Die Wissenschaftlichen Museen in Basel

Basel versteht sich als Museumsstadt. Ein grosser Teil dieser Museen gehört zur Universität oder steht in enger Verbindung zu ihr. Diese Museen sind Universitätsgut und waren – und sind es weitgehend auch heute noch – wichtige Voraussetzungen für das akademische Arbeiten in Basel. Ausgehend vom ältesten Museum Europas soll hier die allmähliche Aufgliederung von substantiellen Spezialmuseen dargelegt werden: vom Amerbach-Kabinett bis zum Schaulager.

Als Wissen erzeugender Betrieb setzt Wissenschaft noch vor dem Analysieren das Dokumentieren voraus. Eine wesentliche Form des Dokumentierens ist das Sammeln, zunächst von Objekten, dann von Daten, anfänglich meistens wenig systematisch, das heisst noch nicht aus einer Kenntnis des Gesamten, sondern vor allem aus dem Interessen für das Spezielle, das Ausserordentliche, das Kuriose, das Raritätenhafte. Sekundär setzten der Wunsch nach Ordnung und deshalb nach Ordnen ein und dann auch nach dem Zeigen und Vermitteln des Gesammelten. Nach diesen Linien entwickelte sich auch das Basler Museumswesen von den einzelnen «Wunderkammern» hin zu spezialisierten Spartensammlungen.

Bonifacius und Basilius Amerbach und ihre Sammlungen
Den Ausgangspunkt bildeten die Studierstuben der humanistischen Gelehrten. Insbesondere diejenige des grossen Erasmus. Seine Sammlung (Büchern, Bildern, Münzen und Medaillen, Ehrengaben, Becher, Uhren, Löffel) ging nach dessen Tod an den Freund Bonfacius Amerbach, Professor für Institutionenlehre und Römisches Recht und fünfmaliger Universitätsrektor. Sein Sohn, Basilius Amerbach d. J. (1533-1591), Rechtsprofessor wie sein Vater, erstellte, was eben zum qualifizierten Sammeln gehört, um 1586 ein Inventar zu den über 5000 im Privathaus «Zum Kaiserstuhl» (an der Kleinbasler Rheingasse) aufbewahrten Objekten (darunter 2000 Altmeisterzeichnungen, u. a. auch 100 Arbeiten von Hans Holbein dem Jüngeren). Basilius A. konstituierte so das berühmte Amerbach-Kabinett und erweiterte es um eine selbst angelegte grosse Münzsammlung. Basilius veranlasste auch die Ausgrabung des römischen Theaters in Augusta Raurica; diese gilt als die erste wissenschaftliche Grabung nördlich der Alpen und damit auch als Begründung der klassischen Archäologie.

Als diese Sammlung 1661 nach Holland verkauft werden sollte, setzte sich die Stadt unter Bürgermeister Johann Rudolf Wettstein für deren Verbleiben in Basel ein und machte sie zu einem Teil des Universitätsguts. Ein Jahrzehnt später, 1671, wurde sie im Haus «Zur Mücke» am Münsterplatz öffentlich zugänglich gemacht. Die Stadtbevölkerung konnte jeweils am Sonntag nach dem Gottesdienst die Sammlung besichtigen. So kann Basel von sich sagen, Europas ältestes Museum eines bürgerlichen Gemeinwesens zu haben.

Das weitere Anwachsen des Sammlungsguts ging in starkem Masse von Übereignungen wertvoller Privatsammlungen ab. Aus der Frühzeit sei stellvertretend nur auf die Sammlung von Versteinerungen des Muttenzer Pfarrers Hieronymus Annoni hingewiesen, die 1768 an die Universität ging, und an die 1823 ins Universitätsgut übergeführte Sammlung Faesch. Die Naturalien wurden 1821-1849 als eigene Sammlung am Münsterplatz (11) im Falkensteinerhof untergebracht. Zur Sammlung Faesch: Sie wurde vom Juristen, Universitätsrektor und Kunstsammler Remigius Faesch (1595-1667) angelegte, war eine typische Kunstkammer des 17. Jahrhunderts, untergebracht im Familiensitz am Petersplatz und bestand als Fideikommiss (treuhänderisch anvertrautes Familiengut) bis 1823.

