Vom ‹Ein-Mann-Betrieb› zur Klinik. Geschichte der Kardiologie in Basel
Was vor etwa 45 Jahren mit einer ersten regulären Stelle für einen Kardiologen am damaligen Bürgerspital begann, hat sich über die Zeit zu einer eigenständigen Klinik mit gegen 80 Mitarbeitern, davon 30 Ärzten entwickelt. Die Kardiologie stellt 2008 die grösste Spezialklinik im Bereich der Inneren Medizin dar. Die personelle Entwicklung folgte einer ebenso rasanten Entwicklung in Abklärungs- und Behandlungsmethoden der Kardiologie, welche vor 40 Jahren noch vollständig unbekannt war.
Anfänge mit Stethoskop, EKG und «Kardiomobil»
Professor Walter Schweizer war der erste ‹richtige› Kardiologe am damaligen Bürgerspital. Seine diagnostischen Möglichkeiten beschränkten sich auf das Stethoskop, das EKG, die Phonokardiographie und den Belastungstest. Er führte die erste Herzüberwachungsstation in der Schweiz ein und war Vater des «Kardiomobils», eines Sanitätswagen bestückt mit Defibrillator und Assistenzarzt. Entsprechend war der wissenschaftliche Fokus auf die Behandlung des Herzinfarktes konzentriert, wobei die Patienten noch 3 bis 4 Wochen im Spital langsam mobilisiert wurden. In einer ersten Nationalfonds-Studie untersuchte der Oberarzt, Prof. Felix Burkart, die frühe Koronarographie (10 Tage nach Infarkt) und die frühe Mobilisation nach Herzinfarkt.
Unter Prof. Felix Burkart wurden primär die hämodynamischen Messungen in Ruhe und unter Belastung bei Herzfehlern ausgebaut und er führte auch die selektive Koronarographie in Basel ein. 1977 wurde er zum Chef der Kardiologie gewählt und zu diesem Zeitpunkt wurde auch die bisher selbständige Kardiologie der Medizinischen Poliklinik unter der Leitung von Prof. Dieter Burckhardt in die Gesamtkardiologie integriert. Dieter Burckhardt brachte zusammen mit Prof. Ferenc Follath die ersten Echokardiographie und dann die Doppler-Untersuchung des Herzens mit in die neue Kardiologie. Gleichzeitig entwickelte sich auch die Rhythmologie, es wurden nicht mehr nur 1-Kammer sondern erstmals auch 2-Kammer und dann frenquenzadaptierte Schrittmacher implantiert, in Basel bald vom Kardiologen allein ohne Unterstützung des Herzchirurgen.
Seit 1978 war auch Dr. M. Pfisterer als damals alleiniger Oberarzt zurück aus den USA und brachte die nuklear-kardiologischen Untersuchungen nach Basel, Untersuchungen, welche Basel über lange Jahre zum Referenzzentrum der nicht-invasiven Diagnostik machten.
Im Rahmen der Fusion der Kardiologie 1978 wurde auch der Hypertonie-Service unter Prof. Fritz Bühler in die Kardiologie integriert und damit ein experimentelles Forschungslabor. Aus dieser Zeit stammen viele hämodynamische Daten, welche die bahnbrechenden Erkenntnisse von Bühler und seinen Mitarbeitern auf dem Gebiet des Renin-Angiotensin-Systems bei der Hypertonie, die Behandlung mit Betablockern und später Kalzium-Antagonisten belegten und international etablierten. Prof. Bühler wurde dann später zum Chef des Departements Forschung gewählt und verliess so das engere Gebiet der Kardiologie, dem er aber bis zu seiner Emeritierung 2007 als Consultant verbunden blieb.
