Die Freiwillige Akademische Gesellschaft (FAG)
Die «Freiwillige Akademische Gesellschaft» (FAG) wurde am 17. September 1835, zur Rettung der Universität geschaffen. Tatkräftige Unterstützung war vor allem darum nötig, weil die Kantonstrennung von 1833 die Stadt als Trägerin der Universität in ihren Möglichkeiten stark eingeschränkt hatte. Ihr Hauptzweck war und ist die materielle Förderung der Universität durch Beiträge an bauliche Einrichtungen, an Ausstattungen von Instituten, für den Ausbau der Museumssammlungen und der Universitätsbibliothek, für Forschungsprojekte, wissenschaftliche Publikationen und für Dozentenbesoldungen.
Neben dem konkreten Hauptzweck gab es von Anfang an einen anderen, weniger fassbaren Zweck, der dann auch in den Statuten vom 17. September 1835 zuerst genannt wurde: nämlich das Ziel «wissenschaftliche Bildung im Allgemeinen zu fördern». Monate vor der Kantonsteilung, auf die mit der Gründung der FAG reagiert wurde, wurde am 5. März 1833 diese Zielsetzung in einem ersten Dokument festgehalten. Von Rettung zu reden, bestand zu diesem Zeitpunkt noch kein Anlass. So wurde als Zielsetzung genannt, «unserem Publikum ein grösseres Interesse für Wissenschaft überhaupt einzuflössen und in demselben eine lebendige Teilnahme an dem Wohl unserer Bildungsanstalten anzuregen». Darum auch die Absicht, mit «belehrender Einwirkung» und mit «populären Vorträgen» tätig zu werden. Diese Zielsetzung zeugt von der wachsenden Bedeutung - und Bedeutungszuschreibung - der Wissenschaft durch das Bildungsbürgertum, wie sie in den 1830er Jahren offenbar auch in Basel, und zwar unabhängig von der Problematik der Kantonstrennung, wirksam war. Entsprechend wurden mit der ersten finanziellen Zuwendung der neuen Gesellschaft vom September 1835 zwei öffentliche Vortragszyklen finanziert. Auch das 1874 eingeweihte und weitestgehend von der FAG finanzierte Bernoullianum, ein universitäres Haus für die Naturwissenschaften, erhielt im Zentrum einen grossen Hörsaal mit 450 Plätzen für öffentliche Vorträge. Der zuvor für naturwissenschaftliche Vorträge genutzte Raum im Erdgeschoss des Augustinermuseums war zu klein geworden und zudem ungeeignet für die naturwissenschaftlichen Demonstrationen.
Der Vereinsgedanke
Der Initiative lag auch der seit den 1820er Jahren wichtiger gewordene Vereinsgedanke zu Grunde. Es ging darum, «durch diese Vereinigung eine Kraft zu gewinnen, deren vereinzelte Elemente bisher fast wirkungslos sich verloren» (erster Aufruf vom 5. März 1833). Auch später sollte die Vorstellung wegleitend sein, dass die Unterstützung durch regierungsunabhängige Privatvereine ein wesentliches Element moderner Gesellschaften ist. Im Jahresbericht der FAG für 1860 wird festgehalten: «Man hat im Geiste unserer Zeit einen neuen Boden für solche Bestrebungen in der freien Vereinigung Gleichgesinnter erkannt. Sehen wir gewaltige Gesellschaften für materielle Interessen oder tief in die Volksmassen eingreifende für religiös-kirchliche Zwecke, warum sollte nicht auch ein Gleiches der Fall sein für die wissenschaftlichen Bestrebungen?» Von einer 1866 gebildeten Kerngruppe hiess es bezeichnenderweise etwas übertrieben, aber den Gemeinnützigkeitsanspruch verdeutlichend, sie sei «gemischt aus allen Altern, Ständen, Berufen und Ansichten, wie sie Basel damals in sich schloss» zusammengesetzt gewesen. Das kleine Festspiel von 1885 nahm diesen Topos ebenfalls auf, wenn es in den Schlussversen verkündete: «Nicht eine Hand allein, die Hände / Vereinigten sich aller Stände / Um das zu stützen, zu erhalten, / Was so von Jungen wie von Alten / Gleich hochgehalten ward - fürwahr, / Das frohe heute, jubelklar / Giebt uns hiezu den Commentar!» (Zum 26. November 1885 v. Paul Reber). Die Festschrift von 1885 hielt fest, dass die «Idee der Association und der Vereinigung Vieler zur Erreichung grosser, gemeinsamer Ziele» in den vergangenen Jahrzehnten zum Allgemeingut geworden sei. Die Privatheit des neuen Gebildes hatte ihren zusätzlichen Sinn durch die schmerzliche Tatsache, dass das Universitätsgut aus der Sicht der Zeitgenossen zu Unrecht in die Teilung des Staatsvermögens einbezogen worden war und man davon ausgehen konnte, dass eine FAG solchen politischen Risiken eben nicht ausgesetzt sei.