Die Kantonstrennung als Einschnitt
Infolge der Kantonstrennung von 1833 war die gesamte Universitätssammlung grosser Gefahr ausgesetzt: Anfänglich erhob der junge Kantons Basel-Landschaft den Anspruch auf Realteilung des Universitätsgutes. Die Lösung des Streits bestand schliesslich in der Ausbezahlung der Hälfte eines niedrig gehaltenen Schätzwerts. Aus der Erfahrung dieser Gefährdung und in einer allgemeineren Wertschätzung des Museumswesens entstand im Basler Bürgertum in engster Verbindung mit der Universität eine breite Bewegung, die zur Gründung 1841 eines «Museumsvereins» für den Bau eines neuen Museums und 1850 eines «Freiwillige Museumsvereins» führte. Dessen Doppelzweck bestand darin, einerseits die Sammlungen vor allem durch Ankäufe zu unterstützen und anderseits bei den Bürgern den Sinn für Wissenschaft und Kunst zu beleben.

Nächste wichtige Etappe war der erwähnte grosse, nach den Plänen von Melchior Berri erstellte und 1849 bezogene Museumsbau auf dem Areal des vormaligen Augustinerklosters und Oberen Kollegiums. Hier fand die erste räumliche Ausdifferenzierung des Sammlungsguts statt, unterschieden nach Kunstobjekten, Abgüssen antiker Plastiken, mittelalterlichen Stadtaltertümern, ethnographischen/völkerkundlichen Objekten, Naturalien und einer Bibliothek. Alles wurde ehrenamtlich oder von Lehrstuhlinhabern unter der Gesamtverantwortung der Universitätskuratel betreut. Die einzigen entlöhnten Mitarbeiter waren der Abwart und die sonntäglichen Aufseher. Als 1848 die Schaffung einer bezahlten Konservatorenstelle ins Auge gefasst wurde, dachte man an Jacob Burckhardt, es regte sich aber Widerstand gegen diese als überflüssig erachtete Stelle. Erst ein Jahrzehnt später konnte man sich zur Schaffung eines halben Postens durchringen.

Zum spätklassizistischen Museumsbau muss bemerkt werden, dass er durch und durch einer antimittelalterlichen Mentalität entsprang. Nicht nur wurden das ehemalige Augustinerkloster hemmungslos beseitigt, in der schmale Gasse wurde ein Baukubus platziert, der heute überdimensioniert wirkt, weil die mittelalterlichen Häuser auf der Gegenzeile entgegen der ursprünglichen Pläne doch nicht beseitigt wurden. Eigentlich war geplant, an dieser Stelle mit freiem Blick auf den Rhein analog zur mittelalterlichen Pfalz eine Pfalz der Moderne zu errichten. Für diese Aufgabe bestens geeignet war Melchior Berri, Grossrat und mit Jacob Burckhardts Schwester verheiratet und erfolgslos an einer Professur an der Universität interessiert. Er war, wie es heisst, in Karlsruhe «durch den einheitlich geleiteten und disziplinierten Bauwillen der Residenzstadt» geschult und von der Vision getragen, dass Basel «baulich erzogen» werden müsse. Wenn er aber eine Anstellung an einem «beträchtlichen Hof» hätte bekommen können, statt bloss «republikanischer Baumeister» zu sein, wäre ihm dies lieber gewesen.

Das Museum war ein Mehrzweckbau. Einmal im praktischen Sinn, weil es mehrere Sammlungen in sich aufnahm, auch eine Bibliothek inklusive Bibliothekarwohnung und einen festlichen Vortragssaal und sogar Schönbeins chemisches Labor vom Falkensteinerhof, allerdings in Form eines amphitheatralischen Chemiesaals. Zum anderen aber auch in symbolischer Weise. Gemäss Professor Peter Merians im Rahmen der Einweihungsfeierlichkeiten ausgesprochenen Worten sollte das Museum – und es tat es auch – ein «anschauliches Denkmal der Vorsorge (sein), welche zu unseren Zeiten Behörden und Bürgerschaft Basels den Interessen der Wissenschaft und Kunst gewidmet haben». Im Vorraum der Aula aufgestellte Figuren hatten ebenfalls die Beziehungen von Kunst und Wissenschaft zur Stadt zu versinnbildlichen.