Entwicklungen der 1980er und 1990er Jahre – Ballonangioplastie, Herz-MRI-Untersuchungen und Elektrophysiologie
Die 80er und 90er Jahre sahen eine rasante Entwicklung auf dem Gebiet der interventionellen Kardiologie, wurden doch immer mehr und häufiger Patienten mit koronarer Herzkrankheit mittels koronarer Ballonangioplastie, später verbunden mit Stents behandelt. Dies geschah primär in Zusammenarbeit mit Prof. Hans Schmitt von der Radiologie, wurde nach seiner Emeritierung aber ganz von der Kardiologie unter der Leitung von Prof. Matthias Pfisterer übernommen. Weitere Neuerungen kamen durch junge Kollegen, die sich neue Methoden vornehmlich in den USA aneigneten und diese nach Basel zurückbrachten: die Herz-MRI-Untersuchungen durch Dr. Peter Buser und die Elektrophysiologie durch Dr. Stefan Osswald. Beide Kollegen habilitierten sich mit diesen Methoden an der Basler Fakultät.
Forschungsmässig stand zu dieser Zeit neben der Evaluation dieser neuen Methoden vor allem die BASIS-Studie im Vordergrund, eine Studie über die Wirkung von Antiarrhythmika bei Patienten nach Herzinfarkt, welche die erste multizentrische Basler Studie war, welche in prominenten internationalen Journals publiziert werden konnte.
Universitäre Ausdifferenzierung – Invasive Diagnostik, nicht-invasive Diagnostik und Elektrophysiologie
Nach dem vorzeitigen Tode von Prof. Burkart übernahm Prof. Matthias Pfisterer die Leitung der Abteilung für Kardiologie und wurde 1997 zu deren Chef gewählt. Mit dieser Wahl wurde die Kardiologie auch universitär aufgewertet und Prof. Pfisterer wurde Ordinarius der Kardiologie. Die Kardiologie bestand nun aus drei speziellen Bereichen: der invasiven Diagnostik und Klinik, geführt von Prof. Pfisterer, der nicht-invasiven Diagnostik und Ambulanz, geführt von Prof. Peter Buser (nach der Emeritierung von Prof. Dieter Burckhardt) und der Elektrophysiologie der Rhythmologie/ Elektrophysiologie geführt von Prof. Stefan Osswald. Alle drei Bereiche entwickelten sich enorm: die invasiv und interventionelle Kardiologie wurde zu einer Zentrumsleistung und Kerngebiet der universitären Kardiologie, sowohl was die Qualität der Interventionen als auch die wissenschaftlichen Leistungen angeht. Die nicht-invasive Kardiologie sah eine enorme Entwicklung der Echokardiographie bis hin zur 3-dimensionalen Rekonstruktion von Echobildern, die weite Anwendung des Herz-MRI und neu die Diagnostik mittels Herz-CT, gemeinsam mit dem Departement Radiologie. In der Elektrophysiologie kam zur Diagnostik auch die Therapie mittels Radiofrequenzablation, die Implantation von ICDs (internen Kardioverter-Defibrillatoren), der CRT-Behandlung von Patienten mit Herzinsuffizienz und in jüngster Zeit auch die Ablation von Vorhofflimmern. Alle diese hochspezialiserten Leistungen riefen nach mehr hochspezialisiert ausgebildeten Ärzten, weshalb neben dem Chefarzt und den zwei Leitenden Ärzten im Jahre 2008 auch 8 Oberärzte und 3 stellvertretende Oberärzte dazu kamen (5,5 dieser Stellen durch Drittmittel finanziert). Universitär wurden die Titularprofessoren Buser und Osswald zu Extraordinarien befördert, Osswald durch eine Stiftungsprofessur der neugegründeten Stiftung für kardiovaskuläre Forschung in Basel. In Anbetracht der steigenden Zahl von alten Patienten und vor allem von solchen mit Herzinsuffizienz wurde auch dieser Bereich zu einem eigenständigen Gebiet weiterentwickelt, geleitet von Prof. HP Brunner-La Rocca, und dies obwohl durch die personell schwierige Entwicklung auf der Herzchirurgie die Herztransplantation nach Bern abgegeben werden musste. Immerhin konnte eine Kooperation Bern-Basel gefunden werden, so dass die Basler Patienten weiterhin hier abgeklärt und nachbetreut werden. Alle diese neuen Leistungen wurden 2008 durch 16 Assistenten erbracht, 7 davon drittmittelfinanziert.