Der Beschluss des Grossen Rates vom 9. April 1835, die Universität trotz der wegen der Kantonstrennung eingetretenen Krise der Staatsfinanzen weiterzuführen, ermunterte die Initianten der künftigen FAG dazu, «durch freiwillige Mitwirkung wohldenkender Bürger» die Behörden zu unterstützen. Der Kern der Gruppe setzte sich zusammen aus den drei Ratsherren Andreas Heusler, Peter Merian und Christoph Burckhardt, wobei die ersten beiden Professoren an der Universität waren, sowie Gymnasialrektor D. LaRoche. Ein weiteres wichtiges Gründungsmitglied war der Theologieprofessor Wilhelm Martin de Wette, der schon dreimal Rektor (1823, 1829, 1834) und 1829-1837 Mitglied des einflussreichen Erziehungsrats war.
Nun stand die Trennungsproblematik im Zentrum der Argumentation: Der Gründungsaufruf vom 20. April 1838 sprach jetzt davon, die Universität möge «die zerstörenden Stürme überleben, welche unser gemeines Wesen so tief erschüttert und ihm so manche Wunde beigebracht haben». Es ging um Kompensation des materiellen Verlusts durch zusätzliche Geistigkeit. Darum wurde die Erwartung ausgesprochen, «dass Basel gerade im gegenwärtigen Augenblicke durch Entwicklung geistiger Regsamkeit und Kraft sich bestreben müsse, das zu ersetzen, was ihm an Gebietsumfang und materiellen Mitteln entrissen worden».
Am 17. September 1835 kam es zur definitiven Konstituierung der Gesellschaft. Zum Vorsteher wurde Andreas Heusler-Ryhner ernannt, der in der Literatur treffend als der ureigentliche Initiant dieser Schöpfung bezeichnet wird. Er hatte während 33 Jahren (bis zu seinem Tod 1868) mit grossem Engagement das Amt des Vorstehers inne. Im Gründungsjahr waren 96 Mitgliedschaften zu verzeichnen. Die Gesellschaft war insofern kein Verein, als sie keinen geselligen Vereinsbetrieb unterhielt. Dieser beschränkte sich auf die eher schwach besuchten Jahresversammlungen.
Bis 1854 blieb die Zahl etwa auf dieser Höhe. Aus nicht feststellbaren Gründen erlebte die Mitgliederzahl in den Jahren 1864/65 einen markanten Sprung von 169 auf 595 Mitglieder. 1866 versuchte man erfolglos die Neuorganisation der Universität für die Werbung weiterer Mitglieder zu nutzen. Das absolute Maximum in den ersten 100 Jahren gab es im 50jährigen Jubeljahr von 1885 mit 839 Mitgliedern, eine weitere Spitze bildeten die Jahre um das Universitätsjubiläum von 1910 mit rund 670 Mitgliedschaften. Heute umfasst die FAG rund 1300 Mitglieder.
Materielle und politische Hilfe
Zu den ersten Zuwendungen gehörten, abgesehen von der Finanzierung der beiden erwähnten Vortragsreihen, Beiträge an einen Professorenlohn und Beiträge an Ankäufe für die Sammlungen. Ein Beispiel für das Engagement in der Salarierungsproblematik: 1849 garantierte die FAG Daniel Schenkel, Professor für Systematische Theologie, ein Ausfallshonorar im Falle einer Aufhebung der Universität (!) bis zu einer anderweitigen Anstellung.
Im ersten Jahresbericht hielt der Vorsteher fest: «So entstand unsere Gesellschaft. Sie verhehlte sich nicht, dass ihr erstes Wirken klein und bescheiden sein würde; aber sie hatte Glauben an die Zukunft, und dieser Glaube beruhte auf dem Vertrauen in den Gemeinsinn der Mitbürger, auf der Überzeugung, dass redliches Streben für die höheren menschlichen Güter auch des Segens von oben sich erfreuen werde.»
Mindestens so wichtig wie die materiellen Zuwendungen war die politische Unterstützung, die von der FAG ausging, insbesondere 1850/51, als über die Abschaffung der Universität diskutiert wurde, und in den Jahren 1854-1864, als das Projekt einer gesamtschweizerischen Universität den Status der Basler Universität gefährdete.