Es war schon sonderbar, dass diese Bürgerschaft in den 1840er Jahren es vorzog, einen Sammlungstempel zu errichten, statt den dringend benötigten Raum für den universitären Unterricht zu schaffen. Auf Friedrich Mählys Plan von 1847 ist der noch nicht fertig gestellte Museumsbau als herausragendes Kolossalgebäude exakt im Zentrum der Stadtansicht eingetragen, derweil das alte Kollegiengebäude unscheinbar in der Zeile des Rheinbords liegt. Die andere Funktion des Museums wurde von Professor Wilhelm Wackernagel angesprochen: «Basel hat sich selbst darin ein Denkmal gesetzt.» Der Einzelbau hatte das Stadtganze zu vertreten. Und in welcher Weise tat er dies? Othmar Birkner bemerkt: Es war Symbolform für die bisherige, fest umgrenzte Stadt und nahm eine Verteidigungsstellung gegenüber der kommenden, unbegrenzten Verkehrswelt ein. Sozusagen das Gegenstück zum Bahnhof. Berri hatte noch das 1844 in die Stadtmauer eingebaute Eisenbahntor (vgl. Mähly-Plan) entworfen – am ersten Bahnhofbau von 1854/55 scheiterte er dagegen.

Das zentrale Element des Baus war die Aula mit vergoldeter Kassettendecke und der grossen Galerie mit 125 in genormter Grösse porträtierten Professoren. Andere Universitäten (vor allem Tübingen) führten ähnliche Galerien und dienten wohl als Vorbild. Die in der Aula und in anderen Räumen des Museums hängende Porträtsammlung umfasst auch ältere «Conterfeit», die bereits gegen Ende des 17. Jahrhunderts entstanden sind und zeigt zum Teil auch Personen (natürlich alles Männer), die erst nachträglich, gleichsam rückwirkend erfasst worden sind. So kamen zu Beginn des 18. Jahrhunderts auch Papst Pius II. als Universitätsgründer und Domprobst Georg von Andlau als erster Rektor zu Ehren. Zur Institutionalisierung bemerkte Paul Leonhard Ganz, es habe in einer Zeit des offenkundigen Niedergangs der Hochschule dem ausgleichenden Bedürfnis entsprochen, «Ruf und Würde einer Stätte von mehr reformierter als reformatorischer Wirksamkeit auf diese Weise zu verherrlichen und zu verewigen». Die einmal begonnene Tradition wurde im 20. Jahrhundert durch den staatlichen Kunstkredit selektiv weitergeführt.

Ausdifferenzierung der Sammlungsräume
Das stetige Anwachsen der Sammlung machte in der Folge die Ausgliederungen der historischen Objekte und der Kupferstiche in Nebenstandorte nötig. 1856 kam auf Veranlassung des Germanisten Wilhelm Wackernagel die um Teile des Münsterschatzes erweiterte historische Sammlung in den Bischofshof. Damit entstand eine Vorgängerinstitution des späteren, 1894 eröffneten und in der Barfüsserkirche untergebrachten Historischen Museums. Später erhielten spezielle Abteilungen eigene Standorte, das Kirschgartenmuseum, die Musikinstrumenten-Sammlung und die Kutschen- und Schlittensammlung. Eine eigene «Museumspersönlichkeit» bildet das Schweizerische Pharmaziehistorische Museum am Totengässlein, das Dank der Schenkung der vom Dozenten für Pharmaziegeschichte Joseph Anton Häfliger angelegten Sammlung von historischem Apothekergerät 1924 geschaffen werden konnte.

Antike Antiquitäten waren in Basel schon früh gesammelt worden, in den Öffentlichen Sammlungen waren sie teilweise im Historischen, teilweise im Kunstmuseum untergebracht. Einen eigenen Standort im Antikenmuseum am St. Alban-Graben 5/7 bekamen sie erst 1966, nachdem noch grössere Schenkungen (von Giovanni Züst, Robert Käppeli und René Clavel) hinzugekommen waren. Dem ging das 1957 eröffnete Römerhaus im einstigen Augusta Raurica (Augst, Basel-Landschaft) voraus. Ebenfalls voraus ging 1963 die Einrichtung der Skulpturenhalle in einem alten Fabrikbau an der Mittleren Strasse (in der Nachbarschaft des Bernoullianums). Der Phase der Ankäufe von Originalen ging das Interesse an Gipsabgüssen von griechischen und römischen Meisterwerken voraus. Solche Reproduktionen wurden derart geschätzt, dass man sogar bereit war, die originale, aus dem 14. Jahrhundert stammende Goldene Rose des Münsterschatzes nach Paris zu verkaufen, um mit dem Erlös von 805 Franken Gipsabgüsse zu erstehen. Die zunächst ebenfalls im Hauptmuseum untergebrachte Skulpturensammlung wurde wegen des wachsenden Platzbedarfs der Gemäldeabteilung zunächst in einem Anbau an der Martinsgasse und 1887 in einen Seitentrakt der Kunsthalle (1872/85) ausgelagert.