Kardiologische Forschung
In der Forschung gelang es der Kardiologie Basel trotz ungünstiger Rahmenbedingungen vielbeachtete Arbeiten in allen wichtigen internistischen kardiologischen Zeitschriften zu publizieren: New England Journal of Medicine, JAMA, Lancet, Circulation, JACC, European Heart Journal etc. Dies waren die multizentrische TIME-Studie (Trial of Invasive versus Medical therapy in Elderly patients with chronic angina), die BASKET-Studie (BAsel Stent KostenEffektivitäts Trial) und zuletzt die TIME-CHF-Studie (Trial of Intensified versus standard Medical therapy in the Elderly with Chronic Heart Failure), neben vielen anderen Studien in der Elektrophysiologie, im Imaging, in der Diagnostik und Therapie des Diabetes etc. Basel war auch immer wieder als aktives Zentrum beteiligt an internationalen Multizenter Studien. Damit hat die Basler Kardiologie einen hervorragenden Ruf in der klinischen Forschung international erlangt. Diese grosse wissenschaftliche Leistung findet ihren Niederschlag auch in einer stattlichen Anzahl von akademischen Beförderungen zu Professoren (8) und Privatdozenten (12).
Daneben entwickelte sich nach der Wahl von Frau Prof. Marijke Brink zu Leiterin der kardiovaskulären Forschungsgruppe auch die kardiovaskuläre Grundlagenforschung. Heute arbeiten vier Forschungsgruppen an den Grundlagen der Entwicklung der Herzinsuffizienz, des Remodellings nach Infarkt inkl. Stammzelltherapie und an den genetischen Grundlagen verschiedener Herzkrankheiten, unterstützt durch einen SCORE-Grant und ein Nationalfonds-Forschungsprojekt. In der Klinik werden zurzeit 4 weitere Projekte durch den Nationalfonds unterstützt.
Weitere neue Bereiche kamen in den letzten Jahren dazu resp. wurden ausgebaut: die Coronary Care Unit unter Leitung von Prof. Patrick Hunziker wurde zu einer eigenständigen Einheit im Rahmen der Intensivmedizin und das ambulante Rehabilitationsprogramm (KARAMBA) wurde zu einer festen und erfolgreichen Institution, geleitet durch Prof. Andreas Hoffmann. Kardiologische Aerzte in Leitungsfunktion sind 2008 auch auf der Notfallstation (hier die Leitende Ärztin PD Dr. Dagmar Keller) und der Medizinischen Poliklinik (Dr. Thomas Dieterle) tätig und garantieren so den direkten Zugang dieser Patientengruppen zu den kardiologischen Spezialdiagnostiken.
Diese ausserordentliche Entwicklung der Kardiologie in den letzten 45 Jahren von einem 1-Mann-Betrieb zu einer grossen Klinik wäre nicht möglich gewesen ohne eine zunehmend grosse Zahl von Mitarbeitern, die über die Jahre zur Klinik stiessen und halfen, die Kardiologie zu dem zu machen, was sie heute ist. Mit der Emeritierung von Prof. Pfisterer soll die zukünftige Kardiologie zudem regional gestützt werden, damit einerseits die universitären Kliniken der Kantonsspitäler Bruderholz und Liestal noch mehr und direkter von den Spezialangeboten der Zentrums-Kardiologie profitieren können und damit andererseits eine genügende Zahl von Patienten für die Weiterführung der vielen universitären Aufgaben der Kardiologie gesichert werden kann.