Die Universität und die Stadt verdanken der FAG zahlreiche grosse Bauten. Es sind dies: 1874 das bereits erwähnte Bernoullianum, 1880 die Pathologische Anstalt, 1885 das Vesalianum, 1896 die Universitätsbibliothek, 1901 die Erweiterung der pathologisch-anatomischen Anstalt, 1910 die Chemische Anstalt. Immerhin sei zum Projekt des Universitätsneubaus bemerkt, dass rund die Hälfte der Baukosten (400'000 der 817'450 Franken) von der FAG beigesteuert wurden und das Projekt von staatlicher Seite erst beschlossen wurde, nachdem diese private Hilfe zugesichert worden war. Die 400'000 Franken hätten aber nie aus dem Vermögen der FAG bezahlt werden können. Die Leistung der FAG bestand darin, dass sie zur Finanzierung dieses Projekts mehrere Gönner gewinnen konnte, allen voran die Gebrüder Adolf und Alfred Merian, die zur Erinnerung an ihren Bruder Prof. J.J. Merian 100'000 Franken stifteten. Mit der Sammlung kamen weitere rund 250'000 Franken zusammen, sodass «nur» noch etwa 50'000 Franken fehlten, die verteilt auf vier Jahre den laufenden Zuwendungen belastet wurden.
In der grossen Entwicklung kam es zu einer Verlagerung in den Zuwendungen: Dominierte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Unterstützung im Baubereich, wurde später die Unterstützung im Entlöhnungsbereich wichtiger. FAG-Vorsteher Heinrich Iselin-Weber kommentierte dies so: Der Staat habe sich mehr und mehr der Bauaufgabe annehmen können, weil es ihm möglich war, die nötigen Mittel über die Besteuerung der Kantonseinwohner zu verschaffen. Andererseits habe die stets weiter schreitende Ausdifferenzierung der Wissenschaft auch stets neue Lehrbereiche und Lehraufträge zur Folge gehabt, denen man Rechnung tragen musste.
Die Geschichte der Geschenke und letztwilligen Legate zeigt ein eindrückliches Bild der Basler Mäzenatentradition und ist in der Literatur im einzelnen nachzulesen. Speziell erwähnt seien noch zwei besondere Sammelaktionen: zum einen die zum Jubiläum von 1935 errichtete «Jubiläumsstiftung zur Förderung wissenschaftlicher Forschung auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften». Diese Aktion trug der paradoxen Tatsache Rechnung, dass der geisteswissenschaftliche Bereich wegen seiner geringen Bedürfnisse eher unzureichend gefördert wurde. 1943 wurde mit der gleichen Zweckbestimmung ein eigener Fonds geschaffen und mit einer Sammlung geäufnet. Zum anderen bildete 1960 die 500 Jahr-Feier der Universität einen weiteren Anlass für eine zusammen mit der Basler Handelskammer durchgeführte Sammelaktion. Im so geschaffenen «Fonds für Lehre und Forschung» kamen über 10 Mio. Franken (damaliger Wert) zusammen, wobei 6 Mio. Franken von den damals noch vier Basler Chemiefirmen stammten.
Ein repräsentatives Spektrum der Tätigkeit, über die auch die Jahresberichte eingehend Auskunft erteilen, gibt der Jubiläumsprospekt von 1985: Forschungsbeiträge an dermatologische, archäologische und psychiatrische Studien, Beiträge an ethnologische Forschungsreisen, Beiträge an apparative Einrichtungen der Hals-, Nasen-Ohren-Klinik, des Departements Chirurgie, des Mineralogisch-Petrographischen Instituts, Beiträge für Sammlungsankäufe des Museums für Völkerkunde, des Ägyptologischen Seminars, des Naturhistorischen Museums, sowie mehrere Publikationsbeiträge.
1985 bestand das Jubiläumsgeschenk der FAG darin, während zehn Jahren jedes Jahr eine im Fakultätsturnus zur Verfügung gestellte Gastprofessur für eine hervorragende auswärtige Persönlichkeit jeweils ein Semester lang zu finanzieren. Die Reihe begann im Sommer 1986 mit dem international bekannten Soziologen Ralf Dahrendorf. An der ordentlichen Mitgliederversammlung vom 18. September 1985, die ausserordentlicherweise im Grossratssaal abgehalten wurde, sprach als Festredner alt Regierungsrat und Erziehungsdirektor Arnold Schneider zum Thema «Die Universität Basel und die politischen Rahmenbedingungen in den Jahren 1955-1985». Im Jahre 2010 feierte die FAG ihr 175jähriges Bestehen und unterstützte die Universität in zahlreichen Projekten, etwa dem Basler Homer-Kommentar oder der Stiftungs-Assistenzprofessur für das SNF-Projekt «eikones».