Apothekerin
Die einzige Frau im Bildzyklus der „Fakultäten" hat Stoecklin als Vertreterin der Pharmazie dargestellt. Dies hängt vermutlich damit zusammen, dass die Pharmazie zur Zeit der Entstehung der Bilder bei Frauen ein beliebtes Studium war. Unter anderem lag dies daran, dass die Pharmazie „in der Universitätshierarchie nicht zu den prestigeträchtigen Studiengängen wie die ehrwürdigen Fächer Medizin und Jura [gehörte], so dass Frauen der Zugang weniger verwehrt wurde."
Die Frau mit kurzen schwarzen Haaren steht leicht nach vorne gebeugt hinter einer kleinen Theke und hat die Hände auf die Tischfläche gestützt. In dem kleinen Holzmöbel kombiniert der Maler geschickt den Apothekertresen und das Regal mit den Flaschen dahinter, welche in Apothekendarstellungen üblich sind. Sie trägt keinen weissen Apothekerkittel, sondern einen grauen Mantel. Als Apothekerin kennzeichnen sie aber die Gerätschaften in der Theke - drei Salbentöpfe und drei Standgefässe, der Bronchialkessel und das kleine Stilleben von drei aufgereihten Gewichten. Die Gefässe sind gut lesbar beschriftet und enthalten damals gebräuchliche, heute grösstenteils nicht mehr übliche Substanzen. Den Inhalten und ihrer Wirkung kommt wohl keine weitere Bedeutung zu, sie sollen lediglich für die Ausrüstung einer Apotheke stehen. Den Totenkopf, wie er auf giftigen Substanzen abgebildet ist, trägt die Apothekerin als Ohrschmuck. Im Mund hat sie einen Fiebermesser, jedoch mit dem Messbereich nach aussen, was auch mit der besseren Erkennbarkeit begründet sein könnte, die so erreicht wird.
Stoecklin stellt keine Akademikerin in der Tradition des „Mannsweibes" dar, sondern eine verführerische Frau mit übertrieben stark ausgeprägten weiblichen Körpermerkmalen: grosse Augen, geschwungene Augenbrauen, volle Lippen, tiefer Ausschnitt und schmale Taille. Die kurzen Haare sollen wahrscheinlich für den Typ der berufstätigen, emanzipierten Frau stehen.
Obwohl es 1930 schon lange her war, dass Frauen zum Studium zugelassen wurden - Frauen waren in Basel 1890, nach allen anderen Hochschulen in der Schweiz, zum Studium zugelassen worden - könnte Stoecklins Darstellung auf die „Abneigung gegen gelehrte Schönheiten" anspielen, die man bei der Diskussion um das Frauenstudium geäussert hatte. Man hatte eine „schwere Schädigung der Interessen männlicher Studierender" befürchtet. Wahrscheinlich hatten die Akademiker auch Angst, Studentinnen wie Stoecklins Apothekerin würden Unruhe stiften in der männlichen Sphäre der Universität und den Studenten vom klaren Denken ablenken. Ob Stoecklin sich hier über dieses Feindbild und die Kritik am Frauenstudium lustig macht oder ob er auch eigenen Vorbehalten Raum gab, ist nicht ganz eindeutig.
Die Apothekerin hat als einzige Figur gut sichtbare Augen mit einem Glanzlicht. Dennoch hat auch sie keinen klaren Blick. Sie wirkt leicht benebelt, was vermutlich auf den Drogenkonsum anspielt, der ApothekerInnen nachgesagt wird.