Niklaus Stoecklin: Die Fakultäten
Im Jahr 1960 hat die Studentenverbindung Zofingia der Universität Basel den 14teiligen Bildzyklus «Die Fakultäten» von Niklaus Stoecklin (1896-1982) geschenkt. Die Tafelbilder, die Stoecklin 1930/31 für den Versammlungssaal der Zofinger an der St. Johannsvorstadt 38 gemalt hatte, zeigen verschiedene akademische Berufstypen - darunter den im Labor verunfallten Chemiker, den pfeifenrauchenden Altphilologen im Schlafrock oder den weltgewandten Nationalökonomen.
Auftraggeberschaft und Besitzergeschichte
Am 27. Februar 1931 weihte die Studentenverbindung Zofingia ihr neues Vereinslokal in der St. Johannsvorstadt 38 ein. Darin befanden sich im Sitzungssaal die Tafelbilder von Niklaus Stoecklin. Zuvor war seit 1852 das Restaurant Löwenfels in der Steinvorstadt das Stammlokal der Zofinger gewesen, welches unter anderem auch in einer Zeichnung von Niklaus Stoecklin festgehalten ist. Es wurde «Breo» genannt, nach dem langjährigen Wirt Brändlin. 1928 war der alte Breo verkauft und abgerissen worden, noch im gleichen Jahr eröffnete dort 1928 das Kino Capitol. Die «Gesellschaft zum Breo», eine Nebenorganisation der Zofingia, die für den Betrieb des Stammlokals verantwortlich ist, fand jedoch kein passendes neues Lokal für die Zofingia. Deshalb beschloss man zu bauen, um wieder über eigene Räumlichkeiten zu verfügen. Es entstand ein nüchterner, schlichter 30er-Jahre-Bau der Architekten Ernst und Paul Vischer, der jedoch in der Dachzone an die Satteldächer der Häuserzeile am Ufer des Rheins angepasst wurde.
Der Wunsch nach einer Wanddekoration führte die Baukommission zu Niklaus Stoecklin. Der Künstler war damals durch seine Ausstellungen und öffentlichen Aufträge, z.B. die Ehestandtafeln am Münsterplatz (1920), die Innenausstattung des Nachfolgebaus des alten Breos, das Kino Capitol (1928), oder das Restaurant zum Grünen Heinrich (1929-30) in Basel sehr präsent. Da jedoch Stoecklins Vorschlag für den neuen Breo zu teuer war, dachte man auch an andere, unbekanntere Maler. Nachdem Stoecklin sich von den anfänglichen 14500.- auf 5000.- herunterhandeln liess, kam der Auftrag doch zustande.
Über die Auftraggebung und wie es zum Programm kam, weiss man leider sehr wenig. Von der anfänglichen Idee einer Wandbemalung mit «Attributen der Fakultäten» berichten sowohl die Protokolle der Gesellschaft zum Breo als auch die erhaltene Skizze. Später ist von «Panneaux mit Figuren» die Rede, von denen allerdings keine Entwürfe erhalten sind. Darüber, ob die Ideen jeweils von Seiten des Künstlers, der Architekten oder der Zofingia kamen, geben die Protokolle keinen Aufschluss. «Unter Abänderung einiger Details» beschliesst man schliesslich, «das Projekt Stöcklin ausführen zu lassen.» Im Bericht der Vorstandssitzung vom 28. Januar 1931 heisst es, «Niklaus Stoecklin ist an der Arbeit. Der Befund befriedigt allgemein.»
Niklaus Stoecklin war selber kein Mitglied der Zofingia, da er nicht an der Universität studiert hat. Eine Verbindung existierte aber wohl durch Stoecklins Onkel, den Künstler Heinrich Müller, der in der Zofingia war und für Stoecklin eine «prägende Figur» gewesen sei, nachdem er «dem Knaben zur frühen Identifikationsfigur, dem jungen Mann zum wichtigsten Lehrer» geworden war.
