Otto Käser

Otto Käser wurde 1913 im Kanton Aargau geboren. Nach Assistenz- und Oberarztjahren in Basel (bis 1954) wurde er zum Chefarzt der Frauenklinik des Kantonsspitals St. Gallen gewählt. 

In dieser Zeit entstand in Zusammenarbeit mit Franz A. Iklé die erste Auflage des „Atlas der gynäkologischen Operationen“. Mit diesem Werk, einer präzisen enzyklopädischen Beschreibung der Operationsmethoden, begleitet von modellhaften und anschaulichen Illustrationen, begründete er seinen Ruf als herausragender gynäkologischer Operateur. Es stellt das deutschsprachige Referenzwerk der gynäkologischen Operationslehre dar. Das Werk ist noch immer erhältlich, die bislang letzte (6.) Auflage ist 1999 erschienen. Die Autorenfolge lautet zwar inzwischen Hirsch/Käser/Iklé, aber wenn immer ein operativ tätiger Gynäkologe fundierte und ausführliche Informationen zu einer Operation sucht, so wird er „den Käser“ (so wird das Buch unter Kollegen auch mehr als 20 Jahre nach seinem Tod noch genannt) zu Rat ziehen. Nur selten sind ein Buch und der Name seines Hauptautors, inzwischen fast über einen Zeitraum von fünf Dekaden hinweg, zu einem allgemein akzeptierten Markenzeichen und zum Synonym für operative Didaktik auf höchster Stufe verschmolzen. In späteren Jahren war er in Kooperation mit den Kollegen Friedberg, Ober, Thomsen und Zander Mitherausgeber des Handbuchs für Gynäkologie und Geburtshilfe, welche über viele Jahre die deutschsprachige Enzyklopädie des Fachgebiets darstellte. In diesem Zusammenhang muss auch die Fachzeitschrift «Der Gynäkologe» genannt werden, die im deutschsprachigen Raum bis heute hohes Ansehen geniesst. Es war Otto Käser, der dieses Journal 1968 mitbegründet hatte und für das er dann viele Jahre als Herausgeber tätig war.

1962 wurde Käser nach Frankfurt berufen, wo er seine operative Schule weiter etablieren konnte. 1969 folgte er dem Ruf nach Basel.  Nachdem sein Vorgänger mit dem Ausbau der Klinik den Grundstein für die Entwicklung der Frauenklinik zu einem europäischen operativen Referenzzentrum gelegt hatte, wurde diese Entwicklung von Käser und seinen Mitarbeitern in den nächsten Jahren zur Vollendung gebracht.

Käser bewies in der Wahl seiner Mitarbeiter grosses Geschick. Engagierte klinische Wissenschaftler wie Fred Kubli und Hans A. Hirsch (beide später Lehrstuhlinhaber an den renommierten Universitäten in Heidelberg, bzw. Tübingen) nutzten das fruchtbare Klima der Basler Klinik und bauten ihren Ruf als kreative und innovative Werkstatt aus. Ein weiterer herausragender Kopf der Klinik war Konrad Hammacher, der in Basel von Käser habilitiert wurde. Hammacher hatte noch zu seiner Zeit an der Düsseldorfer Frauenklinik die wissenschaftlichen und klinischen Grundlagen der Kardiotokographie (CTG; simultane Messung von mütterlicher Wehentätigkeit und kindlicher Herzfrequenz, dieses im Wesentlichen zur Überwachung der fetalen Sauerstoffversorgung des Feten vor und unter der Geburt) erarbeitet, einer Methode, ohne die die moderne klinische Geburtshilfe heute kaum noch vorstellbar ist.

Otto Käser legte seinen akademischen Schwerpunkt nicht so sehr auf die Publikation eigener wissenschaftlicher Daten, er war aber ein herausragender wissenschaftlicher Mentor. Er hatte ein aussergewöhnlich feines Gespür für aktuelle und kommende Fragestellungen. An diese Themen hat er dann seine Mitarbeiter und Schüler herangeführt und ihnen, neben der Vermittlung einer fundierten handwerklichen Ausbildung, Raum zur Entfaltung ihrer akademischen Aktivitäten gegeben. Aus der Vielzahl von Käsers Schülern sollten, neben den bereits oben Erwähnten, eine Auswahl weiterer Persönlichkeiten genannt werden, die später Führungspositionen in angesehenen Spitälern bekleiden sollten: Joachim Benz, Martin Birkhäuser, Renzo Brun del Re, Heiner Buess, Alfonso Castano y Almendral, Ruedi Dahler, Dino da Rugna (er leitete nach Käsers Emeritierung die Klinik interimistisch), Pierre de Grandi, Holger Dieterich, Ekkehard Dreher, Reto Gaudenz, Siegfried Heinzl, Ernst Hochuli, Michael K. Hohl, Franz X. Jann, Felix Krauer, Mario Litschgi, Hans Mäder, Roland Richter, Volker Roemer, David Stucki.

Otto Käser war geschätztes Mitglied vieler internationaler Fachgesellschaften. Die Reihe der ihm zuteil gewordenen Ehrungen ist lang. Besonders herauszuheben ist aber die Ehrenmitgliedschaft des American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG). Mit den amerikanischen Kollegen hatte er früh Kontakt gesucht und diesen in der Folgezeit systematisch gepflegt und ausgebaut. Zu einer Zeit, in der viele deutschsprachigen Kollegen noch nicht erkennen, bzw. noch nicht wahrhaben wollten, dass die deutsche Sprache den vorderen Rang als Wissenschaftssprache verloren hatte, den sie vor den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts noch inne hatte, erkannte Käser, dass viele bahnbrechende Innovationen der Medizin zunehmend in den wissenschaftlichen Zentren der USA entwickelt wurden und dass wissenschaftliche Publikationen von Rang in englischsprachigen Fachjournalen veröffentlicht wurden. Dieser Trend setzte sich in den nächsten Jahren noch deutlicher fort. Wenn man heute die Liste der internationalen Fachzeitschriften zum Thema Gynäkologie und Geburtshilfe nach Impact-Faktor ordnet (eine Masseinheit, die den wissenschaftlichen Wert eines Journals im internationalen Vergleich kennzeichnet), so nimmt die höchstdotierte deutschsprachige Zeitschrift, „Geburtshilfe und Frauenheilkunde“, den 58. von insgesamt 60 gelisteten Rängen ein. Wer heutzutage wissenschaftliche Daten von Relevanz publizieren möchte, tut dieses in englischer Sprache. Käser hat diese Entwicklung schon früh vorausgesehen.

Otto Käser wurde als eher „leiser Chef“ beschrieben. Diejenigen, die ihn kannten, beschreiben ihn aber auch heute noch als aussergewöhnlich charismatische Persönlichkeit mit beeindruckender Präsenz und als einen Mann, der, wenn er das Wort ergriff, die Dinge stets prägnant auf den Punkt brachte. Die Verbundenheit seiner Schüler und Mitarbeiter zu dem Arzt, Lehrer und Menschen Otto Käser kam auch in den Jahren nach seiner Emeritierung zum Tragen, besonders eindrucksvoll in dem Symposium, das im Januar 1988 aus Anlass seines 75. Geburtstages organisiert wurde.