1910 wuchs auf Betreiben von Eduard Hoffmann-Krayer aus der völkerkundlichen Abteilung das Schweizerische Museum für Volkskunde heraus, das sich vor allem für das «ländliche Kulturgut der Heimat» interessierte und im Museumsdachstock einen ersten eigenen Standort erhielt und seit 1953 in einem speziellen Anbau untergebracht ist.

Etwas gegenläufig zu Bestrebungen, die Kategorien Natur und Kultur vermehrt zusammen zu denken, sind die beiden unter dem gleichen Dach verbleibenden Hauptbestände der Natur- und Völkerkunde mittlerweile über zwei separate Eingänge weiter getrennt worden. Das Museum für Kulturen, wie die eine Seite seit einiger Zeit jetzt heisst, hat jüngst ein von Herzog & De Meuron gestalteter Erweiterungsbau bekommen, der im Herbst 2010 fertig gestellt sein soll.

Neubau des Kunstmuseums
Die Öffentliche Kunstsammlung verblieb beinahe ein Jahrhundert lang an der Augustinergasse und erhielt erst 1936 am St. Alban-Graben 16 ein eigenes grosses Ausstellungsgebäude. Erste Wettbewerbe waren 1909 und 1913 ausgeschrieben worden. Verzögerungen gab es aus mehreren Gründen, eine Diskussion um die Sammlungsinhalte und um Belichtung (Seiten- bzw. Oberlicht) und Finanzierung und vor allem wegen langwieriger Standortdiskussionen. Im Gespräch waren auch Elisabethenschanze, Münsterplatz und Schützenmatte. Anders als beim neuen Kollegiengebäude erwuchs kein Widerstand wegen der Beseitigung des am neuen Standort befindlichen ehrwürdigen Gebäudes (des Württemberger Hofs).

Nach dem letzten Juryentscheid von 1929 für das Projekt von Rudolf Christ drehte sich eine heftige Kontroverse um die Frage, ob eher die Anforderungen des konkreten Gebrauchs oder die Wünsche nach einem eindrücklichen Auftritt (einer unbürgerlichen Monumentalität) zu berücksichtigen seien. Dorothee Huber: «Das Insistieren auf der Palastform zur Charakterisierung der hohen Bestimmung war den Vertretern der Moderne unerträglich als Machtdemonstration eines konservativen Kulturverständnisses.»

1980 erfuhr das Kunstmuseum eine Erweiterung um das Museum für Gegenwartskunst, ein eigenes, von der Kunstmäzenin Maja Sacher finanziertes Gebäude (Architekten Wilfrid und Katharine Steib) in einer ehemaligen Papierfabrik am St. Alban-Rheinweg 58/60 für die nach 1960 entstandene Kunst und insbesondere für die 1933 geschaffene Sammlung der Emanuel Hoffmann-Stiftung. Diese Dependance fand 2003 eine indirekte Erweiterung mit dem wiederum von Herzog & De Meuron entworfenen, in Münchenstein abgesiedelten Schaulager, einer Mischung zwischen öffentlichem Museum, Kunstlager und Kunstforschungsinstitut, finanziert durch die 1999 von Maja Oeri geschaffenen Laurenz Stiftung, die auch mit der Übernahme des ehemaligen Nationalbankgebäudes am St. Alban-Graben 8 dem Kunsthistorischen Seminar und seiner Bibliothek eine grosszügiges Domizil zur Verfügung gestellt und damit auch neuen Raum für das Kunstmuseums geschaffen hat. Ein direkter Erweiterungsbau des Kunstmuseums soll, wiederum zu einem grossen Teil mit privaten Mitteln, in den kommenden Jahren auf dem benachbarten Areal des Burghofs entstehen.