Der neue, später mittlere Breo wurde am 27. Februar 1931 mit den Aktiven eingeweiht. Die Fuxenschar, die jüngeren Zofinger, nahm sich sogleich der Figuren im Sitzungssaal an, indem sie «in witziger Imitation der Stoecklinfresken die verschiedenen Hauptberufe sprechend vorführte». Nach der anfänglichen Freude über das neue Gebäude an der St. Johannsvorstadt, in welches neben den Räumlichkeiten für die Zofingia auch eine Kaffeehalle und Wohnungen untergebracht waren, kamen schon bald die Sorgen. Zu den finanziellen Schwierigkeiten kam, dass «das Interesse der Aktiven am Breo leider nicht sehr gross» war und man lieber in anderen Lokalen verkehrte. Dazu würde auch beitragen, dass «der grosse Saal in Farbe und Beleuchtung ungemütlich» sei, behaupteten einige Mitglieder. Andere widersprachen dem jedoch. Ab 1941 sind erstmals Gedanken an einen Verkauf der Tafeln dokumentiert. Ein Altzofinger meinte zwar, «auch abgesehen von den finanziellen Auswirkungen durch einen Verkauf würde ich die Entfernung der Bilder begrüssen, welche die ganze Innenausstattung des unwohnlichen Saales zur Erneuerung ermöglichen». Am Schluss kam ein Verkauf dennoch vor allem deswegen nicht zustande, weil der Verkaufsgewinn die Lage nicht wesentlich verbessert hätte. 1947 kamen die Tafeln dann aber grösstenteils als Depositum ins Kunstmuseum. Die Apothekerin, der Botaniker und der Archäologe blieben noch bis 1955 im Breo und folgten dann ins Kunstmuseum. Als vereinter Bildzyklus waren die Tafeln also nur knapp 16 Jahre an ihrem Originalstandort. Der mittlere Breo wurde bereits 1950 verkauft und die Zofingia zog in den dritten Breo am Nadelberg 12. Bis Anfang der 60er-Jahre mietete man sich jedoch für gewisse Anlässe im mittleren Breo ein.
Der Verein hat sich mit dem Gebäude an der St. Johannsvorstadt offenbar nie richtig angefreundet. Die unterkühlte Beziehung zum mittleren Breo setzte sich auch bei Niklaus Stoecklins Tafeln fort. Dies können sowohl Zeitzeugen bestätigen als auch die bedauerliche Tatsache, dass keine uns bekannte Innenaufnahme des Saales mit den Tafeln existiert. Wie das ganze Haus schätzte man auch die Tafeln wenig. 1960 hat die Gesellschaft zum Breo die Bilder der Universität Basel zum 500. Jubiläum geschenkt. Bis 2003 hingen sie im Kollegiengebäude der Universität. en
Der Auftrag
Es ist davon auszugehen, dass das Format und die Anzahl der zu bemalenden Tafeln durch die Architekten festgelegt wurden. Der Plan zu den Tafeln im Saal wurde am 28. Dezember 1929 von «Ernst und Paul Vischer Architekten» fertiggestellt. Aus dem Protokoll der Kommissionssitzung der Gesellschaft zum Breo vom 3. Oktober 1930 geht hervor, dass die Tafeln mit «Attributen der Fakultäten» geschmückt werden sollten. Somit kann man annehmen, dass der Plan der Architekten zum Künstler gelangt ist, um Farbskizzen anzufertigen. Für die Südwand waren acht Tafeln vorgesehen zu den Fachbereichen Geologie, Botanik bzw. Zoologie, Astronomie, bildende Kunst bzw. Kunstgeschichte, Chemie, Musik und Theater (darstellende Künste), Geographie und Physik. Diese Bezeichnungen auf dem Plan stammen von Stoecklin, was an der unverwechselbaren Handschrift des Künstlers zu erkennen ist.
Der Auftrag an den Künstler bestand darin, Attribute der Fakultäten abzubilden. Stoecklin beschreibt diesen Bildzyklus wie folgt: «Jetzt male ich den ganzen Tag in der Stadt im neuen Zofingerhaus. 14 groteskkomische Figuren in Grau auf blauem Grunde. Die Figuren stellen die Fakultäten dar. Der Arzt, der Archäologe, der Chemiker, der Sterngucker ect., etwas unterlebensgross. Es gibt viel zu tun und so rechne ich noch 14 Tage bis die Arbeit fertig ist.» Wie es aus den nachfolgenden Beschreibungen hervorgehen wird, stellen diese Tafeln keine Fakultäten dar. Vielmehr handelt es sich hier um die Darstellung von akademischen Berufen.
Die vierzehn Tafeln zeichnen sich durch einen einheitlichen Bildaufbau aus. Vor einem kobaltblauen Hintergrund ist jeweils eine Figur im Bildzentrum dargestellt. Jede Figur repräsentiert ein Berufsfeld. Begleitet werden die Figuren von Instrumenten, Attributen und Symbolen ihres Fachbereichs. In der Figur des Geologen ist der Vater des Künstlers wiederzuerkennen. Bei den anderen Figuren, wie beim Kunstkritiker, können höchstens Vermutungen angestellt werden. Es ist aber davon auszugehen, dass Stoecklin nicht beabsichtigt hat, reale Personen darzustellen, obwohl karikaturistische Eigenschaften in diesen Tafel auftreten. Viel eher wollte Stoecklin den jungen Erwachsenen verschiedene Berufstypen vor Augen führen.