich die Ernennung zum Ordinarius ad personam. Dass Kunz der Basler Universität bis zur Emeritierung erhalten blieb, war keineswegs selbstverständlich: Schon 1957, viele Jahre vor der Beförderung zum Ordinarius in Basel, erwirkten Hans-Georg Gadamer und Karl Löwith einen Ruf an die Universität Heidelberg, den Kunz jedoch ablehnte. Kunz war der letzte Professor mit psychologischem Schwerpunkt am Philosophischen Seminar. Nach seiner Emeritierung erhielt die Psychologie ein eigenes Institut.

Schon mit seinen frühen psychologischen Schriften verschaffte sich Kunz bei vielen psychologischen und psychiatrischen Fachvertretern wie Ludwig Binswanger einen Namen. Seine philo-sophischen Schriften weiteten seinen guten Ruf aus. Der zweibändigen Habilitationsschrift Die anthropologische Bedeutung der Phantasie, das berühmteste Werk von Kunz, war besonderer Erfolg beschieden. So urteilte Heidegger, die Schrift gehöre «in die Werkstatt jedes künftigen Philosophen». Wie in anderen Schriften, so suchte auch Kunz einen phänomenologischen Zugang zum Untersuchungsgegenstand, der die unvoreingenommene Betrachtung nicht durch methodologische Reduktionen verengt. Das Ziel des Phantasiewerks war es, am Leitfaden eines bestimmten, psychologisch fassbaren Phänomens Sinn und Möglichkeit einer philosophischen Anthropologie aufzuhellen. In der Phantasie erkannte Kunz eine dieser zugrunde liegende Abständigkeit von der Welt, welche menschliche Existenz in ihrem Kern kennzeichnet. Die Situation, in der Welt unhintergehbar von dieser unterschieden zu sein, begriff Kunz als das Los menschlicher Vernunftbegabung. Konstitutives Merkmal dieser Begabung ist nach Kunz das Wissen um den eigenen Tod. Die kalte Präsenz des eigenen Todes ist der Brutkasten unserer Phantasien.

Dissertation und Habilitation blieben die einzigen umfangreicheren Veröffentlichungen von Kunz. Er veröffentlichte jedoch ausserordentlich viele kleinere Schriften, zum einen diverse Aufsätze in wissenschaftlichen Zeitschriften und Sammelbänden, zum andern ungefähr 800 Rezensionen in der Neuen Zürcher Zeitung. Ein Thema, mit dem sich Kunz in mehreren Beiträgen in kritischer und innovativer Weise auseinandersetzte, war die Psychoanalyse. Freuds Erkenntnis der Bedeutung des Unbewussten für menschliches Erleben und Verhalten galt Kunz als Meilenstein in der Erforschung des Menschen. Die von Freud entwickelte Triebtheorie lehnte er hingegen ab. Das kritische Interesse an der Psychoanalyse schied Kunz von den Existenzphilosophen Heidegger und Jaspers, die ihm in frühen Jahren entscheidendste Anstösse gegeben hatten.

Neben seiner intensiven akademischen und journalistischen Tätigkeit war Kunz immer darauf bedacht, für eine Leidenschaft Raum zu finden, die er seit Kindesbeinen im Herzen trug und ihm im Lauf des Lebens weitere Erfolge brachte: die Botanik. Auf seinen Entdeckungsreisen im In- und Ausland konnte er verschiedene neue Erkenntnisse über die europäische Fauna erwerben. Elf Arten, Unterarten und Varietäten derselben sind heute nach ihm benannt, so etwa der «Ranunculus Kunzii».
Hans Kunz starb am 27. April 1982 in Basel.