Die Erweiterung der Lehrgebiete im 18. Jahrhundert

Seit 1537 beschränkte sich die Lehre an der Juristischen Fakultät offiziell auf das im «Corpus Iuris Civilis» kodifizierte römische Recht. Die Ausrichtung der Professuren auf Codex, Institutiones und Pandekten bedeutete insbesondere einen Verzicht auf das kanonische Recht, dem im Mittelalter eine zentrale Rolle zugefallen war. Im 17. Jahrhundert weitete sich das Feld der unterrichteten Fächer allerdings erneut. Erst spät wurde dieser Entwicklung durch eine Umformulierung der Lehraufträge Rechnung getragen.

Am 13. September 1706 beschloss die Juristische Fakultät formal, was sich faktisch schon ereignet hatte: eine Erweiterung ihrer Disziplinen. Dies geschah nicht über die Einrichtung neuer Professuren, sondern über die Ausweitung der bestehenden Lehraufträge. Dem Lehrstuhl für Pandekten wurde das kanonische Recht angegliedert, demjenigen für Codex das Lehensrecht und demjenigen für Institutiones das öffentliche Recht. 

Ausbau der Disziplinen bei Rückgang der Studenten
Die neuen Disziplinen nahmen einen Viertel der Unterrichtszeit ein. Seit 1706 wurden nun am Monag, Dienstag und Mittwoch Pandekten Codex und Institutiones gelehrt, während am Freitag zu denselben Zeiten Lektionen in kanonischem, Lehensrecht und öffentlichem Recht stattfanden. Zudem wurde der Lehrstuhl der Ethik mit dem Natur- und Völkerrecht beauftragt. Von all diesen Disziplinen stellte an der Basler Universität allein das Naturrecht eine eigentliche Neuheit dar, denn Kanonistik, Lehensrecht, öffentliches Recht und mit diesem auch Völkerrecht waren im 17. Jahrhundert bereits in die Lehre einbezogen und in zahlreichen Dissertationen behandelt worden.

Während die Lehre sich erweiterte, sank im 17. und 18. Jahrhundert die Frequenz der Studierenden und entsprechend gingen auch die Promotionen zurück. War noch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Zahl der Promotionen erheblich gewachsen - 1572 waren es vierzehn, 1588 neunundzwanzig und 1594 siebenundvierzig -, so erwarben im 18. Jahrhundert nur wenige Studenten einen Doktortitel. Der starke Zulauf versiegte seit Beginn des 17. Jahrhunderts vor allem deshalb, weil es für protestantische Studenten und hier insbesondere für solche aus Deutschland nach dem Abschwellen gegenreformatorischer Tendenzen erneut möglich wurde, die Universitäten Frankreichs und Italiens zu besuchen.  

Basel folgt dem Trend: Die Etablierung des Naturrechts
Das kanonische Recht war in Basel offiziell wieder eingeführt worden, ohne dass seine praktische Bedeutung - gerade in protestantischen Gebieten - seit der Reformation einen eigentlichen Aufschwung erlebt hätte. Die Einführung des Natur- und Völkerrechts entsprach hingegen einer Entwicklung, die sich seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in deutschen Gebieten beobachten lässt. Hier wurden an den meisten protestantischen Universitäten Lehrstühle oder zumindest Lehraufträge für das «ius naturae et gentium» eingerichtet. 

Während man dieses Fach im norddeutschen Raum an den juristischen Fakultäten etablierte, wurde es im Süden dem an der philosophischen Fakultät lehrenden Ethikprofessor übergeben. In Basel hatte diese Funktion Johannes Wettstein inne, der schon 1695 eine öffentliche Vorlesung zu Samuel Pufendorfs Werk «De officio hominis et civis, juxta legem naturalem» angekündigt hatte. Bei Wettstein sowie seinen Kollegen und Nachfolgern an der Juristischen Fakultät blieb hinter der Lehre, aber auch hinter praktischen Aufgaben wie der Gutachtertätigkeit die Publikationstätigkeit zurück. Diese Tendenz hielt sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Was an Veröffentlichungen erschien, zeigt auffallend häufig einen historischen Fokus.     

Das Interesse an der Historie
Seit 1659 verfügte die Wissenschaft von der Geschichte über einen eigenen Lehrstuhl an der Philosophischen Fakultät. Diese Professur, welche diejenige für die logischen Schriften des Aristoteles, für das «Organum Aristotelicum», ersetzte, wurde mitunter dadurch gerechtfertigt, dass historische Kenntnise als Voraussetzung für das Studium an höheren Fakultäten wie der Theologischen oder Juristischen erachtet wurden. 

Doch gehörte die Historie keineswegs nur dem Geschichtsprofessor, der sie den Juristen erzählte, sondern nicht weniger den Juristen selbst, die für ihre Werke oft einen historischen Zugang wählten. Im 17. Jahrhundert betrieben insbesondere die Rechtsprofessoren aus der Familie Faesch umfassende historische Studien. 

Auch im 18. Jahrhundert zeigt sich die Verbindung von juristischer und historischer Arbeit. Johann Rudolf von Waldkirch (1678-1757), der über öffentliches Recht und Völkerrecht publizierte, liess 1721 (zweite Auflage 1757) eine «Gründliche Einleitung zu der Eydgnossischen Bunds- und Staats-Historie» erscheinen. Ziel dieses Buches war es, ein «Jus Publicum Helveticum» herauszuarbeiten und damit für die Eidgenossenschaft zu unternehmen, was im deutschen Reich bereits verwirklicht war. 

Das Staatsrecht wurde im 18. Jahrhundert nicht bloss systematisch begriffen und dargelegt, sondern aus und in seiner Entwicklung erklärt. Staatsrecht und Geschichte zu trennen, lag deshalb fern. Der Zusammenhang von Geschichte und Jurisprudenz scheint so selbstverständlich gewesen zu sein, dass Juristen auch eine im engeren Sinn historische Tätigkeit entfalteten. So bestand etwa das Hauptwerk des Basler Juristen Johann Rudolf Iselin (1705-1779) in der Erstedition des Mittelbuchs des Aegidius Tschudi, das unter dem Titel «Chronicon helveticum» erschien. Iselin gab zudem die Briefe des Petrus von Vinea, des Kanzlers von Kaiser Friedrich II., neu heraus und hielt private Vorlesungen zur Rechtsgeschichte ab.

Leere Hörsäle
Seit der Helvetischen Revolution wurde die Juristische Fakultät kaum mehr frequentiert. Zwischen 1798 und 1815 schrieben sich bloss achtzehn Studenten ein. Darunter fanden sich viele Basler, die auswärts studierten und sich nur pro forma immatrikuliert hatten. Um 1810 gab es in Basel deshalb keine tatsächlichen Rechtsstudenten mehr, so dass nur noch vor angehenden Geschäftsleuten und allein über einheimisches Recht gelesen wurde. Zwar kamen 1813 wieder drei Studenten hinzu, doch konnte auch in den nächsten Jahren der einstellige Bereich nicht überschritten werden. Während die anderen Fakultäten an der Basler Universität zu Beginn des 19. Jahrhunderts einen Aufschwung erlebten, blieb die Jurisprudenz noch länger zurück.